Eigentlich gibt es in Sachsen keine Diskussion รผber Energiepolitik. Fรผnf Jahre lang endete jeder Diskussionsversuch in einem vehementen Plรคdoyer der beiden Regierungsparteien zur Fortfรผhrung der Kohleverbrennung. Und daran hat sich auch nach der Neubildung der Regierung nicht viel geรคndert. Was ja nicht allzu schlimm wรคre - wenn die Kohleverbrennung nicht auch รถkonomisch eine Sackgasse wรคre. Bis 2045 hat der Freistaat gar nicht Zeit zum Umsteuern.

Aber genau das scheint man sich innerhalb der CDU-Fraktion gegenseitig einzureden. Gleich drei Mitglieder der Fraktion meldeten sich am Montag, 27. April, zu Wort und versuchten den Sachsen zu erklรคren, dass man mit dem Beharren auf jedem einzelnen Kohlemeiler auf der richtigen Seite sei.

Schon die Debatte im Landtag war seltsam. Denn es war die CDU/SPD-Koalition selbst gewesen, die eine Aktuelle Debatte zum Thema โ€œArbeitsplรคtze schรผtzen, Regionen stรคrken โ€“ fรผr eine sichere, bezahlbare und nachhaltige Energieversorgung in Sachsenโ€ beantragt hatte. Als mรผsste man nur die sture Opposition im Landtag รผberzeugen, dass Kohle Zukunft habe, und schon wรคre alles paletti.

Tatsรคchlich nutzte man den Sรคchsischen Landtag als Podium, um mit vereinten Krรคften gegen die Plรคne von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) zu schieรŸen, der mit seinem Eckpunktepapier zur Energiewende erstmals seit Jahren so etwas wie einen Fahrplan fรผr den geordneten Umbau der Energielandschaft vorgelegt hat. Aber einen geordneten Umbau scheint zumindest in Sachsens Regierung niemand zu wollen. Man glaubt tatsรคchlich felsenfest daran, mit einem โ€œNeinโ€ zu Gabriels Papier die Braunkohlekraftwerke in Sachsen retten zu kรถnnen โ€“ bis 2045.

Schon vor dem Plenum kritisierte Lars Rohwer, Sprecher fรผr Energiepolitik und digitale Entwicklung der CDU-Landtagsfraktion, die Plรคne von Sigmar Gabriel: โ€œDer Bundeswirtschaftsminister fรผhrt seine eigenen Plรคne als โ€šrelativ bescheidenden Beitragโ€˜ zur Energiewende aus โ€“ dafรผr hรคtte sein Vorhaben aber eine maximal verheerende Auswirkung auf Arbeitsplรคtze und Strompreise. Es ist schlichtweg unmรถglich die Energietransformation zu bestehen, wenn man aus Kernenergie und der Braunkohle gleichzeitig aussteigt.โ€ Und weiter: โ€œUnser Ziel ist es, die Braunkohle bis ins Jahr 2045 wirtschaftlich konkurrenzfรคhig zu halten.โ€œ

Und sein Fraktionskollege Alexander KrauรŸ, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, wiederholte ebenso deutlich die ganze Argumentationskette der Energiekonzerne, die derzeit versuchen, ihre Marktmacht in Deutschland zu behaupten. Denn bisher galt immer: Wer die groรŸen Kraftwerke am Netz hat, bestimmt die Energiepolitik. Dass sich der Markt schon jetzt grรผndlich verรคndert hat, scheint in Sachsens hoher Politik nicht mal verstanden worden zu sein. Alexander KrauรŸ: โ€œGut bezahlte Arbeitsplรคtze in den Tagebauen und Kraftwerken der Lausitz und im Leipziger Land dรผrfen nicht wegen nicht zu Ende gedachter Plรคne aufs Spiel gesetzt werden. Dass Deutschland Industrieland bleibt, setzt voraus, dass bezahlbare Energie zur Verfรผgung steht und darf nicht zu Lasten einer รผbereilten Energiewende gefรคhrdet werden. Um die Energiesicherheit und deren Bezahlbarkeit zu sichern, muss weiter Kohle abgebaut werden โ€“ nicht Arbeitslรคtze. Insofern gehรถrt das Eckpunktepapier aus dem Bundeswirtschaftsministerium durch den Schornstein und darf nicht bittere Realitรคt werden.โ€œ

