LeserclubMal schauen, wie lange wir hier an dieser Stelle eine simple Sache erzählen müssen, bis sie auch endlich den wachen Verstand der sächsischen Politik erreicht: Ein internationaler Flughafen ist für Sachsen völlig genug. Zwei sind zu viel und werden niemals in die Gewinnzone kommen. Niemals. Da hilft alles Wunschdenken nicht. Nur Nachfragen. Wie es jetzt die Grünen wieder getan haben.
In vier Kleinen Anfragen zu den Verkehrslandeplätzen haben sie jetzt das ganze Gestrüpp der sächsischen Fliegerei mal ein bisschen hinterfragt. Auch die Kritik des Landesrechnungshofes an den Kleinflugplätzen, die von diversen Kommunen finanziert werden, haben sie aufgegriffen. Sieben Stück etwas größere gibt es davon – am üppigsten unterstützt wird der Verkehrslandeplatz Chemnitz/Jahnsdorf, dem Stadt und Landkreis jährlich sechsstellige Summen zubuttern.
Aber was sich Kommunen im Kleinen leisten, das leistet sich der Freistaat im Großen gleich doppelt. In beide Internationale Flughäfen – Leipzig/Halle und Dresden – hat der Freistaat dreistellige Millionensummen investiert. In beiden Fällen mit prognostizierten Fluggastzahlen, die keiner der beiden Flughäfen erreicht hat und wohl auch nie erreichen wird. Im Gegenteil: Beide Flughäfen jagen sich noch gegenseitig die Fluggäste ab.
Und ein Ergebnis dabei ist natürlich: Beide sind mittlerweile für viele Fluggesellschaften nicht (mehr) attraktiv. Jeder für sich ist eine Nummer zu klein. Zusammen könnten sie möglicherweise in einer anderen Liga spielen. Zusammen hatten sie 2014 immerhin 4.091.807 Fluggäste. Das ist ungefähr das, was man für Leipzig/Halle allein schon mal keck in die Bauplanungen geschrieben hatte.
Leipzig/Halle
Doch die Zahl der Fluggäste am Flughafen Leipzig/Halle liegt mit 2,37 Millionen (2014) mehr als eine Million niedriger als in den Prognosen für 2015 erwartet. 3,7 Millionen hätten es sein sollen, stellt der Grünen-Landtagsabgeordnete Wolfram Günther fest, nachdem Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) auf eine Kleine Anfrage der Grünen geantwortet hat.
„Der Flughafen Leipzig/Halle wurde auf Grundlage falscher Prognosen ausgebaut“, so das Fazit von Wolfram Günther, der auch umweltpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag ist. „Auf Grundlage dieser Prognosen investierte und investiert die Staatsregierung in den Ausbau des Flughafens Steuergelder. Hier droht Steuergeld verschwendet zu werden.“
Es droht nicht nur. Es ist so: Jährlich schießt der Freistaat weitere Millionen zu.
Und dasselbe gilt für den Internationalen Flughafen Dresden. Das thematisiert die Grünen-Abgeordnete Eva Jähnigen.
Dresden
Die Zahl der Fluggäste am Flughafen Dresden liegt mit 1,7 Millionen (2014) mehr als eine halbe Million niedriger als in den Prognosen für 2010 erwartet (2,26 Millionen).
„Verkehrsprognosen – egal ob beim Fliegen oder beim Autoverkehr – fallen in Sachsen meist zu hoch aus. Damit muss Wirtschaftsminister Dulig endlich Schluss machen. Denn zu hohe Prognosen bedeuten einen unnötig starken Ausbau von Flugplätzen und Straßen, also zu hohe Kosten und zu hohe Folgekosten bei der Sanierung. Das ist Steuergeldverschwendung“, kommentiert Jähnigen diese jahrelang praktizierte Kopf-in-den-Sand-Politik.
