Der aktuelle Ausbau der erneuerbaren Energien führt dazu, dass sich Erzeugungsstrukturen verändern. Daraus ergeben sich unter anderem neue Herausforderungen in der Energieverteilung - ein großes Thema nicht zuletzt für die Stadtwerke. Sie kritisieren, dass es durch die bisherige Förderung der erneuerbaren Energien zu keiner bedarfsgerechten Erzeugung komme, was wiederum die Netzstabilität und die Versorgungssicherheit gefährde. So zumindest die Quintessenz einer Umfrage unter deutschen Stadtwerken.

Eine Anpassung des Energiemarktdesigns sei dringend geboten. Dies ist ein Ergebnis der Studie “Herausforderungen von Stadtwerken aus der Energiewende”, die das Kompetenzzentrum Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge an der Universität Leipzig in Kooperation mit der Commerzbank AG und der Stadtwerke Leipzig GmbH erstellt hat.

Beispielsweise sollten nach Meinung der Stadtwerke die effizientesten Erzeugungstechnologien am stärksten gefördert werden, damit die hocheffizienten konventionellen Gas- und Dampfkraftwerke nicht weiter aus dem Markt gedrängt werden. Zugleich sehen die Stadtwerke ihre Chance, neue Geschäftsfelder zu erschließen.

Die Studie des Leipziger Kompetenzzentrums illustriert den hohen strategischen Anpassungsbedarf der Versorgungsunternehmen durch die Energiewende. Die Wissenschaftler haben dafür eine zweistufige Expertenbefragung bei den deutschen Stadtwerken durchgeführt.

“Stadtwerke als regional verankerte Versorgungsunternehmen haben die fundamentalen Marktveränderungen bei ihren Entscheidungen über zukünftige Strategien und Geschäftsfeldentwicklungen zu berücksichtigen, um ihrer wichtigen Rolle am Gelingen der Energiewende gerecht zu werden”, sagt Dr. Oliver Rottmann, Geschäftsführender Vorstand des Kompetenzzentrums und Leiter der Studie. “Besonders für moderne, effiziente Kraftwerke sehen viele Stadtwerke infolge von Einspeisevorrang und Einspeisevergütung Wirtschaftlichkeitsprobleme, da diese nun nicht mehr kostendeckend betrieben werden können.”

Sofern jedoch die Marktstrukturen dahingehend verändert würden, dass unter anderem das Vorhalten von garantierten Kapazitäten entlohnt und Strom aus erneuerbaren Energien vollkommen in den Markt integriert werden, könne die Energiewende gelingen. “Auch zukünftig sehen sich die Stadtwerke hier als regionale Garanten der Versorgungssicherheit”, betont Rottmann. “Sie wollen zudem neben dem Kerngeschäft verstärkt Energie-Dienstleistungen anbieten.”

“Der Wandel der Erzeugungsstrukturen hin zu kleinen, dezentralen Anlagen wird spürbar auf die Strukturen der Energiewirtschaft wirken. Ein wesentliches Element stellt dabei der Ausbau der erneuerbaren Energien dar”, sagt Nikola Köller, Vorsitzende der Geschäftsleitung Öffentlicher Sektor Süd/Ost der Commerzbank AG. “Eine nachhaltige finanzielle Basis für notwendige Investitionen in neue Erzeugungsanlagen, Netze oder Services ist dabei ein zentraler Pfeiler einer tragfähigen Unternehmensstrategie.”

Aber im Detail zeigt die Studie tatsächlich, wie sehr die deutsche Energiewende mittlerweile fehlgesteuert ist. Die Stadtwerke leiden darunter. 79 Prozent der gefragten Manager stimmen der Aussage zu: “mit steigendem EE-Anteil zunehmende Unwirtschaftlichkeit von hocheffizienten, flexiblen Kraftwerken”. Was nicht so sehr am Anteil der Erneuerbaren Energien liegt, sondern an der Tatsache, dass die alten konventionellen Kraftwerksriesen die Netze verstopfen. Sie fahren auch bei Sonnenschein und Wind auf Grundlast. Und das bedeutet bei einem Kohlekraftwerk: Es produziert auch dann, wenn zusätzlicher Strom eigentlich nicht gebraucht wird, 33 Prozent seiner Spitzenlast. Das ist der billige Strom, der die Preise an der Börse purzeln lässt, wichtige Stromtrassen überlastet und in der Regel ins Ausland exportiert wird.

Dafür stehen die leicht regelbaren Gaskraftwerke still, die eigentlich mal die Übergangstechnologie für die Energiewende hätten sein sollen. Statt Strom und Umsatz zu produzieren, werden sie zu Kostenverursachern.Aber auch andere Teile der Energiewende sind noch immer nicht umgesetzt: die Verteilnetze sind noch nicht an die dezentrale Erzeugung angepasst, das Thema Speichertechnologien nicht umgesetzt (beides sagen über 55 Prozent der Befragten) und “Strategischer Netzausbau unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten” ist jetzt zwingend, sagen 49 Prozent. Und der Kasperauftritt Bayerns sorgt nun seit Jahren dafür, dass es hier nicht vorangeht.

