Hat die "Süddeutsche" ein bisschen getrickst, als sie am 26. April den Artikel online stellte "Das sind die größten Empfänger von EU-Agrarsubventionen"? Auf der beigefügten Google-Karte ist deutlich zu sehen, dass die dicksten Gelder an Empfänger in Ostdeutschland gehen: Grüne Punkte für 1 Million Euro und mehr, rote Punkte für 2 Millionen und mehr. Grundlage sind neueste Daten aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium zu den EU-Agrarsubventionen 2013.
Im SZ-Artikel geht es natürlich um die nicht ganz unwichtige Frage, warum große Betriebe auch den größten Batzen an Subventionen abfangen, während kleinere Betriebe mit den paar anteiligen Kröten eher nur eine Art “Hartz IV” bekommen. Wie groß dieser kleinere Anteil ist, zeigt die Karte natürlich nicht. Denn sie zeigt zwar, dass im Osten die meisten Großbetriebe zu finden sind – fast alle direkte Nachfolger der aufgelösten LPG, die einfach in den auf industrielle Größe gewachsenen Strukturen weiter gemacht haben, weil sich nur so auch die Herstellungspreise erzielen lassen, mit denen man marktfähig ist. Dabei geht es nicht einmal nur um die internationale Marktfähigkeit, obwohl das eindeutig die Schattenseite der EU-Agrarsubventionen ist. Es geht auch um den deutschen Abnehmermarkt, der von einer Handvoll Einzelhandelsunternehmen dominiert wird. Wer es nicht schafft, seine Herstellung so zu rationalisieren, dass er mit den immer neuen Billigpreiskampagnen mithalten kann, ist weg vom Markt.
Wirtschaftlich betrachtet eine Zwickmühle, in der sich ostdeutsche Landesregierungen fast folgerichtig zu Fürsprechern einer ungebrochen großzügigen EU-Förderung für Großbetriebe machen. Auch Sachsen.
“Die Agrarwirtschaft bildet das wirtschaftliche Fundament in den ländlichen Räumen Sachsens”, sagte zum Beispiel Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) am 4. April bei der Mitgliederversammlung des Sächsischen Landesbauernverbandes (SLB) in Groitzsch. In seiner Rede ging er auch auf die schwierigen Verhandlungen um die Direktzahlungen und Fördermittel aus Brüssel für die Landwirte ein. Sachsen hatte – so betonte er – nach harten Verhandlungen eine zunächst erwogene übermäßige Kürzung abwenden können und zudem die systematische Diskriminierung größerer Betriebe durch Kappung und Kürzung der Direktzahlungen verhindert.
Nicht nur Sachsen übrigens. Während die Förderung für Großbetriebe europaweit sank, erkämpfte sich die Bundesrepublik wieder eine Sonderrolle und bewahrte seine Großbetriebe vor “übermäßigen Kürzungen”.
Sachsen bekommt in der neuen Förderperiode nun auch gut 200 Millionen Euro an Investitionszuschüssen für Agrarunternehmen. Bereits jetzt seien viele Betriebe hochproduktiv, sagte Tillich. Und: Ziel der Investitionsförderung sei es, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen noch weiter zu verbessern. Die Spirale soll sich also weiter drehen.
Womit sich die Kluft zur kleinteiligen und vor allem zur Ökolandwirtschaft weiter auftut. Dabei verkauft auch Tillich die Agrarbetriebe gern als Bewahrer der Kulturlandschaft: “Auch die Landwirtschaft profitiert von einem attraktiven ländlichen Raum. Deshalb ist es uns wichtig, die ländliche Entwicklung und deren Förderung insgesamt in ihrer ganzen Breite in den Blick zu nehmen.” Junge Menschen erwarteten von ihrer Heimat auf dem Dorf mehr als nur attraktive Arbeitsplätze. Es gehe um ein lebenswertes Umfeld. Wie das bei der Fortsetzung der bisherigen Förderpraxis gehen soll, hat er nicht gesagt. Er hat nur beiläufig fallen lassen, dass der Freistaat nicht mal über Strategien für den ländlichen Raum nachdenkt, obwohl man sehr genau weiß, dass die jungen Leute in Scharen in die Großstädte fliehen.
“Wir wollen auch in der neuen EU-Förderperiode auf die regionale Entscheidungsbefugnis setzen. Die Menschen vor Ort wissen am besten, wie sie ihre Region erfolgreich entwickeln können”, sagte Tillich.
