Zwei Sturmtiefs fegten in den vergangenen Tagen auch über Mitteldeutschland hinweg. Sie richteten nicht allzu viel Schaden an. Aber sie zeigten, was für eine Energie im Wind stecken kann. Viel zu viel für das immer noch nicht ausgebaute Stromsystem in Deutschland. Und so meldet denn Mitnetz Strom, "der größte Verteilnetzbetreiber in Ostdeutschland", am Dienstag, 13. Januar, dass man flächendeckend die Windkraftanlagen vom Netz nehmen musste.

74.000 Kilometer Stromnetz betreut Mitnetz in den Bundesländern Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Da kann man schon so einiges Abpuffern, aber eben nicht alles. Speicherreserven, in die man die gewaltigen Energiemengen aus richtigen Stürmen umleiten könnte, gibt es nicht. Immer noch nicht.

Und so musste Mitnetz Strom, wie das Unternehmen mitteilt, die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien bei den Sturmtiefs Elon und Felix enorm drosseln. Das Wort “enorm” hat das Unternehmen selbst verwendet. Es heißt ganz einfach: Wir verschwenden die Energie einfach, die uns kostenlos ins Land bläst.

Insgesamt musste die Einspeisung 27 Mal heruntergefahren werden, so Mitnetz Strom. Schwerpunkt war die Netzregion Brandenburg im Gebiet Jessen-Herzberg-Falkenberg. Am vergangenen Wochenende wurden zu Spitzenzeiten insgesamt 250 Megawatt abgestellt, um die Netzsicherheit zu gewährleisten. Welche Dimension das hat, erklärt das Unternehmen mit einem simplen Vergleich: Dies entspricht dem Leistungsbedarf einer größeren Stadt wie beispielsweise Leipzig.

“Übersteigt die Einspeiseleistung den Verbrauch deutlich, kann das zu Netzüberlastungen führen. Mit dem Netzsicherheitsmanagement greifen wir in das Netz ein; fahren zunächst konventionelle Energieanlagen herunter, danach erneuerbare Energien wie Wind-, Photovoltaik- und Kraft-Wärmekopplungs-Anlagen. Damit stabilisieren wir das Netz”, erklärt Dr. Adolf Schweer, Technischer Geschäftsführer der Mitnetz Strom. Aber konventionelle Energieanlagen sind nicht gleich konventionelle Energieanlagen. Die ersten, die komplett vom Netz gehen, sind jeweils die Gasturbinen-Anlagen. Die dominierenden Kohlekraftwerke können lediglich in ihrem Leistungsumfang gedrosselt werden, bleiben aber immer auf Grundlastniveau.
Das aktuelle Stromsystem in Deutschland ist weder Fisch noch Fleisch – es vereint Elemente der neuen, alternativen Energiegewinnung mit nach wie vor dominierenden Elementen der alten, fossilen Stromgewinnung. Auf Stromerzeugungsspitzen bei Windkraft oder Solarenergie kann das System nur dadurch reagieren, dass reihenweise regenerative Anlagen vom Netz genommen werden, während die schwerfälligen Großkraftwerke des fossilen Zeitalters weiterlaufen. Ändern lässt sich das nur, wenn auch endlich größere Speicherkapazitäten für den Strom entstehen, der etwa bei Sturm zusätzlich erzeugt werden kann.

Dass die Eingriffe in das Netz durch den Zubau erneuerbarer Energieanlagen deutlich ansteigen, zeigen die Zahlen des vergangenen Jahres. 2014 musste Mitgas Strom als enviaM-Netzbetreiber 274 Mal in das Netz eingreifen. Dies entspricht einer Steigerung von 71 Prozent gegenüber dem Vorjahr (160 Mal). Am häufigsten musste die Stromerzeugung in den Netzregionen Brandenburg (160 Mal) und Sachsen-Anhalt (104 Mal) heruntergefahren werden. Schwerpunkte waren die Regionen Jessen-Herzberg-Falkenberg, Ortrand-Bernsdorf und Aschersleben-Köthen-Bernburg-Dessau. Und die Zahl der Eingriffe nimmt natürlich zu, je mehr die Erzeugerkapazitäten ausgebaut werden, während der Speicherbau fehlt und die alten konventionellen Zentralkraftwerke am Netz bleiben. Und so lange die Überlast nicht einfach weitergeleitet werden kann – etwa in Regionen, wo man den Strom brauchen könnte.

“Um eine ständige Überlastung zu vermeiden, muss sich der Ausbau der erneuerbaren Energien stärker nach dem Ausbau der Netze richten”, findet Schweer.

Mitnetz Strom arbeite seit Jahren mit Hochdruck am Ausbau und der Verstärkung der Netze und Anlagen, um die bestehenden Netzengpässe zu beheben, betont Schweer. “In 2014 konnten wir die erneuerte Hochspannungsleitung zwischen Falkenberg und Jessen in Betrieb nehmen. Auch 2015 werden sich unsere Aktivitäten auf den Raum Jessen konzentrieren. Unter anderem beginnen wir voraussichtlich mit dem Ersatz der Hochspannungsleitung in Richtung Elster und setzen den Bau der Hochspannungsschaltanlage für das neue Umspannwerk Jessen/Nord fort”, erklärt der Cheftechniker von Mitnetz-Strom.

Um die Eingriffe zum Netzsicherheitsmanagement weiter zu reduzieren, werde außerdem ein Höchstspannungstransformator im Umspannwerk Ragow gewechselt. Darüber hinaus soll noch 2015 mit dem Umbau der Hochspannungsschaltanlage im Umspannwerk Uckro begonnen werden, um zusätzliche Kapazitäten im Netz zu schaffen. Ein weiterer Engpass werde in Sachsen-Anhalt beseitigt, indem Teile der Hochspannungs-Doppelleitung von Marke in Richtung Bitterfeld zu einer Vierfachleitung ausgebaut werden.

Probleme bereiten Mitnetz Strom, so erklärt Schweer, unverändert die langen Planungs- und Genehmigungszeiten. Sie sorgen dafür, dass der Umbau der Energielandschaft ein sich immer mehr hinziehender Prozess wird. Ach ja: Und dann gibt es da auch noch die Bürger im Gebiet, die sich gegen einige Stromtrassen wehren und – so Schweer – die Umsetzung des Netzausbaus zusätzlich erschweren.

www.mitnetz-strom.de

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