Vattenfall hat nur ganz leise geklatscht, die Mibrag etwas lauter. Und die sächsische Regierung hat beinah gejubelt, als die von Bundesenergieminister Sigmar Gabriel geplante "Klimaabgabe" gekippt wurde. "Versorgungssicherheit" hatten die Gegner der "Klimaabgabe" ganz fett in ihre Reden geschrieben. Das Gegenteil werden wir bekommen, stellt Franz Untersteller, der Umweltminister von Baden-Württemberg nun fest. Er bezieht Position zu abgeschalteten Kraftwerken, Stromkapazitäten und fehlenden Stromtrassen.
Auch zur “Klimaabgabe” gab er der “Zeit” Auskunft, die von den großen Energiekonzernen mit den ostdeutschen Kohleregierungen zusammen bekämpft und gestrichen wurde. Doch auch Untersteller schätzt ein, dass Gabriel damit das wichtigste Steuerungsinstrument aus der Hand gegeben hat, um die ältesten Kohlekraftwerke endlich vom Netz zu bekommen.
Und das auch noch unter einem völlig falschen Label. Die großen PR-Abteilungen der Energiekonzerne haben es tatsächlich geschafft, dem Energieminister ihre alten Kohlemeiler als “Kapazitätsreserve” aufzuschwatzen und dafür auch noch Geld kassieren zu wollen. Für diesen Kuhhandel (bei dem Gabriel nicht mal eine Kuh bekommt und trotzdem dafür bezahlen soll), hat Untersteller scharfe Worte. Er gehört zu der aussterbenden Spezies von deutschen Landesministern, die überhaupt noch wissen, welche Rolle eine Kapazitätsreserve in der Struktur der Energiewende tatsächlich spielt. Denn sie muss eine Mindestbedingung erfüllen: Sie muss binnen weniger Minuten im Ernstfall auf volle Kapazität hochgefahren werden können. So wie die Gas-Turbinen der GuD-Anlage der Leipziger Stadtwerke. Die L-IZ hat mehrfach darüber geschrieben.
Ein Kraftwerkstyp aber ist völlig ungeeignet für diese Rolle: Ein ausgeschaltetes Kohlekraftwerk. Denn in die Kapazitätsreserve gehen die alten Meiler ja nur unter der Bedingung, dass die Öfen erlöschen.
Unterstellers deutliche Worte zu dem, was Gabriel jetzt als Kompromiss präsentiert hat: “Reservekapazitäten halte auch ich zwar für notwendig, aber was der Bund jetzt plant, ist Unsinn. Ich erinnere an die Vereinbarung der Koalitionsspitzen vom 1. Juli: Danach sollen ausgerechnet alte Braunkohlekraftwerke mit einer Leistung von insgesamt 2,7 Gigawatt in die Reserve.”
Der “Zeit”-Redakteur fragte tatsächlich dazwischen: “Na und?”
Und bekam die simple und eigentlich so einleuchtende Antwort: “Reservekraftwerke müssen schnell regelbar sein, sie müssen sich schnell an- und abschalten lassen, je nachdem, wie viel Strom die wetterabhängigen Wind- und Solaranlagen gerade erzeugen. Uralte Braunkohleblöcke sind technisch gesehen das krasse Gegenteil solch flexibler Kraftwerke.”
Das dürfte zumindest den großen Kraftwerksbetreibern bekannt sein und es ist eher peinlich, dass sich hochbezahlte Landesminister haben dazu breitschlagen lassen, die falsche Argumentation von “Versorgungssicherheit” und “Kapazitätsreserve” auch noch nachzuplappern. Man müsse nur nach Kalifornien schauen, sagte Untersteller der “Zeit”, da könne man studieren, was passiert, wenn man die falsche “Kapazitätsreserve” stehen hat. Dann kommt es im Ernstfall tatsächlich zu dem, wovor alle eine panische Angst haben: zu einem Blackout. Das schafft kein Kohlekraftwerk, so schnell durchzustarten und den Stromausfall kurzfristig zu kompensieren. Deswegen waren im ursprünglichen Entwurf der Energiewende Gaskraftwerke als Reserve vorgesehen. Doch genau die werden, weil Kohle weiterhin – und künftig noch stärker – bezuschusst und subventioniert wird, regelrecht aus dem Markt gedrängt. Untersteller spricht bei Gabriels Kompromiss von einer Privatisierung der Versorgungssicherheit.
Und was sind dann die Millionen, die die Kraftwerksbetreiber fürs Einmotten der alten Kohlekraftwerke vom Staat oder (was wahrscheinlicher ist) vom Stromkunden bekommen sollen, für Untersteller? – Die Klimaabgabe wäre deutlich kostengünstiger gewesen, sagt Untersteller der “Zeit”. “Stattdessen wird jetzt die Stilllegung alter, abgeschriebener Kohlekraftwerke bezuschusst. Das ist Hartz IV für alte Kraftwerke in Reinkultur.”
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