Metropolregionen sind die Stiefkinder der deutschen Politik. Sie sind zwar die Motoren der wirtschaftlichen Entwicklung. Aber wie unwichtig sie den Landesregierungen und der Bundesregierung tatsächlich sind, belegt die miserable Datenlage zu den elf deutschen Metropolregionen. Andreas Martin versucht sich mal als Ausgräber.
In seinem Beitrag für den “Quartalsbericht” kann er sich auf eine einzige Datenerhebung des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR) beziehen, die 2012 erschien und mit den Daten von 2009 arbeitete. Eine neue Erhebung soll zwar in Arbeit sein – aber die alte zeigt deutlich, wie schnell sich Entwicklungen drehen können. Denn bis 2009 waren die beiden ostdeutschen Metropolregionen noch Schrumpfregionen, was die Bevölkerung betrifft. Andreas Martin spricht zwar nur von einer ostdeutschen Metropolregion – mit Berlin-Brandenburg sind es aber eindeutig zwei. Und beide haben in den vergangenen fünf Jahren gezeigt, dass sie tatsächlich funktionieren. Eher noch macht Berlin im Osten aktuell das Tempo. Was auch damit zu tun hat, dass es die großen Städte sind, die zum Magnetknoten für die wirtschaftlichen Entwicklungen werden.
Solche Knoten entstehen nicht über Nacht. Und selbst wenn sie bestehen, entwickeln sie sich nicht sofort zu Geldmaschinen. 153,7 Milliarden Euro Bruttoinlandsprodukt wurden 2009 in dem Bereich erwirtschaftet, der der Metropolregion Mitteldeutschland zugeordnet wird. Die umfasst – nach der Definition von 1995 – den größten Teil Sachsens und große Teile Thüringens und Sachsen-Anhalts, aber nicht alles. Insgesamt wurden hier 6,8 Millionen Einwohner verortet – womit es nach Rhein-Ruhr die zweitgrößte Metropolregion wäre.
Aber das ganze Zagen und Zaudern, Meckern und Austreten – zuletzt von Magdeburg und Dresden – zeigt, dass gerade auf politischer Ebene die Bedeutung und Struktur der Metropolregion gar nicht begriffen wird. Dresden war übrigens Gründungsmitglied gewesen, als das Konstrukt noch “Sachsendreieck” hieß. Und es fällt auch auf, dass Unternehmen aus Magdeburg und Dresden trotzdem Mitglied geblieben sind, weil sie wissen, dass es ohne die enge Verzahnung nicht geht und dass der Wirtschaftsraum nur dann stärker wird, wenn man seine Kräfte bündelt.
Was übrigens auch Folgen für die Bevölkerungsentwicklung hat. Kraft der alten (falschen) Projektionen der Bundesregierung für die Bevölkerungsentwicklung im Osten, nahm man 2010 noch an, die Bevölkerung in der Region Mitteldeutschland würde um 17 Prozent auf 5,6 Millionen Einwohner bis 2030 schrumpfen (in Sachsens Regierung ist man davon noch heute überzeugt). Aber warum legt ausgerechnet die zentrale Stadt der Metropolregion – Leipzig – just in den letzten fünf Jahren so ein Bevölkerungswachstum hin, das mit einem parallelen Aufbau von Arbeitsplätzen einher geht?
Was noch nicht mit exorbitanten BIP-Entwicklungen einher geht. Aber auch Statistiker zäumen das Pferd ja gern von hinten auf – und vergessen auch gern, wieviel hochproduktive Industrie eigentlich nötig ist, um in der Metropolregion München ein BIP von 70.000 Euro pro Kopf zu erzielen. Oder wieviele Banken aus Geld Geld machen müssen, damit die Region Frankfurt-Rhein/Main in dieselben Bereiche kommt.
Mitteldeutschland lag 2009 mit 46.559 Euro pro Kopf statistisch auf dem letzten Platz – hinter Nürnberg mit 49.801 Euro.
Was wieder die Frage auf die Einwohnerzahl lenkt. Denn dass Dresden und Magdeburg ausgestiegen sind, heißt ja auch, dass die dortigen Stadtpolitiker der Meinung sind, sie hätten an der Metropolregion nicht teil. Was durchaus sein kann. Vielleicht sind ja die Strukturbeziehungen tatsächlich so schlecht, dass sich die beiden Landeshauptstädte mit dem Herzen der Industrieregion nicht verbunden fühlen. Man braucht sich ja nur die miserable regionale Bahnverbindung zwischen den Großstädten anzuschauen – da hängt seit Jahren die notwendige Aufwertung im Raum – die deutsche Verkehrspolitik hat hier eindeutig falsche Weichen gestellt.
Der am besten funktionierende Verkehrsknoten liegt nunmal in der Region Leipzig / Halle (was übrigens auch in Halle mittlerweile eine Trendumkehr in der Bevölkerungsentwicklung einleitet). Und Sinn macht eine Metropolregion nur durch enge Verkehrsverzahnungen. Wie lange hat die Region um den Ausbau der Autobahn Leipzig-Chemnitz gekämpft.
