Die Metropolregion Mitteldeutschland steckt in einer tiefen Legitimationskrise. Seit Dresden seinen Austritt aus diesem Städtenetzwerk verkündet hat, das eigentlich dazu geschaffen wurde, um die wirtschaftlichen Stärken der Region zu bündeln, macht man sich sogar im Sächsischen Landtag Sorgen. Am Montag, 7. Oktober, gab es dazu eine Expertenanhörung. Und die nun wieder machte deutlich, dass das Netzwerk ohne echten Rückenwind der drei Bundesländer nicht funktionieren kann.

Die Metropolregion Mitteldeutschland ist 2009 aus der Metropolregion Sachsendreieck hervorgegangen. Ursprung waren die Städte Dresden, Leipzig/Halle, Chemnitz und Zwickau. Zunächst erhielt die Stadt Jena 2007 Stimmrecht und vertrat die Städte der Region Erfurt-Weimar-Jena sowie die Stadt Gera in der Metropolregion Sachsendreieck. Im gleichen Jahr wurde hier auch die Stadt Magdeburg beratendes Mitglied. Die Städte Jena und Magdeburg wurden 2009 als Vollmitglieder aufgenommen: Gleichzeitig beschlossen die Mitglieder die der räumlichen Erweiterung entsprechende Umbenennung in Metropolregion Mitteldeutschland. Im Jahr 2010 wurden schließlich auch die Städte Gera und Dessau-Roßlau Mitglied und eine Neuausrichtung wurde eingeleitet.

Im März 2013 gab dann die Verwaltung der Stadt Dresden bekannt, dass die sächsische Landeshauptstadt aus der Metropolregion austritt.

“Meine Heimatstadt Dresden sollte ihren Austritt aus der Metropolregion Mitteldeutschland dringend noch einmal überdenken. Die bessere Zusammenarbeit der Stadt Dresden mit ihrer Region ersetzt nicht die Zusammenarbeit in der Metropolregion. Mehrere Experten kritisierten zudem, dass die Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz den Austritt aus der Metropolregion quasi im Alleingang beschlossen und vollzogen hat. Dass der Stadtrat nicht mit einbezogen werde, sei bundesweit unüblich”, sagte nach der Anhörung die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Landtag, Eva Jähnigen. “Eine besondere und stärkere Bedeutung könnte die Metropolregion beispielsweise durch eine noch engere Abstimmung bei Infrastrukturprojekten erhalten. Aktuell wird und muss die Metropolregion Mitteldeutschland eine starke Lobby für eine bessere Bahnanbindung ihres Kernraumes durch ein Mitte-Deutschland-Netz sein. So könnte sie die Grundlagen für die Verwirklichung eines integralen Taktfahrplanes legen.”

Womit sie auch die Schwächen des Netzwerkes anspricht: Es wird zu selten als markante Lobby für die heimischen Wirtschaftsstrukturen hörbar. Und um die sollte es allen drei Bundesländern, in denen die beteiligen Städte liegen, jetzt erst recht gehen.

“Die Sachverständigen haben eindringlich auf die Notwendigkeit der Metropolregion Mitteldeutschland hingewiesen. Verbesserungsbedarf sehen sie bei der Ausrichtung, insbesondere bei der Einbeziehung und Zusammenarbeit mit den jeweiligen Kommunalparlamenten sowie Landkreistagen”, so Jähnigen. “Die jetzige Neuaufstellung der Metropolregion bietet vielfältige Chancen für ganz Sachsen. Die einzelnen Städte innerhalb ihrer Regionen sind nur gemeinsam und nicht mehr allein international wettbewerbsfähig. Dafür brauchen sie eine starke Kooperation, wie insbesondere Jakob Richter, Geschäftsstellenleiter der Metropolenregion Hamburg, mit Blick auf die Erfahrungen in seiner eigenen Region betonte.”

Den Antrag gestellt, dass sich der Innenausschuss des Landtages mit der Entwicklung und Stärkung der Metropolregion Mitteldeutschland befasst, hatte die Linksfraktion. Und schon das ist eine Beschäftigung auf einer Ebene, die der Metropolenverbund so noch nicht erfahren hat.