Zumindest können die “Menschen vor Ort” über einen Teil der EU-Fördergelder für den ländlichen Raum verfügen. Und da hat die Google-Karte der “SZ” ihre zweite Schwäche. Sie unterscheidet nicht zwischen den Direktbeihilfen für landwirtschaftliche Betriebe und den Geldern aus dem ELER-Strukturförderprogramm. Deswegen taucht erstaunlicherweise die Stadt Schkeuditz als einer der größten Geldempfänger aus dem EU-Agrarprogramm auf: 1.085.182 Euro gab es 2013, 114.486,04 waren es im Vorjahr. Beides aus dem ELER. Immerhin ein Programm, auf das der Freistaat Sachsen setzt in der Hoffnung, es könnte im ländlichen Raum was bewirken: Insgesamt bekommt Sachsen von 2014 bis 2020 aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER) mehr als 800 Millionen Euro. Zusammen mit weiteren Geldern von Bund und Freistaat stehen somit rund 1,1 Milliarden Euro bereit.
Das ist eine Menge Holz. Aber da es keine integrierte Entwicklungsstrategie des Freistaates gibt, werden es die Kommunen nach bestem Wissen und Gewissen auf ihre Weise ausgeben.Naja, so was Integriertes gibt es schon. Es heißt zumindest so: Integrierte Ländliche Entwicklung (ILE) im ländlichen Raum. Da stehen in der nächsten Förderperiode rund 455 Millionen Euro zur Verfügung. Tillich betonte am 4. April, die ILE-Förderung habe sich bereits in der Vergangenheit bewährt. In der abgelaufenen Förderperiode seien mehr als 5.000 Projekte unterstützt worden – vom schnellen Internet über Dorfgemeinschaftshäuser, Schulen und Kindertagesstätten bis hin zu Wanderwegen. Es hat nur nichts genutzt, um die ländlichen Räume zu stabilisieren. Im Gegenteil: Die Abwanderung hat sich eher verstärkt.
Also reitet die Staatsregierung lieber das einzige Projekt, von dem sie glaubt, es könnte die ländlichen Räume retten: “Die Staatsregierung hat eine millionenschwere Landesinitiative gestartet, um den Ausbau schneller Internetverbindungen abseits der Ballungsräume voranzutreiben: Bis 2016 werden dafür 40 Millionen Euro bereitgestellt”, vermeldete die Regierungspressestelle am 4. April. “Um die Gesundheitsversorgung abzusichern, vergibt der Freistaat Stipendien an angehende Landärzte. Tillich verwies auch auf die zunehmende Bedeutung der Telemedizin.”
Da kommt der Landarzt dann künftig also via Internet. Wenn das keine Vision ist.
An sächsische Landwirtschaftsbetriebe wurden 2013 übrigens 326.629.627 Euro an EU-Beihilfen ausgeschüttet. Die Landwirte merken also sehr wohl, dass es die EU gibt. Zu den größeren Empfängern rund um Leipzig gehören die Agrar & Umwelt AG Loberaue in Rackwitz (1.024.830 Euro), die Agrarprodukte Kitzen eG in Pegau (1.285.447 Euro), die AGRO Agrarprodukte GmbH in Zettlitz (2.114.629 Euro), die Agraset Agrargenossenschaft eG Naundorf in Erlau (3.285.253 Euro) und die Agrargenossenschaft Gruenlichtenberg eG in Kriebstein (1.491.753).
Aber auch im Leipziger Stadtgebiet gibt es einige nicht ganz kleine Empfänger. Die Gundorfer Agrargemeinschaft eG (537.680,73 Euro) zum Beispiel und die Gut Engelsdorf Agrarprodukte GmbH (715.128,66 Euro). Aber selbst die Strukturförderung für den Nabu steht mit drin. Der Landesverband Sachsen des Nabu bekam 69.048,79 Euro, der Stadtverband Leipzig 9.754,70 Euro. Zum größten Teil aus dem ELER-Programm.
Aber auch die Stadt Leipzig bekommt 11.214,50 Euro Direktbeihilfe, denn das Liegenschaftsamt hat auch ein paar landwirtschaftliche Flächen in der Betreuung.
Zur Suchfunktion auf der Website der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung: www.agrar-fischerei-zahlungen.de/Suche
Die “Süddeutsche” zum Thema: www.sueddeutsche.de/wirtschaft/landwirtschaft-das-sind-die-groessten-empfaenger-von-eu-agrarsubventionen-1.1943758
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