„Trotz der zurückgehenden Fluggastzahlen am Dresdner Flughafen hat die Staatsregierung seit dem Jahr 2010 10,5 Millionen Euro Steuermittel in den Flughafen investiert. Die Prognose zu Flugbewegungen, Passagier- und Frachtaufkommen am Dresdner Flughafen war viel zu optimistisch.“
Nein: Sie war fahrlässig und möglicherweise sogar politisch gewollt. Denn mit solchen überhöhten Prognosen werden all die Großprojekte erst einmal abstimmungsfähig gepuscht. Jeder Manager der freien Wirtschaft würde die Hände von solchen Projekten lassen, weil sie keine gesicherte Basis haben, die auch nur ein Erreichen der Gewinnzone erwarten ließe.
Der Staatsregierung sei das wohl bewusst, meint Jähnigen und zitiert die Begründungen Duligs für das deutliche Unterbieten der Versprechungen: „allgemeine Wirtschaftskrise“ nach 2006 und „Neuordnungen im Luftverkehrsmarkt“.
Die „Neuordnung im Luftverkehrsmarkt“ ist natürlich kein Naturereignis, sondern politisch gewollt und gemacht. Aber Politiker sind ja vergesslich. Die „Neuordnung“ ist Folge einer Deregulierung des EU-Luftverkehrs in den 1990er Jahren, die spätestens seit 1997 auch in der Wahrnehmung der EU-Bürger angekommen sein sollte: Damals erweiterte Ryanair sein Streckennetz auf dem europäischen Festland. Und in dessen Folge entstanden lauter Anbieter im Billigsegment, versuchten Fluggesellschaften wie die Darwin Airline (die sich im Sommer gleich mal wieder aus Leipzig und Dresden verabschiedet), sich ihren Teil vom Kuchen abzuschneiden.
Es soll wohl noch Politiker geben, die glauben, mit Deregulierung den Wettbewerb zu befeuern. Das Gegenteil ist der Fall: Deregulierung bedeutet immer, dass sich die rücksichtslosesten Geschäftsmodelle durchsetzen. Und sie sorgt dafür, dass sich auch nur noch die wirklich strategisch klug platzierten Flughäfen rentieren.
Ein Flughafen für eine Metropolregion reicht
Das hätte in Mitteldeutschland schon aufgrund der Bevölkerung im Einzugsgebiet ein einziger Flughafen sein können. Für zwei fehlt schlicht die zweite zugehörige Metropolregion. Es gibt nur eine.
Erstellt hat die Prognose 2009 das Münchner Büro Intraplan Consult GmbH. Für das Jahr 2015 hat es dem Flughafen in Schkeuditz 3,7 Millionen Fluggäste prognostiziert. Im vergangenen Jahr 2014 stiegen circa 2,37 Millionen Menschen in Leipzig in ein Flugzeug ein oder aus einem Flugzeug aus.
„Wie der Flughafen in diesem Jahr 1 Million neue Fluggäste gewinnen will, ist mir schleierhaft. Ich halte das für absolut unrealistisch“, kommentiert das Wolfram Günther.
Für 2015 prognostizierte Intraplan 84.800 Flugbewegungen am Flughafen Leipzig/Halle – dazu müssten allein dieses Jahr knapp 21.000 zusätzliche Flugbewegungen im Passagier- und Frachtverkehr erfolgen. „Nicht nur, dass ich das keinem vom Fluglärm geplagten Anwohner wünsche, ich halte eine solche Prognose für unseriös.“
Da hilft auch nichts, wenn zurückhaltende Gesprächspartner versichern, Dresden sei nun einmal Landeshauptstadt – die dortige Regierung habe sich nun einmal einen eigenen Flughafen gönnen wollen (so wie die Thüringer in Erfurt ebenfalls).
Aber es wirkt schon seltsam, wenn eine Landesregierung beim eigenen Personal die Schere ansetzt, sich aber gleich zwei Flughäfen leistet, die beide die Gewinnzone nicht erreichen.
