Kann eine Landesregierung etwas für die Wirtschaftsentwicklung im Land? Oder kann sie nicht? Reichen die richtigen Förderbedingungen, die richtigen Förderentscheidungen? Reicht das, was man so landläufig eine wirtschaftsfreundliche Politik nennt? - Im Freistaat Sachsen augenscheinlich hinten und vorne nicht. Seit 2004 ist auch die Aufholjagd gegen den Westen beendet, stellt nun auch das Statistische Landesamt fest.
“Im Jahr 2013 erbrachte ein Erwerbstätiger in Sachsen eine Wirtschaftsleistung von 50.246 Euro. Damit erreichte die gesamtwirtschaftliche Pro-Kopf-Produktivität ihren bisher höchsten Stand. Der Abstand zum bundesdeutschen Produktivitätsniveau in Höhe von 65.429 Euro lag dennoch bei gut 23 Prozent”, stellen die amtlichen Rechner aus dem Kamenzer Amt fest. “Im Jahr 2000 hatte die entsprechende Lücke allerdings noch fast 28 Prozent betragen. Insofern hat der Rückstand im Produktivitätsniveau der sächsischen Wirtschaft gegenüber Deutschland zwar abgenommen, doch tritt der Angleichungsprozess nunmehr schon seit 2004 faktisch auf der Stelle.”
2004? – Bedeutet das, dass die CDU-Wirtschaftsminister bis dahin alles richtig gemacht haben? Jedenfalls scheint man so in CDU-Kreisen zu denken und hat schon vor der Landtagswahl gefordert, das Wirtschaftsressort wieder mit einem CDU-Mann zu besetzen.
Oder geht das ganz und gar auf die erfolgreiche Regierungspolitik Kurt Biedenkopfs zurück, der 2002 aus dem Amt gedrängt wurde? Konnten es seine beiden Nachfolger Milbradt und Tillich nicht? Denn Wirtschaftsentwicklung ist ja etwas, was in größeren Zeitzyklen seine Wirkung zeitigt. Fehlt es dem Freistaat seitdem an einer sinnvollen Strategie?
Oder hat das Ganze eher damit zu tun, dass sich die Angleichungsprozesse zwischen Ost- und West-Deutschland seitdem erschöpft haben? Eine These, die zumindest dadurch untermauert wird, dass auch die anderen ostdeutschen Bundesländer seitdem festzustecken scheinen im Aufholprozess. Denn eines ist ja nie passiert: Dass die ganzen einstigen Wirtschaftsstrukturen, die 1945 gen Westen abwanderten, in den Osten zurückgekehrt sind. Sie sind alle in Bayern und Baden-Württemberg geblieben.
Und eine zweite Gründerwelle Ost hat es nach 2004 nicht gegeben. Eher das Gegenteil: Die Magerkur “Hartz IV”, die besonders im Osten der Republik flächendeckende Niedriglohnbereiche entstehen ließ. Dadurch sinken zwar die heiligen “Arbeitslosenraten” – nur die Einkommen stagnieren – und damit die Umsätze, die Kaufkraft und die frei verfügbaren Investitionskapitalien.
Und Niedriglohnsektor, das bedeutet eben Dienstleistung. Wobei die eine Dienstleistung besser honoriert wird als die andere.
Mit den Worten der Landesstatistiker: “Innerhalb der sächsischen Wirtschaft verzeichnete der Dienstleistungsbereich Grundstücks- und Wohnungswesen, Finanz- und Unternehmensdienstleister mit 61.490 Euro je Erwerbstätigen die höchste Pro-Kopf-Produktivität, die Land- und Forstwirtschaft, Fischerei mit 29.695 Euro je Erwerbstätigen indes die niedrigste. In der Land- und Forstwirtschaft, Fischerei sowie im Bereich Öffentliche und sonstige Dienstleister, Erziehung und Gesundheit reichte das sächsische Produktivitätsniveau dabei zuletzt schon weitestgehend an den bundesdeutschen Durchschnittswert heran.”Wobei immer bedacht werden muss: Die Lohnkosten sind Teil der Produktivität. Die so genannte Produktivität steigt, wenn man seine Produkte (zu denen eben auch Dienstleistungen gehören) teurer verkaufen kann. Finanzdienstleister erzielen zwar dabei die höchsten Umsätze je Zeiteinheit – aber sie gehören zu einer winzigen Gruppe der sächsischen Unternehmen. Die Landwirtschaftsbetriebe sind zwar nicht wesentlich umfangreicher – aber das erzielte Produktionsniveau entspricht ungefähr dem im Westen. Und genauso geht es der Pflegebranche.
Nur da, wo ein Land in der Regel wirtschaftliche Überschüsse produziert, da ist Sachsen eher nur Zulieferer oder Teil der Lieferkette.
Die Kamenzer Statistiker dazu: “Im Verarbeitenden Gewerbe lag der entsprechende Angleichungsstand hingegen bei weniger als zwei Dritteln.” Scheinbar hat die Produktivität im Verarbeitenden Gewerbe sogar abgenommen. Aber ganz so ist es nicht – tatsächlich hat die Produktivität der Industrie in Westdeutschland derart zugelegt, dass das geringe Produktivitätswachstum Ost dagegen zu schrumpfen scheint. Immer mit bedacht, dass Produktivität in erster Linie über die Endpreise gerechnet wird. Sächsische Unternehmen konnten ihre Verkaufspreise also ganz eindeutig nicht im selben Maße steigern wie die Konkurrenz im Westen. Oder die Mutterkonzerne im Westen.
Was den Blick auf die so genannten Arbeitsmarktreformen der Schröder-Regierung (“Agenda 2010”) richtet, die vor allem das massive Wachstum von flexiblen und prekären Arbeitsverhältnissen forcierte. Sachsen – und insbesondere Leipzig – wurden dabei zur bundesweiten Zeitarbeits-Hochburg. Und der starke Einsatz von Zeitarbeitskräften drückt natürlich das Lohn- und Kostenniveau – man kann die Produkte also preiswerter herstellen und verkaufen. Die “Produktivität” sinkt.
So eine Entwicklung dann auch noch mit einer staatlichen Niedriglohnpolitik (gekoppelt mit einem rabiaten Rückbau des öffentlichen Dienstes) zu begleiten, ist geradezu der Freifahrtschein zur Roten Laterne in der innerdeutschen Wirtschaftsentwicklung.
Die Zeitarbeitsfirmen findet man übrigens in der Sparte “Grundstücks- und Wohnungswesen, Finanz- und Unternehmensdienstleister”: Unübersehbar ist man hier beim “Produktivitätsniveau” auch nur bei 66 Prozent des Bundesniveaus.
Die Meldung des Statistischen Landesamtes: www.statistik.sachsen.de/download/200_MI_2014/MI-18014.pdf
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