Die L-IZ hatte schon darüber berichtet, dass zunehmend Schwerlastverkehr mit Braunkohle aus dem Tagebau vereinigtes Schleenhain abtransportiert wird, anstatt für das Kraftwerk Lippendorf verwendet zu werden. Obwohl von Seiten der Mibrag einst ausdrücklich darauf verwiesen wurde, dass man die geförderte Braunkohlemenge auch wirklich für den Kraftwerkskoloss südlich von Leipzig benötigte. Ganz einfach falsch, wie sich nun tatsächlich herausstellt.
Fast jede zehnte Tonne wird quasi exportiert. So scheint es, dass auch dass schon größtenteils verlassene Pödelwitz ein Opfer dieser verfehlten Abraumstrategie wird. Auch der Landtagsabgeordnete der Grünen, Dr. Georg Lippold befasst sich einmal mehr mit diesem heiklen Thema.
Weitere Anfrage zu in Lippendorf verstromten Kohlemengen
Lippold gegenüber der L-IZ: “Gestern hat der MDR ehemalige Einwohner von Heuersdorf interviewt, um zum Jahrestag der Heuersdorf-Devastierung eine Sendung zusammenzustellen. In diesem Zusammenhang hatte man auch an mich einige Fragen, weil ich mich in der Vergangenheit zu diesem Thema in der Presse geäußert hatte.” Lippold will in den nächsten Tagen eine weitere Kleine Anfrage zu den seit Oktober 2014 in Lippendorf verstromten Kohlemengen starten, die das noch genauer quantifizieren werden. Hinter der gestrigen Aussage stünden einstweilen folgende Informationen: “Da ist zum einen eine Statistik, die ich selbst mit einer Kleinen Anfrage erfragt hatte (die PM dazu: http://www.gruene-fraktion-sachsen.de/presse/pressemitteilungen/2014/ist-heuersdorf-umsonst-gestorben/ ).
Danach waren bis zum Oktober 2014 rund 8 % der Fördermenge aus Schleenhain nicht in Lippendorf verstromt worden. Die acht Prozent gingen unter anderem an Romonta, einen Hersteller für Montanwachs, die Zuckerfabrik Zeitz und einen Bioethanolhersteller sowie nach Profen auf den Kohlemischplatz des dortigen Tagebaues zwecks Bahntransport an sonstige Dritte.”
Kohletransporte per LKW nach Profen deutlich gestiegen
So seien die Kohletransporte per LKW in Richtung Profen danach, auch in 2015, nochmals deutlich intensiviert worden. Welche Anteile der aus Profen auf dem Bahnweg abtransportierten Kohle ursprünglich aus Schleenhain stammen, wurde laut Lippold noch nicht beantwortet. Die schwieriger werdenden geologischen Bedingungen in Profen ließen aber die Vermutung zu, dass die einfachere Kohlegewinnung in Schleenhain einen unternehmerischen Anreiz bietet, möglichst viel Kohle von dort bis nach Profen zum Kohlemischplatz zu fahren.
Anstieg der Quecksilberesmissionen – 1,4 Mio. Tonnen Kohle nach Tschechien
Lippold weiter: “Ein Anstieg der Quecksilberemissionen etwa im aus Profen belieferten Heizkraftwerk Chemnitz deutet darauf hin, dass auch dorthin die besonders Quecksilberhaltige Kohle aus Schleenhain gelangt ist. Weitere Lieferbeziehungen in signifikanter Höhe bestehen mit den Kraftwerken Buschhaus und Schkopau.”
In 2014 seien rund 1,4 Millionen Tonne Kohle mit überdurchschnittlichem Heizwert (somit unterdurchschnittlichem Wasseranteil) von MIBRAG allein nach Tschechien geliefert worden. Auf die Gesamtförderung der Rohbraunkohle aus allen MIBRAG-Tagebauen bezogen sind allein das rund acht Prozent. Diese 1,4 Millionen-Tonnen-Angabe stamme übrigens nicht von der Staatsregierung, die sich einer Beantwortung der Frage zur Bilanzierung der einzelnen Kohlelieferungen, insbesondere der Exporte, verweigert habe.
Lippold: “Die Zahl stammt aus einer tschechischen Kohle-Importbilanz. Für den Tagebau Schleenhain bedeutet das in Summe sicherlich inzwischen mehr als die 8 Prozent. Das ist gemeint, wenn von etwa jeder zehnten Tonne gesprochen wird, die nicht in Lippendorf in die Verstromung geht.”
