Als sich die deutsch-russischen Beziehungen in einem ruhigen Fahrwasser bewegten, initiierte die in Leipzig ansässige VNG - Verbundnetz Gas AG das deutsch-russische Rohstoff-Forum. Ein bisschen Forschungs-Kooperation, ein bisschen Studentenaustausch, ein Lomonossow-Haus in Freiberg für die russische Akademikerseele - klassische Insiderthemen eben. Doch im Vorfeld des diesjährigen Rohstoff-Forums lag die Krim. Nun verstehen plötzlich alle, wie strategisch die Rohstoff-Welt doch strukturiert ist und welch nie nachlassender Pflege sie bedarf.
Vom 1. bis 3. April fand die 7. Deutsch-Russische Rohstoff-Konferenz in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden statt.
So viel knisternde Energie steckte noch nie in der Deutsch-Russischen Rohstoff-Konferenz wie in diesem Jahr. Stargast war der kurzfristig an den Tagungsort Dresden angereiste stellvertretende russische Ministerpräsident Arkadi Dworkowitsch. Erzeugt derlei Anwesenheit allein schon protokollarischen Glanz, so sorgte der hohe Gast diesmal für ein ordentliches Schlaglicht der Konferenz. Es ist in diesen angespannten Zeiten ja nicht gerade üblich, dass russische Spitzenpolitiker der Bundesrepublik ihre Aufwartung machen. Und das fein austarierte Belauern hat zwei Seiten. Außenminister Steinmeier stand monatelang auf der Rednerliste der Rohstoff-Konferenz – und sagte kurzfristig ab. Diese Gelegenheit ließ sich Dworkowitsch nicht entgehen.
Er sprach am 2. April vor Medienvertretern in Dresden von einer “Pause” in den deutsch-russischen Beziehungen auf politischer Ebene. Doch eine solche Pause dürfe es in den Wirtschafts- ebenso wie in den wissenschaftlich-technischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern nicht geben. Da nickten alle anwesenden Firmenvertreter heftig mit dem Kopf.
Die Organisatoren der Konferenz waren spürbar um klare Hinweise bemüht, es handle sich hier um eine Rohstoff- und um keine Gas-Konferenz. Und trotzdem drehten sich die Gespräche immer wieder um das flüchtige Medium in den transkontinentalen Röhren. Angesprochen auf gelegentliche deutsche Bemerkungen, es solle eine Diversifizierung der deutschen Gasbezüge weg vom russischen Hauptlieferanten angestrebt werden, unterstrich der ehemalige Bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (diesmal als Präsidiumsmitglied des Deutsch-Russischen Rohstoff-Forums), bei der Diversifizierung – also der Streuung der Bezugsquellen – handle es sich um ein altes deutsches bzw. europäisches Ziel. Es brächte jedoch gar nichts, dieses Ziel politisch zu überfrachten. “Diversifizierung darf nie als Aktion gegen Russland verstanden werden”, so Stoiber. Wieder heftiges Kopfnicken in der Runde.Mit soviel Flankenschutz geriet Moskaus Vize-Premier Dworkowitsch in Fahrt. Die Fragen nach der Krim prasselten nur so auf ihn ein. Doch dieses Reizwort entfuhr ihm gar nicht. Stattdessen: “Unsere beiden neuen Regionen.” Und übrigens seien deutsche Unternehmen herzlich eingeladen, sich dort an der Modernisierung der Wirtschaft zu beteiligen – so wie in allen anderen Regionen auch. Da nickte (noch) niemand mit dem Kopf.
Eines steht fest: Der Preis ist heiß, für Erdgas. Mit 1,7 Milliarden Dollar steht zum Beispiel die Ukraine bei Gazprom und damit bei Russland in der Kreide. Dworkowitsch wollte sich in Dresden nicht auf die Formulierung einlassen, dass es seitens Gazprom zu einer Erhöhung des Gaspreises für die Ukraine kommen würde (die einen Tag nach dem bemerkenswerten Dresdner Auftritt ja tatsächlich vollzogen wurde). Dworkowitsch erklärte stattdessen, es gehe nur darum, die Preisnachlässe aufzuheben, die der Ukraine 2010 gewährt wurden, damit sie ihre Schulden bezahlen könne. Da die Ukraine jedoch ihre Außenstände an Russland nicht beglichen habe, würde nun das Preisniveau von 2010 wieder gelten. Und im Übrigen hätte die Ukraine doch inzwischen viele gute Freunde im Westen, die doch finanziell für die russischen Forderungen einspringen könnten. An dieser Stelle feixte Stoiber.
Rechnungen werden jetzt und in nächster Zeit sicher noch viele aufgemacht. Doch dass dies so unverblümt wie auf dem Rohstoff-Kongress geschieht – das trug schon eine besondere Note.
Immerhin war kein Begriff so häufig zu hören wie Dialog und Zusammenarbeit. Zugleich zeigten sich beide Seiten ihre Instrumente: Deutschland hat die Technologie, die Russland braucht; Russland hat das Gas, das Deutschland will (oder mittelfristig nach China verkauft werden kann). Bisher fahren beide Seiten wirtschaftlich gut miteinander, doch sie sind darauf angewiesen, dass es in der Politik entspannt zugeht und dass keine überschießenden politischen Emotionen die Kreise der Wirtschaft stören. Russland ist ein Rohstoffgigant, hieß es unisono von Horst Teltschik, dem versierten ehemaligen Kanzlerberater, bis zu VNG-Boss Karsten Heuchert. Und diesen Giganten umarmten alle innig.
“Der Rohstoffsektor ist ein solch wichtiger Bereich, dass er in seiner Bedeutung nur mit dem Weltraum verglichen werden kann”, unterstrich Prof. Wladimir Litwinenko, (wort-)mächtiger Rektor der Petersburger Bergbau-Universität. Eine Förderstelle in der russischen Arktis zu schließen, ginge schnell, doch sie wieder hochzufahren, würde zwölf bis achtzehn Monate beanspruchen. Wieder so eine Zahl, die jeder verstand.
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