Dresden und Leipzig: Keine schwarzen Zahlen in Sicht
In Dresden wurden dafür 500 Millionen Euro in Beton gegossen.
Oft wird dann mit Steuern argumentiert, die so ein Verkehrsobjekt ja einspielt. Aber auch das haben die Grünen jetzt schwarz auf weiß: Dresden spielt jährlich zwischen 650.000 und 700.000 Euro an Steuern ein, dazu noch einmal rund 1,5 Millionen Euro Sozialabgaben. Ausschüttungen (also Gewinne): keine.
Dafür steht jedes Jahr ein dickes Minus in der Betriebsbilanz. Das „Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit“ lag in den letzten Jahren bei minus 7,5 bis minus 8,9 Millionen Euro. Das nennt man dann wohl ein Zuschussgeschäft.
Und Leipzig, wo insgesamt sogar 1,5 Milliarden Euro verbaut wurden (rund 940 Millionen allein vom Freistaat Sachsen und den anderen Gesellschaftern), das ist die gleiche Größenordnung wie für den City-Tunnel Leipzig?
Die Steuereinnahmen sind von 2012 zu 2013 sogar von 1,4 Millionen Euro auf 0,9 Millionen Euro abgesackt, die Beiträge zur Sozialversicherung beliefen sich auf 2,4 Millionen Euro.
Und auch diesen „Einnahmen“ stand ein negatives Betriebsergebnis gegenüber, das von den Betreibern gern kleingeredet wird. Aber bis 2012 lag dieses negative Geschäftsergebnis bei über 60 Millionen Euro. Pro Jahr. 2013 waren es dann mal nur minus 49 Millionen Euro.
Selbst diese Zahlen zeigen, dass sich die drei mitteldeutschen Länder frühzeitig auf einen einzigen gemeinsamen Flughafen hätten einigen müssen, wenn das eine nachhaltige Investition hätte sein sollen, die am Ende wenigstens schwarze Zahlen schreibt. Haben sie aber nicht.
Da wirkt auch Wolfram Günthers Aufruf an Martin Dulig, der als Verkehrsminister die sächsische Flughafenmalaise geerbt hat, ein wenig hilflos: „Ich fordere Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) auf, Prognosedaten und die tatsächlichen Verkehrsbelegungswerte bei zukünftigen Investitionen in die Flugverkehrsinfrastruktur im Freistaat nach dem Bauabschluss zusammenzuführen und öffentlich einsehbar zu machen. Die derzeitigen Verkehrsprognosen zum Flugverkehr am Flughafen Leipzig/Halle aus den Jahren 2003 und 2009 müssen dringend überarbeitet werden.“
Höchste Zeit für einen Kassensturz. Und für die nicht ganz unwichtige Frage: Wie weiter? Denn spätestens, wenn die Berliner ihren Investitionsmoloch BER fertig haben, dürfte klar sein, dass die Region Mitteldeutschland sich auf einen Flughafen konzentrieren muss, wenn die Fliegerei nicht zur Dauersubvention in zweistelliger Millionenhöhe (pro Jahr) werden soll.
Wolfram Günther: „Jede Firma geht pleite, wenn sie ihre Planzahlen nicht ständig mit den realen Zahlen vergleicht. Die dazu notwendigen Daten liegen bei den Ämtern und Ministerien vor, sie könnten ohne Zusatzaufwand ausgewertet werden.“
Die Antwort auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Wolfram Günther: „Fluglärm und Flugbewegungen am Flughafen Leipzig/Halle“ als PDF zum Download.
Die Subventionen für den Flughafen Dresden als PDF zum Download.
Die Subventionen für den Flughafen Leipzig als PDF zum Download.
Die Kleine Anfrage zur Rechnungshofkritik zu den kleineren sächsischen Verkehrslandeplätzen als PDF zum Download.
Die Fluggastzahlen und Flugbewegungen auf den kleinen Verkehrslandeplätzen als PDF zum Download.
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