Künftiges Geschäftsmodell gefährdet
Dr. Georg Lippold merkt außerdem an: “Die ursprünglich rund 52 Mio. t unter Heuersdorf sind ihrerseits rund 10 % der für eine 40-jährige Lippendorf-Betriebszeit mit 7.000 Volllaststunden pro Jahr notwendigen Kohlemenge. Wären die Kohlevorräte im Tagebau Schleenhain für die Absicherung des Kraftwerksbetriebs knapp bemessen (und das wurde seinerzeit als Begründung für die Inanspruchnahme von Heuersdorf angenommen), dann wäre es geradezu fahrlässig, heute dort wesentlich mehr Kohle abzubauen, als man in Lippendorf verstromen kann. Denn damit würde man ja das künftige Geschäftsmodell gefährden.
“Ziel der MIBRAG sei es vielmehr, die Kohleförderung aus Schleenhain möglichst konstant zu halten, auch wenn Lippendorf jetzt und künftig deutlich weniger als damals prognostiziert abnehme. Würde man hingegen das tun, was man damals als Begründung angab – nämlich die Grube für die Sicherung des Kraftwerksbetriebes in Lippendorf zu betreiben – dann würde man bereits heute jährlich so viel Kohle weniger als damals prognostiziert fördern, dass sich das über die Kraftwerkslaufzeit auf die Menge unter Heuersdorf summieren würde. Lippold: “Das gilt sogar unter der Annahme, dass sich die Auslastung des Kraftwerks Lippendorf im Zuge des weiteren Fortschreitens der Energiewende nicht weiter verringern sollte. Die Mehrzahl verfügbarer Studien geht aber davon aus, dass auch Lippendorf immer seltener mit seiner Nominalkapazität am Netz sein wird.”
Heuersdorf-Abbaggerung war offenbar nicht notwendig
Lippold ist weiter der Ansicht, dass bereits heute auch den Betreibern offenbar klar ist, dass die Inanspruchnahme von Heuersdorf für die Sicherung des Lippendorf-Betriebes nicht notwendig war. Heuersdorf sei umsonst gestorben. Die Heuersdorfer haben das damals vorgerechnet. Sie hatten voll umfassend Recht. Die Studien, die die Staatsregierung zusammen mit der MIBRAG dagegen gestellt hat, seien von vornherein dazu konzipiert gewesen, die Vorfestlegung zur Abbaggerung von Heuersdorf zu stützen.
Der Grünen-Abgeordnete: “Dasselbe Spiel mit unrealistischen Kohlebedarfen für Kraftwerksblöcke wurde dann übrigens von der Staatsregierung wieder gespielt, als eine Begründung für den Braunkohleplan zur Erweiterung des Tagebaues Nochten II in der Lausitz her musste. Dort wurde sogar für solche Boxberg-Kraftwerksblöcke einer Vollauslastung für weitere Jahrzehnte angenommen, die in den genehmigten Szenarienrahmen der Bundesnetzagentur bereits 2025 gar nicht mehr am Netz sein sollen.”
Geplante Devastierung von Pödelwitz ein Stück aus dem Tollhaus?”
Eine Diskussion um die Abbaggerung eines weiteren 700 Jahre alten Dorfes am Tagebau Schleenhain, des Ortes Pödelwitz, unter dem gerade mal Kohle für ein Jahr Lippendorf-Betrieb liegt, sei laut Lippold unter diesen Rahmenbedingungen ein Stück aus dem Tollhaus.
“Es gibt keinerlei energiewirtschaftliche Rechtfertigung dafür und kein Gemeinwohlinteresse daran.” Danach in einer Kleinen Anfrage gefragt, habe Staatsminister Dulig geantwortet, das Gemeinwohlinteresse sei „in der Versorgung des Marktes mit Rohstoffen“ zu sehen. “Wenn man bedenkt, welch weitreichende Konsequenzen das deutsche Bergrecht für Eingriffe in verfassungsmäßige Rechte Einzelner für den Fall vorsieht, dass Gemeinwohlinteresse bejaht wird, kann man das so verstehen: Wer immer auch irgendwas Verkaufbares unter seinem Häuschen oder seinem Grund liegen hat, der hat nach Auffassung der sächsischen Staatsregierung zu dulden, dass er mit einem Grundabtretungsverfahren überzogen wird. Egal, ob damit die Energieversorgung gesichert wird oder man nur ausländische Oligarchen unterstützt, mit gemeinschädlichen, weil Umwelt-, Klima- und kulturzerstörenden Geschäftsmodellen durch Export schmutzigen Stroms oder gleich durch Kohleexport mit enormen gesellschaftlichen Kosten ihre Konten zu füllen”, so Lippold abschließend.
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