Und in dasselbe Horn tutete Frank Heidan, Vorsitzender des Fraktionsarbeitskreises fรผr Wirtschaft, Arbeit und Verkehr: โ€œDas von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel vorgelegte Eckpunktepapier berรผcksichtigt die Folgen fรผr die ostdeutschen Braunkohlereviere und den Arbeitskrรคften in keiner Weise. Ebenso bleiben die wirtschafts- und klimapolitischen Anstrengungen sowie die positive Entwicklung wรคhrend der vergangenen 25 Jahre in Ostdeutschland unberรผcksichtigt. Vom Bundeswirtschaftsminister muss eine deutlich hรถhere Sensibilitรคt bei diesem Thema zu erwarten sein. รœber 15.000 Kohlearbeiter, Gewerkschafts- und Betriebsratsangehรถrige  haben erst am Samstag vor dem Bundeswirtschaftsministerium in Berlin ihren Unmut geรคuรŸert. Die Interessen der Arbeiter werden wir weiter aktiv begleiten.โ€œ

Wessen Politik machen diese Abgeordneten eigentlich? Die der betroffenen Regionen und der Kohlekumpel eigentlich nicht. Denn wenn schon fรผhrende Investmentbanken 9 von 10 deutsche Kohlekraftwerke als nur noch bedingt rentabel einschรคtzen, dann ist es nur eine Frage der Zeit, wann der Schrumpfungsprozess dieser Sparte beginnt und welche Meiler als erste vom Netz gehen. Gerade das Beharren darauf, dass alle am Netz bleiben und weiter dafรผr sorgen, dass die Strompreise am Terminmarkt in den Keller gehen, erhรถht die Gefahr, dass Kraftwerke und Konzerne tief in die roten Zahlen rutschen und den Ausstieg aus der Kohle nicht mehr gestalten kรถnnen, sondern als brachialen Schnellausstieg vollziehen.

Zumindest die Grรผnen haben am Montag im Landtag den kohlebesessenen Koalitionรคren versucht zu erklรคren, dass es nicht um Gabriels Papier geht, sondern um ein belastbares Ausstiegs-Szenario fรผr Sachsen. Und zwar jetzt. Die Energiewende hat schon lรคngst ihre eigenen รถkonomischen Zwรคnge erzeugt, die in naher Zukunft die ersten Kohlemeiler einfach aus dem Markt drรผcken, egal, wie sehr sich Sachsen der Entwicklung verweigert.

โ€œCSU und SPD ging es offensichtlich darum, das Konzept des Bundeswirtschaftsministeriums fรผr eine Klimaschutzabgabe anzugreifen. Die Debatte war von einem erschreckenden MaรŸ an Realitรคtsverlust in Bezug auf die nationalen Reformzwรคnge in der Energiewirtschaft sowie die Optionen zur Erreichung der Klimaschutzziele gekennzeichnetโ€, kommentiert Gerd Lippold, energiepolitischer Sprecher der Fraktion Bรผndnis 90/Die Grรผnen, die gespenstische Debatte vom Montag. โ€œWir Grรผne haben immer betont: Entweder Sachsen steigt selbst gezielt nach und nach aus der Kohle aus oder Sachsen wird ausgestiegen. Solche Szenarien, in denen der Rรผckzug von Eigentรผmern und Investoren oder geรคnderte politische Rahmenbedingungen auf EU- oder Bundesebene Sachsen weitgehend unvorbereitet und rasch treffen kรถnnen und dann zu tatsรคchlichen Strukturabbrรผchen fรผhren wรผrden, rรผcken heute nรคher, da sich global die Finanzstrรถme aus der Kohle zurรผckziehen.โ€

Dass die Regierungskoalition nicht mal sieht, dass Gabriels Papier ein Versuch ist, den Kohleausstieg eben nicht zum chaotischen Blackout werden zu lassen, ist fรผr Lippold geradezu verstรถrend.

