Rationale Argumente scheint der Brief, den der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) und sein Brandenburger Kollege Dietmar Woidke (SPD) gemeinsam an die schwedische Regierung zum Thema Vattenfall geschrieben haben, nicht zu enthalten. Stattdessen werden sogar noch jene als Nutznießer eines Braunkohletagebaus verkauft, die von der weiteren Zerstörung ihrer Landschaft eigentlich nichts wissen wollen: die Sorben.

Franziska Schubert, Sprecherin für sorbische Angelegenheiten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Landtag, kritisiert die unangebrachte Instrumentalisierung der Sorben durch die Ministerpräsidenten Sachsens und Brandenburgs: “Stanislaw Tillich und Dietmar Woidke ist für die Rettung der Braunkohleförderung in der Lausitz offenbar jedes Mittel recht. In ihrem Appell an Schwedens neu gewählte Regierung führen sie neben altbekannten Argumenten auf einmal die sorbische Minderheit an. In ihrem Brief heißt es, eine gesicherte Perspektive des Braunkohleabbaus in der Lausitz ‘kommt insbesondere den Sorben in der Lausitz zugute, die als nationale Minderheit in Deutschland anerkannt sind und ihre eigene slawische Sprache und Kultur haben’.”

Doch der Zusammenhang werde im Brief nicht erläutert und sei zudem äußerst fragwürdig, findet Schubert. “Liest man den Beschluss des Bundesvorstandes der Domowina, dem Bund Lausitzer Sorben e.V., in Bezug auf die Braunkohlepläne für die Tagebaue Nochten II und Welzow-Süd vom 14. September 2014, so ist deren Haltung eindeutig. Der Bundesvorstand der Domowina ‘lehnt die Weiterführung der Tagebaue […] ab und fordert den geregelten und geplanten mittelfristigen Ausstieg aus der Braunkohle im sorbischen Siedlungsgebiet’. Damit wird der bereits 2012 getroffene Beschluss bekräftigt, ‘wonach keine weiteren Dörfer des sorbischen Siedlungsgebietes mehr abgebaggert werden dürfen’. Eindeutig werden die ‘Regierungen Sachsens und Brandenburgs’ aufgefordert, ‘die Satzungsbeschlüsse der regionalen Planungsbehörden zur Weiterführung der Tagebaue […] abzulehnen’.”

Dabei scheinen die beiden Amtsträger an der verlängerten Leine des Vattenfall-Konzerns zu laufen, der die Entscheidung der schwedischen Regierung, das Konzerngeschäft auf erneuerbare Energien auszurichten, auf seine Weise interpretiert. Am 6. Oktober hat der Konzern in einer eigenen Pressemitteilung formuliert: “Eine Erweiterung des Braunkohlegeschäfts im Sinne einer steigenden Stromerzeugung aus Braunkohle ist von Vattenfall nicht beabsichtigt. Auch die geplante Tagebauerweiterung dient lediglich der Absicherung bestehender Kraftwerke. Aus der Ankündigung der schwedischen Sozialdemokraten ergibt sich daher aus unserer Sicht kein Widerspruch zu unseren aktuellen Plänen.”

Eindeutig also ein Fall, in dem sich ein Konzern und zwei Ministerpräsidenten gegen die eigentlich Betroffenen verbünden.

Franziska Schubert: “Der Missbrauch sorbischer Interessen ist angesichts der offensichtlichen Meinungsunterschiede zwischen der sorbischen Minderheit und den Ministerpräsidenten ein fragwürdiger Verzweiflungsakt. Denn beide Landesregierungen, die sich dem Schutz der Minderheit per Gesetz verschrieben haben und sich zu den europäischen Rechtslinien bekennen, treten deren Rechte auf Bewahrung ihres angestammten Siedlungsgebietes und damit einhergehend ihrer Sprache und Kultur mit dem Abbaggern ihrer angestammten Dörfer mit Füßen.”

Die Vattenfall-Mitteilung: http://corporate.vattenfall.de/newsroom/news/2014/schwedische-regierung-sieht-zukunft-in-erneuerbaren-energien1/

Die Mitteilung der sächsischen Regierung zum gemeinsamen Brief: www.medienservice.sachsen.de/medien/news/194712

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