Die Kluft ist unübersehbar: Da gibt es in Leipzig tausende Arbeitsuchende, deren Qualifikation für die angebotenen Arbeitsplätze nicht ausreicht oder einfach nur nicht passt. Doch wenn es um die Qualifizierung geht, stehen sie vor dem selben Problem, das auch sonst ihr Leben mit lauter Stopp-Schildern umgibt: Das Geld reicht nicht. Ein Dilemma, das Leipzigs DGB-Chef jetzt kritisiert.

“Da die Qualifikation der Erwerbslosen und die betrieblichen Anforderungen häufig nicht zusammenpassen, sind Weiterbildungen ein entscheidendes Instrument der Arbeitsmarktpolitik”, sagt Bernd Günther, Geschäftsführer der DGB-Region Leipzig-Nordsachsen, angesichts des hohen Niveaus der Arbeitslosenzahlen in Leipzig. Für den August meldete zwar die Leipziger Agentur für Arbeit einen leichten Rückgang der Arbeitslosenzahlen insgesamt, aber weiterhin mit einer hohen Quote von 10,1 Prozent.

Nötig seien sinnvolle Qualifizierungsangebote, die nicht nur die Mitwirkungsbereitschaft der Erwerbslosen prüfen. Vor allen Dingen seien bessere finanzielle Rahmenbedingungen für die fortbildungswilligen Erwerbslosen angezeigt. Günther verweist auf eine aktuelle Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Dort nennen Erwerbslose am häufigsten finanzielle Aspekte, wenn sie nach Gründen gefragt werden, die gegen eine Teilnahme an einer längeren Weiterbildung sprechen.

Die Arbeitsmarktexperten hatten untersucht, welche Schwierigkeiten mögliche Teilnehmer und Teilnehmerinnen an einer von der Arbeitsagentur oder dem Jobcenter geförderten Weiterbildung mit einer Dauer von mindestens einem Jahr sehen. 44 Prozent geben beispielsweise an, sie könnten es sich nicht leisten, über den Zeitraum von einem Jahr (oder länger) auf alternative Erwerbseinkommen zu verzichten. Auch ein als relativ sicher angesehener Job mit einem Einkommen etwas oberhalb des Transferbezugs werde häufig als attraktiver angesehen als die unsichere Aussicht auf ein späteres höheres Einkommen infolge der Weiterbildung. 29 Prozent antworteten darüber hinaus, dass sie das Lernen nicht mehr gewohnt seien. 21 Prozent sehen die Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen als Hinderungsgrund.Aus Sicht der Forscher sollten insbesondere im Hartz-IV-System Maßnahmen gefördert werden, die zu einem Berufsabschluss führen. Arbeitsuchende ohne Berufsabschluss tragen ein hohes Risiko, länger erwerbslos zu bleiben und es auch immer wieder zu werden. Ihr Anteil an der Gesamtarbeitslosigkeit in Leipzig ist mit rund 32 Prozent sehr hoch, bei Jugendlichen bis 28 Jahren liegt der Anteil sogar bei rund 46 Prozent.

Der Leipziger DGB-Chef forderte hierzu finanzielle Anreize für Erwerbslose.

“Bei einer Teilnahme an einer soliden Qualifizierungsmaßnahme könnten neben dem Arbeitslosengeld eine pauschale Aufwandsentschädigung oder eine Erhöhung der Arbeitslosenunterstützung von mindestens zehn Prozent und mindestens 100 Euro gezahlt werden. Auch eine Abschlussprämie nach dem Erwerb des Berufsabschlusses könne ein guter Anreiz sein”, findet Günther.

Wobei auch der Prozentwert 63,7 an Zustimmung zur Aussage “Niemand kann finanzielle Vorteile garantieren” nicht außer Acht gelassen werden darf. Denn da geht es um die Sinnhaftigkeit einer Weiterbildung. Viele Betroffene haben oft genug die Erfahrung gemacht, dass der erworbene Abschluss ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt keineswegs erhöht – oft genug auch, weil die erworbene Qualifikation gar nicht gesucht wird.

Der DGB Leipzig-Nordsachsen setze sich dafür ein, dass die Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik nicht weiter sinken, sondern wieder steigen, so der Leipziger DGB-Chef. “Wir brauchen keine Maßnahmen, bei denen Erwerbslose kurze Zeit aus der Statistik verschwinden und in Arbeitsgelegenheiten gesteckt werden, die weder gute Arbeitsbedingungen noch eine nachhaltige Perspektive bieten.”

Zum IAB-Bericht: http://doku.iab.de/kurzber/2014/kb1414.pdf

www.leipzig-nordsachsen.dgb.de

www.billig-kommt-teurer.de

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