โ€œDurch die Klimaschutzregelungen aus dem Bundeswirtschaftsministerium bekommt zum ersten Mal in der Geschichte der Braunkohlenverstromung die zeitliche Limitierung der Braunkohlenwirtschaft ein Gesicht. Fรผr die Koalition in Sachsen scheint das, was der Bundeswirtschaftsminister da vorschlรคgt, deshalb geradezu der energiepolitische Sรผndenfall zu seinโ€, versucht er sich irgendwie zu erklรคren, warum die CDU/SPD-Koalition eine inhaltliche Ausstiegsdebatte mit aller Macht vermeidet. Glaubt man da tatsรคchlich daran, der berรผhmte Markt werde die Kohle schon retten, wenn man sich nur weigert, an Alternativen รผberhaupt zu denken? โ€“ Lippold: โ€œCDU und SPD wecken damit die fatale Illusion, der Freistaat kรถnne weitgehend unabhรคngig vom weiteren Fortgang der Energiewende und der internationalen Klimaschutzanstrengungen seine gewaltigen Braunkohlestrom-รœberkapazitรคten einfach weiter betreiben, wenn es sich denn nur energisch genug gegen Regelungen auf Bundesebene wehre. โ€“ Das macht wenig Hoffnung auf einen verantwortungsvollen, gesteuerten Strukturwandel unter der derzeitigen Staatsregierung. So werden weitere wertvolle Jahre in einem sich rasch verรคndernden Umfeld vertan.โ€

Und damit produziert die aktuelle sรคchsische Regierung fรผr die Lausitz genau das, was sie รถffentlich behauptet vermeiden zu wollen: einen รผberstรผrzten Ausstieg. Im Hintergrund lauert immer noch die Hoffnung, der schwedische Energieriese Vattenfall kรถnnte fรผr seine Lausitzer Kraftwerke und Tagebaue einen Kรคufer finden. Oder wenigstens fรผr die Tagebaue, auch wenn die Kohle dann per Zug nach Tschechien verfrachtet wird. Das sind Strohhalme, aber keine Szenarien, auf denen man eine vernรผnftige Arbeitsmarktpolitik fรผr die Lausitz aufbauen kann.

โ€œDie Verrenkungen, die Schwarz-Rot in Sachsen in der heutigen Debatte machte, wirkten manchmal geradezu komischโ€, stellte Lippold am Montag nach der Debatte fest. โ€œSo versuchten Redner der Koalition bereits mit der konsequenten Bezeichnung als โ€˜Baake-Papierโ€™ โ€“ nach einem Staatssekretรคr des Bundeswirtschaftsministeriums โ€“ zu suggerieren, der SPD-Bundesminister stehe mรถglicherweise nicht hinter dem Papier aus seinem Haus. Dabei hatte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel in den letzten Tagen mehrfach klar deutlich gemacht, dass er die klima- und energiepolitischen Eckpunkte des Konzeptes engagiert gegen Widerstรคnde von Interessengruppen aus den Kohlelรคndern, einigen Gewerkschaftsfรผhrern und wenigen Unternehmen der Energiewirtschaft verteidigt. โ€“ Bei Experten in der Wirtschaftswissenschaft, bei Energieforschung, bei Umweltverbรคnden, der IG Metall und in der kommunalen Energiewirtschaft hatte es hingegen breite Zustimmung erfahren.โ€

Denn tatsรคchlich ist es โ€“ auch fรผr Sachsen โ€“ allerhรถchste Eisenbahn, einen Ausstiegsfahrplan fรผr die Kohle zu entwickeln. Bis 2045 wird Sachsens Braunkohle nicht konkurrenzfรคhig bleiben, wie Lars Rohwer sich das wรผnscht. Vielleicht werden es die derzeit modernsten Blรถcke in Jรคnschwalde und Lippendorf bis dahin schaffen. Bestenfalls mit Ach und Krach. Und noch etwas kommt hinzu: Wenn Bayern beim Bau neuer Stromtrassen weiter auf stur schaltet, dann geht in der Lausitz noch viel schneller der Ofen aus, dann kommt dieser Strom nรคmlich nicht nach Sรผddeutschland durch, wenn die Netze dicht sind. Und dann wird der Kraftwerksbetreiber selbst den Knopf drรผcken, der die Essen ausgehen lรคsst.