Aber das eigentliche Grundprobleme bei der Energiewende sind wohl die vielen Köche, die den Brei verderben, die alle ihr eigenes Süppchen kochen wollen und das Projekt seit 2006 in einen einzigen Schlingerkurs verwandelt haben. Und das ist Gift für jede unternehmerische Entscheidung. Und so unterstützen 64 Prozent der Befragten die Aussage “Wird der Vertrauensschutz in Frage gestellt, hat dies grundsätzlich negative Auswirkungen auf Investitionsentscheidungen.”

Dabei sehen die Geschäftsführer der Kommunalunternehmen durchaus, was jetzt getan werden müsste, um den gewollten neuen Energiemarkt endlich zu schaffen. Als erstes steht eine Intelligente Netzsteuerung und zentrale Steuerung von EE-Erzeugungsanlagen (“virtuelle Kraftwerke”, Schwarmstrom) auf der Tagesordnung, das sagen fast 70 Prozent der Befragten. Denn augenblicklich wird bei Überlast das abgeschaltet, was überhaupt abgeschaltet werden kann – Gaskraftwerke und Windparks. Sonnenkollektoren kann man nicht abschalten. Atom- und Kohlekraftwerke auch nicht. Der entstehende Mix ist alles mögliche, nur kein neuer Energiemarkt.

57 Prozent der Befragten drängen auf einen koordinierten EE-Ausbau mit mehr Speicherlösungen und deren Markt- und Netzintegration. Im Grunde gibt es – von den Pumpspeicherwerken abgesehen – keine verfügbaren Speicher für zusätzlich produzierten Strom. Obwohl es längst denkbare Projekte gibt – etwa bei der Verbundnetz Gas AG.

Wichtig finden 46 Prozent einen dezentralen und bedarfsgesteuerten Kapazitätsmarkt mit entsprechender Leistungsvergütung. Damit sind vor allem leicht steuerbare Gaskraftwerke gemeint, die bei Bedarf zugeschaltet werden können. Aber auch deren Vorhaltung kostet Geld. Das braucht eine Leistungsvergütung.

Und knapp 29 Prozent der Befragten mahnen die Wiederbelebung des CO2-Zertifikatehandels und den Vorrang einer klimafreundlichen Grundlastbereitstellung an. Denn so lange CO2-Zertifikate aufgrund ihrer schieren Menge so gut wie nichts kosten, können Betreiber von Kohlekraftwerken immer wieder die Preise unterbieten. Die schmutzigste aller Energiearten hat sich zur “Übergangstechnologie” hochgeschwindelt.

Aber diese knapp 29 Prozent zeigen auch, wie demotiviert die Verantwortlichen mittlerweile sind. Denn wenn hochsubventionierte Kohlekraftwerke mit Billigstrom den Markt dominieren, hat ein Umbau der eigenen Anlagen keine Chance. Spätestens die Bank sagt: Wo nehmt Ihr denn die Sicherheiten her?

Und so ist auch die Hoffnung, eine wichtige Rolle beim Ausgleich von Angebot und Nachfrage zu spielen, bei den Kraftwerksmanagern fast im Keller: Nur rund 30 Prozent denken noch, Stadtwerke könnten beim Ausgleich von Netzlast und Erzeugung eine Rolle spielen. Eher hoffen sie (immerhin zu 62 Prozent) beim Umbau des Verteilnetzes hin zu intelligentem Netz mit geeigneter Speichertechnologie eine Rolle spielen zu können. Etwas über 60 Prozent sehen die Rolle der Stadtwerke in der Gewährleistung der Versorgungssicherheit im Rahmen der Daseinsvorsorge. Aber da wird es schon seltsam: Denn wenn sich die Energiebereitstellung für die Stadtwerke nicht rechnet, wird das ein Zuschussgeschäft.

Die Stadtwerke sitzen also gewissermaßen zwischen allen Stühlen. Und die Studie ist eine weitere Mahnung an die aktuellen politischen Steuerleute, dem Schiff endlich einen klaren Kurs zu geben und nicht jeden Monat aufs Neue zu lavieren.

Übrigens ein Zustand, der auch den großen Energieriesen nicht behagt, die ebenso draufzahlen, wenn die klare Linie fehlt.

Vattenfall, von dem ein paar Akteure in Sachsen und Brandenburg nun wieder vehement fordern, es möge weiter die heimische Kohle verfeuern, hat nach dem abgebrochenen Experiment der CO2-Verpressung am Donnerstag, 13. November, ein anderes Projekt gezündet. Dazu gleich mehr an dieser Stelle.

Die Studie als PDF zum Download.

www.uni-leipzig.de/fiwi/Team/rottmann.php

www.commerzbank.com

www.swl.de

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