Tatsächlich beschreibt die Datenanalyse für 2009 nur, wie eine Metropolregion sich so langsam findet. Man konnte eben 1990 nicht einfach an die großen Zeiten des mitteldeutschen Industriereviers anknüpfen. Dessen Ãœberreste waren Anfang der 1990er allesamt zur Abwicklung frei gegeben. Mal ganz davon zu schweigen, dass die meisten Strukturen um 70 Jahre veraltet waren. Die Region musste sich komplett neu erfinden. Was für Berlin nur in Teilen zutrifft – was den Entwicklungsvorteil der Hauptstadt ausmacht und das entsprechend hohe BIP von 59.118 Euro pro Kopf in der Metropolregion – das ist mehr als in Stuttgart.
Noch deutlicher wird, wie sehr die Zahlen von 2009 die reine Vergangenheit beschreiben, wenn Andreas Martin auf den “rasanten Rückgang der Beschäftigung” zwischen 2000 und 2010 zu sprechen kommt. Minus 8 Prozent binnen 10 Jahren – das war heftig. Und die Städte haben allesamt darunter gelitten. Aber nur zur Erinnerung: Der wirtschaftliche Niedergang war schon 2007 beendet – die Entwicklung fasste sichtlich Griff, als die Finanzkrise noch einmal kräftig dazwischen schlug.
2010 fand die Region wieder Anschluss an den Aufwärtstrend. Und das wird in den Zahlen von 2013, die jetzt möglicherweise im Schneckentempo ausgewertet werden, auch sichtbar werden. Die Zukunft der Metropolregion kann man aus diesen Zahlen natürlich nicht beschreiben. Die hängt von vielen Faktoren ab – von Infrastrukturen, Agglomerationsprozessen, Bevölkerungsentwicklungen. Und natürlich auch von unterstützenden oder hemmenden politischen Entscheidungen. Und die hemmenden scheinen nach wie vor das Ãœbergewicht zu haben. In Provinzen lässt sich nun einmal leichter denken als in Metropolstrukturen.
Was erstaunlicherweise den jungen Bewohnern der Region viel leichter fällt.
Dazu kommen wir morgen an dieser Stelle.
Man bekommt den Quartalsbericht in gedruckter Form für 7 Euro im Amt für Statistik und Wahlen.
Es gibt 2 Kommentare
Uwe, allein mit Einwohnerzahlen zu argumentieren, liegen Sie komplett falsch. Nach Ihrer zweistelligen Definition kämen in Europa nur London und Paris in Frage, in China und in Indien aber quasi jede Stadt, von der man mal hier in Europa kurz gelesen hat.
Wenn überhaupt “Einwohnerzahl”, dann kommt es auf die Relation zur durchschnittlichen Stadtbewohnerzahl. In Deutschland fangen Großstädte nun mal bei 100000 Ew an, und das merkt man vor Ort auch so. Anderswo kann eine Millionenstadt ziemlich verschlafen sein, so z.B. in den USA.
Hier kommt noch eine ostdeutsche Besonderheit dazu, dass die Städte eine größere Dynamik haben als vergleichbar große Städte im gebrauchten Westen. Ich nenne immer gerne Dessau als Beispiel. Diese Stadt wäre in der alten BRD zu einem gesichtslosen Kaff degeneriert: Theater, Museen etc. alles weg, und die Fachhochschule maximal eine Winzhochschule mit drei Fachbereichen.
Aber die Einwohnerzahl ist sowieso nicht der entscheidende Faktor. Für eine Metropolregion gehört ja auch der ganze Speckgürtel dazu. Vor 15 Jahren hätte man nicht (und hat man auch nicht) von der Metropolregion Leipzig-Halle gesprochen, weil selbst Delitzsch etc. tote Hose war. Das ändert sich jetzt seit ein paar Jahren, und der Citytunnel bringt ohnehin noch einen gewaltigen Schub.
Elf deutsche Metropolregionen!? Wird hier aus jeder wirtschaftlichen Mücke ein Elefant zusammenfantasiert!? Metropolen sind im 21. Jahrhundert Agglomerationen mit zweistelligen Millionenzahlen an Einwohnern. Von daher käme in Deutschland dafür mit Hängen und Würgen vllt. das Ruhrgebiet in Frage. Aber selbst wenn man alle Augen zudrückt, kann man da höchstens noch das Rhein-Main-Gebiet, Hamburg, Berlin und München gelten lassen. In Mitteldeutschland ist weit und breit keine Metropole in Sicht. Das ständige Gerede von der Metropolregion verkleistert zudem die Sicht auf die realistischen Möglichkeiten der Region und hat vllt. auch dazu beigetragen, dass sich Städte ausklinken, die erkannt haben, dass das kein sinnvoller Ansatz ist.
Die Bündelung der Kräfte in Mitteldeutschland setzt zunächst einmal die Ãœberwindung der Kleinstaaterei und die Schaffung eines Bundeslandes Mitteldeutschland voraus. Das kann man dann weiter zu entwickeln versuchen, aber bitte ohne dieses Gerede von einer Metropolregion…