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Es gibt 6 Kommentare

@JG: Das Thema ist nur wirklich technisch und beruflich mein Gebiet. Chemische Speicher sind die ineffizientesten (<70% Wirkungsgrad, geringe Zyklenanzahl, sehr hohe Umweltbelastung/Energiebedarfe in der Herstellung, keine Entsorgungskonzepte etc.). Allenfalls als "Abfallprodukt" der Elektromobilitรคt im Rahmen eines "Second Life" (bei SOHs <<60%) denkbar. Somit aber auch nur eine Verlรคngerung der Zeit bis zur notwendigen Entsorgung/Recycling.
Problem bei allen chemischen Speichern ist die IMHO โ€œFailโ€

JG, eine solche Frage stellt sich nicht. Die Henne (installierte aber wenig genutzte Leistung der alternativen Energien) ist ja geboren. Nur kann sie bisher keine Eier (Speicherlรถsungen, Netzmanagement) legen. Also nochmal im Klartext. Deutschland hat Mrd. EUR Steuergeld der Vergangenheit und der Zukunft (Fรถrderungsgarantien) fรผr diesen Testballon investiert, und es gibt aktuell keine mir bekannte Planung diese installierte Kappazitรคt so zu nutzen, daรŸ fossile Kraftwerke abgeschaltet werden kรถnnen. Was man macht ist fossile Grundlastgarantien (meist Nuklear aus Tschechien oder Frankreich) bei Unterproduktion einzukaufen. Bei รœberproduktion wird abgeschalten oder fรผr Null verkauft. Das fรผhrt dazu das die weiterlaufenden (mรผssen sie ja) fossilen Energietrรคger ebenfalls fรผr Null verkaufen mรผssen. Eine echte Schizophrenie. Und alles nur weil das simple Konzept der Energiespeicherung (wegen der notwendigen Versorgungssicherheit) nicht beplant wurde.
Got the idea?

@ Dirk
Die Frage; ob Henne oder Ei, ist irrefรผhrend.

Man bedenke nur, Karl Benz hรคtte gewartet, bis es รผberall genรผgend Tankstellen gibt.

JG, das stimmt. Ich geh diesen Sommer dennoch gern im Kulki baden ๐Ÿ™‚
Nein im Ernst โ€“ eine Nachfolgetechnologie ist notwendig. Sobald ein Netzmanagement und eine Speichertechnologie auf den Weg gebracht ist (Stromtrassen, neue Talsperren etc.) sollten alle fossilen Kraftwerke mit einer Sondersteuer belegt werden. Nur eben nicht vorher, solange sie (gesetzlich geregelt) fรผr die Grundlastsicherung bereitstehen mรผssenโ€ฆ

โ€œIn Sachen Kohleverbrennung verweigert Sachsens Koalition jeden Gedanken an ein Finitoโ€

โ€œโ€ฆ.innerhalb der CDU-Fraktion gegenseitig einzureden. Gleich drei Mitglieder der Fraktion meldeten sich am Montag, 27. April, zu Wort und versuchten den Sachsen zu erklรคren, dass man mit dem Beharren auf jedem einzelnen Kohlemeiler auf der richtigen Seite sei.โ€

Es ist NICHT SACHSEN!
Es sind einige wenige Ewiggestrige, die in Sachsen ihr Unwesen treiben.
Und so wie die Kohle zu Ende geht, wird auch das zu Ende gehen โ€“ mal sehen was schneller ist ๐Ÿ˜‰

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