Wie liest man eigentlich Zahlen aus einem Gründungsreport, wie ihn die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) am 20. Mai vorgelegt hat? - Sie hatte einmal mehr festgestellt, dass das Gründungsgeschehen in Deutschland auf leichtem Niveau wieder zunimmt, seit die Gründerzuschüsse der Jobcenter gestrichen wurden. Es gibt also weniger "Notgründungen", dafür stieg der Anteil der Gründungen mit einer "expliziten Geschäftsidee", wie es die KfW ausdrückt.
Besonders stark stiegen “Gründungen im Nebenerwerb”. Und zwar ziemlich heftig. Von 868.000 (+12 % ggü. 2012) waren 562.000 “Gründungen im Nebenerwerb”. Im Vorjahr waren es gerade einmal 460.000 gewesen. Ein Fakt, den Dr. Jörg Zeuner, Chefvolkswirt der KfW Bankengruppe, mit neuen Geschäftsideen in Verbindung bringt.
“Dieser Anstieg im Nebenerwerb ist nicht auf ?Notgründungen? zurückzuführen, sondern weil die Gründer einen Markt für ihre Geschäftsidee sahen”, versucht er den Effekt zu erklären. “Trotz der insgesamt mäßigen Konjunktur im Jahr 2013 nutzten sie offenbar das deutliche Anziehen der Inlandsnachfrage.”
Aber so ein Sprung erweckt Zweifel. Gerade weil die Zahl der “Notgründungen” durch die Kappung der Förderinstrumente bei den Jobcentern quasi radikal beschnitten wurde.
Es wäre ein Märchen anzunehmen, dass all die Leute, die zuvor versucht hatten, sich mit einem eigenen Gewerbe ein Einkommen aufzubauen, nun alle einen tollen neuen Job bekommen hätten, bloß weil “die Konjunktur anzieht”. Darauf deutet nichts hin. Und dass man allerorts neuen tollen Geschäftsideen begegnen würde, ist ja auch nicht der Fall. Eher sieht es nach einer neuen Ausweichbewegung all jener Menschen aus, die vorher immer wieder auf staatliche Förderinstrumente gehofft haben, um irgendwie endlich ein belastbares Einkommen zu erwirtschaften. Warum nicht noch ein Zweit- und Drittunternehmen gründen, wenn ein einziges den Mann oder die Frau nicht ernährt?
“Gründung im Nebenerwerb” deutet genau auf so einen Effekt hin. Das kann eine Bank natürlich nicht so sagen. Sie muss ja – auch wenn es eine staatliche ist – so tun, als sei sie ganz toll und clever und die Gründer in Deutschland würden problemlos an die nötige Knete kommen um ihre schönen neuen Geschäftsideen in die Praxis umzusetzen.
Das mit dem Geld umschreibt die KfW so: “Der überwiegende Teil der Gründer (2013: 83 %) nahm bei der Umsetzung seines Gründungsprojekts keine Finanzierungsschwierigkeiten wahr (37 % weil sie keinen Finanzierungsbedarf hatten und 46 % weil sie problemlos eigene oder externe Finanzmitteln beschaffen konnten). Die von Gründern 2013 eingesetzten Finanzmittel summieren sich auf knapp 10 Mrd. EUR (2012: 8,4 Mrd EUR, 2011: 7,7 Mrd EUR). Der Anteil externer Finanzmittel ist dabei von 31 % im Jahr 2009 auf 52 % gestiegen.”
Das klingt alles mächtig gewaltig, ist aber schlicht ein Witz. Denn wenn man diese Summe auf die 52 Prozent umrechnet, die “externe Finanzmittel” in Anspruch nahmen, kommt man auf den eher lächerlichen Wert von 18.635 Euro pro Gründer. Die KfW kommt sogar nur auf 11.200 Euro. Tatsächlich passierten die meisten Gründungen in Bereichen, in denen keine großen Startkosten gebraucht werden: Dienstleistung, Handel, wirtschaftliche Dienstleistungen dominieren. Was erklärt, warum sich das Gründungsgeschehen in den Ballungsräumen ballt: Hier kann man Dienstleistungen an den Mann bringen. Und zwar keine explizit ausgefallenen, sondern die üblichen, die auch die üblichen Bankberater verstehen.
