Es verblüfft schon, dass nach der glasklaren Nachricht, dass es keinen autobahnmäßigen Ausbau der B87n von Leipzig nach Torgau geben wird, es immer noch einen Verein wie die Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft e. V. (VSW) gibt, die den Bau dieses Projektes fordert, als wäre Wirtschaft einfach ein ständiges Weihnachtsfest mit Wunschmusik und es ginge nicht um das knappe Geld der Bürger.
“Ich erwarte, dass die Zielsetzung von jedem Ort in Sachsen innerhalb von 30 Minuten Fahrzeit eine Autobahnanschlusstelle zu erreichen, in die verkehrspolitische Agenda des Freistaats aufgenommen und auch umgesetzt wird”, sagte VSW-Präsident Bodo Finger am Dienstag, 30. Juni, in der “Sächsischen Zeitung”. Es gäbe noch immer ländliche Regionen, die nicht gut genug ans Autobahnnetz angeschlossen seien. Da müssten auch die 72 von Sachsen für den Bundesverkehrswegeplan angemeldeten Neubauprojekte baldigst umgesetzt werden.
Dabei fehlt das Geld jetzt schon für den Erhalt der vorhandenen Straßen. Die 72 Projekte, die Sachsen für den Bundesverkehrswegeplan angemeldet hat, reichen in ihrer möglichen Umsetzung weit über das Jahr 2030 hinaus – die meisten wird es so nie geben, weil sie auch im Jahr 2015 nicht die nötige Priorität erlangen werden, damit sie überhaupt in die Finanzierung des Bundes kommen können.
Das Projekt B 87n ist seit vergangener Woche endgültig raus, auch wenn Finger dessen Umsetzung wieder fordert: “Neubau der B 87n zwischen Leipzig und Torgau mit Weiterführung nach Brandenburg”. Die federführende DEGES hat die Vorplanungen eingestellt, weil es schlicht keine Planungsgrundlagen gibt, die so eine Millioneninvestition rechtfertigen.
Normalerweise lernen es Unternehmer und Geschäftsführer spätestens in der Unternehmenspraxis, dass man bei Investitionen knallhart berechnen muss, dass sich diese Investitionen binnen weniger Jahre wieder einspielen. Finger ist Geschäftsführender Gesellschafter der Chemnitzer Zahnradfabrik GmbH & Co. KG und der Maschinenfabrik Mönninghoff GmbH & Co. KG in Bochum, er müsste es eigentlich wissen. Doch immer wieder tun gerade Verbandsvertreter der Wirtschaft so, als müsste der Staat nicht auf die Zahlen gucken und könnte das Geld immerfort für Großprojekte ausgeben, auch dann, wenn die sich in keiner Weise rechnen.
Und die schlichte Wahrheit ist: Auch ein Bundesstraßennetz muss sich rechnen. Und es darf nur so groß sein, dass die Gesellschaft überhaupt noch in der Lage ist, es instand zu halten.
Diese Rechnung halten jetzt die Grünen dem Wünsch-dir-was-Verbandspräsidenten vor. Mehr Realismus fordert Eva Jähnigen, verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, von dem 67jährigen Unternehmer: “Der aktuelle Zustand der sächsischen Straßen ist erschreckend. 34 Prozent der Bundesstraßen in Sachsen sind in einem schlechten oder sehr schlechten Zustand, bei den Staatsstraßen liegt dieser Wert sogar bei knapp 62 Prozent, Tendenz stetig steigend.”
Die Zahlen hat sie noch aus einer Anfrage an den damaligen sächsischen Verkehrsminister Sven Morlok (FDP), der seinerzeit auch die 72 Projekte für den Bundesverkehrswegeplan eingereicht hat in der Hoffnung, der Bund würde Sachsen nun gnädig mit weiteren Milliarden zuschütten, wie er es in den 1990er Jahren mal getan hat. Aber diese Zeiten sind vorbei. Sachsen muss lernen, mit dem Bestand zu haushalten, eine Botschaft, die augenscheinlich gerade im VSW nicht angekommen ist. Der scheint nicht mal zu akzeptieren, dass mit der demografischen Entwicklung die ländlichen Räume auch an einst hochgejubelter Verkehrsbelastung verlieren.
“Im Sinne von Bevölkerung und Wirtschaft muss die sächsische Regierung das vorhandene Geld so einsetzen, dass die maroden Straßen bedarfsgerecht saniert und instand gehalten werden. Das ist das Gebot der Stunde – und keine weiteren Neubauplanungen im ländlichen Raum, die die Kosten-Nutzen-Untersuchung des Bundes ohnehin nicht überstehen können”, fordert Jähnigen. “Laut den Verkehrsprognosen der Bundesregierung geht mit der sinkenden Bevölkerungszahl in Sachsen auch der Kfz-Verkehr zurück. Ausnahmen sind nur Dresden und Leipzig. Schon bisher lagen die tatsächlichen Belegungen auf den Bundes- und Staatsstraßen Sachsens um 40 Prozent unter den amtlichen Prognosen, wie eine im Auftrag der Grünen-Landtagsfraktion erarbeitete Studie von Prof. Udo Becker, TU Dresden, 2014 belegte.”
Noch hat der neue Verkehrsminister – Martin Dulig von der SPD – kein erneuertes Verkehrsbauprogramm für Sachsen vorgelegt. Aber dass das Meiste, was in Morloks Antragsliste stand, nicht finanzierbar ist, sollte sich auch so langsam bis zur VSW herumsprechen. Und vielleicht sollten sich auch mal die Unternehmer zu Wort melden, die unter den kaputten Straßen leiden. Denn die sind eigentlich zuerst dran, wenn es ans Geldausgeben geht.
Eva Jähnigen: “Eine Neuausrichtung der sächsischen Straßenplanung ist dringend notwendig. Wer soll den weiteren Straßenneubau bezahlen? Luftschlösser wie die autobahnähnliche Trasse B87n, die von der A14 bei Leipzig bis zur Landesgrenze Sachsen/Brandenburg führen sollte, können nicht mehr weiterverfolgt werden.”
Aber wie erwähnt: Die B87n ist tot, die Landesdirektion Leipzig hat das Verfahren beendet.
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