“Das Muster ‘Stadtstaaten – westliche deutsche Flächenländer – ostdeutsche Flächenländer’ bleibt bei der Reihenfolge erkennbar”, schreibt die KfW.
Man sollte also ganz gewiss keine Bank fragen, warum das so ist. Und was das mit den verfügbaren Finanzmengen vor Ort zu tun haben könnte. Im Osten nun seit Jahren nachweislich weniger, was jeder Reichtums- und Armuts- und Einkommensreport – egal aus welcher Institution – belegt. Normalerweise wissen Volkswirte, dass jede Gründung eine Anschubfinanzierung braucht.
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“Es gibt mehr Gründer, die mit einem höheren Mitteleinsatz starten und daher beispielsweise auch höhere Kredite von ihrem Kreditinstitut benötigen. Dies erfordert natürlich besondere Konzentration auf das Finanzierungsgespräch”, sagt Dr. Zeuner. “Eine Finanzierung zu erhalten, ist aber keine unlösbare Aufgabe. Die Kreditinstitute finanzieren überzeugende Gründer durchaus – vor allem da ihnen durch die gute Förderpolitik ein Teil des doch hohen Risikos abgenommen werden kann.”
Wenn die Gründerquote im Osten also deutlich niedriger als im Westen ist, kann das an einer sehr zurückhaltenden Haltung der Kreditinstitute liegen. Bekanntlich beginnt die Sparkasse Leipzig gerade, das Themenfeld für sich zu entdecken. Dass die Landesregierung ihre Möglichkeiten bislang gar nicht genutzt hat, das Gründungsgeschehen in Sachsen in Schwung zu bringen, kritisiert bei dieser Gelegenheit Michael Weichert, wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion
“Spätestens seit die Bundesagentur für Arbeit ihren Existenzgründungszuschuss fast niemanden mehr bewilligt, hätte die Staatsregierung aufwachen und selbst etwas tun müssen. Doch Wirtschaftsminister Morlok verschläft auch diese Herausforderung”, stellt Weichert fest. “Unsere Wirtschaft braucht den Mut und die Kreativität der Existenzgründer für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit. Sie sorgen dafür, dass junge Unternehmen mit neuen Ideen auf den Markt kommen und bestehende durch Nachfolger fortgeführt werden. Es ist Aufgabe der Politik, dies zu fördern und den Gründern das Gefühl zu geben, dass man sie will und braucht.”
Sein Vorschlag: “Wir Grünen fordern deshalb Minister Morlok auf, ein Landesprogramm zur Sicherung des Lebensunterhaltes und zur sozialen Absicherung der Unternehmensgründerinnen und -gründer im ersten Jahr der Selbstständigkeit aufzulegen. Sachsen braucht ein Landesnetzwerk, in dem alle Akteure im Bereich Existenzgründung und Gründerberatung zusammenarbeiten. Ziel muss es sein, einen Überblick über die Vielzahl an Beratungs- und Förderangeboten anbieten zu können und die Gründungskultur in Sachsen zu verbessern.”
Und Sachsen hat ja auch noch so etwas wie eine eigene Förderbank. Weichert dazu: “Die Staatsregierung sollte für ein vereinfachtes Antragsverfahren für Mikrodarlehen der Sächsischen Aufbaubank (SAB) sorgen. Anträge müssen viel schneller bearbeitet und bewilligt werden.”
Direkt zum KfW-Gründungsmonitor 2014:
www.kfw.de/Presse-Newsroom/Pressetermine/Gründungsmonitor-2014/KfW-Gründungsmonitor-2014.pdf
Die Rangfolge der Bundesländer:
www.kfw.de/Presse-Newsroom/Pressetermine/Gründungsmonitor-Gründerquoten.jpg
Die Pressemitteilung zum Thema:
www.kfw.de/KfW-Konzern/Newsroom/Aktuelles/Pressemitteilungen/Pressemitteilungen-Details_203712.html
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