“Durch alle Experten wurde unisono begrüßt, dass sich der Sächsische Landtag auf Antrag meiner Fraktion mit dem Thema der Europäischen Metropolregion Mitteldeutschland befasst. Dies sei, so die Sachverständigen, ein wichtiger Beitrag, um die Bedeutung des Kooperationsnetzwerks für die wirtschaftliche, kulturelle, verkehrliche und touristische Entwicklung der länderübergreifenden Region mit den Städten Leipzig, Halle, Chemnitz, Zwickau, Jena, Gera, Dessau-Roßlau und den sie umgebenden Landkreisen zu unterstreichen und zu unterstützen”, sagt dazu Enrico Stange, Sprecher der Fraktion Die Linke für Landesentwicklung und Infrastruktur. “Neben den Hindernissen, die aus den Eigeninteressen und Eigenansichten der beteiligten Kommunen entstehen, gibt es auch Hindernisse aufgrund der unterschiedlichen landesrechtlichen Regelungen. Nachdem nun bedauerlicherweise Magdeburg und Dresden aus der Metropolregion ausgetreten sind und Erfurt beschlossen hat, ihr nicht beizutreten, benötige die Metropolregion Mitteldeutschland die Unterstützung aus der Politik auf Landes-, Kreis- und kommunaler Ebene, um mit Schwung vor allem in die Phase der Neuausrichtung der Europäischen Förderperiode ab 2014 zu gehen.”Dringend erforderlich sei, neben der vertieften Kooperation der beteiligten Städte und Landkreise auch die Mitarbeit von Bürgerinnen und Bürgern, Verbänden und Vereinigungen der Zivilgesellschaft und der Kommunalvertreter/innen in den Strukturen der Metropolregion zu stärken. Der Verbund braucht dringend eine breitere Unterstützung. Und zwar grenzüberschreitend. Stange: “Der durch die Linksfraktion zum Abbau rechtlicher und verwaltungstechnischer Hindernisse bei der vertieften Kooperation über die Ländergrenzen hinweg in die Diskussion getragene Staatsvertrag zwischen Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen kann aus der Erfahrung der Metropolregionen Hamburg und Rhein-Neckar als ein sinnvoller Baustein angesehen werden, der als Beitrag der Länder zielführend wäre.”

So sieht es auch Petra Köpping, wirtschaftspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag: “Die Metropolregion braucht mehr Rückenwind durch die Länder. Zum einen müssen die jeweiligen Landesentwicklungsplanungen ihre Schwerpunkte noch deutlicher als bisher auf die länderübergreifende Zusammenarbeit ausrichten. Außerdem brauchen wir einen gemeinsamen Fonds für die Metropolregion, in den die Länder genauso wie die Kommunen einzahlen, um damit gemeinsame Projekte zu finanzieren.”

“Aber auch für die Wirtschaftsförderung – insbesondere für die neue EU-Förderperiode ab 2014 – ist eine enge Zusammenarbeit über die Ländergrenzen hinweg dringend erforderlich”, betont Köpping. Auch wenn die Metropolregion scheinbar eine Parallelveranstaltung zur Wirtschaftsinitiative Mitteldeutschland ist, haben beide dasselbe Ziel: die Stärkung eines gemeinsamen Wirtschaftsraumes. Nicht zufällig waren es Leipzig und Halle, die an der Wiege der Metropolregion standen: Sie spüren am deutlichsten, was es heißt, wenn Förder- und Verwaltungsgrenzen gleich hinter der Stadtgrenze Kooperationen und Entwicklungen verhindern.

Köpping: “So wurde in der Anhörung besonders deutlich, dass die interregionale Zusammenarbeit für die Vergabe von EU-Mitteln immer wichtiger wird. Die neue EU-Förderung wird bevorzugt interregionale Netzwerke fördern. Hier kann die Metropolregion eine zentrale Rolle übernehmen. Dafür müssen aber auch die operationellen Programme für die Vergabe von EU-Mitteln, wie sie derzeit erarbeitet werden, entsprechend angepasst werden und länderübergreifende Projekte mit einbeziehen.”

Für sie ist eines ziemlich sicher: “Die Metropolregion Mitteldeutschland wird im internationalen Standortwettbewerb nur punkten können, wenn sie ihre gemeinsame Außendarstellung verbessert und zu einer gemeinsamen Öffentlichkeitsdarstellung findet. Es kann doch nicht sein, dass z.B. bei der derzeit in München stattfindenden Messe Expo Real die Metropolregion nicht mit einem eigenen Stand vertreten ist, sondern sich Thüringen separat präsentiert. Wenn sich das nicht ändert, werden wir im internationalen Wettbewerb immer mehr den Anschluss verlieren.”

Und damit ist eigentlich alles gesagt.

International wettbewerbsfähig ist nur der gemeinsame Wirtschaftsraum Mitteldeutschland. Und wenn das Konstrukt der Metropolregion scheitert, sieht es für alle drei Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen trübe aus. Sie sprechen ja nicht mal auf Bundesebene mit gemeinsamer Stimme, sondern konkurrieren um immer schmalere Fördertöpfe und Zuweisungen.

Eine Alternative wäre dann noch die vom sachsen-anhaltinischen Landtagsabgeordneten Bernward Rothe gestartete Volksbegehren für einen Zusammenschluss der drei Bundesländer. Ein Vorstoß, der die Entscheidungen dann zumindest nicht mehr einzelnen Lokalpolitikern überlässt, sondern Politik zu einem gemeinsamen Denken und Handeln für die ganze Region zwingt.

Dazu passt aber auch ein gemeinsamer Antrag von Grünen und Linken im Leipziger Stadtrat, die den OBM auffordert, die Metropolregion mit einer neuen Initiative voranzubringen. Hier ist der Antrag: http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/9A4FD27EDBEBA073C1257B8F002D6F57/$FILE/v-a-441-bsdblrv.pdf

Zum Volksbegehren: www.neugliederung-bundesgebiet.de/volksbegehren-mitteldeutschland/

Die Metropolregion Mitteldeutschland: www.region-mitteldeutschland.com

Die Wirtschaftsinitiative Mitteldeutschland: www.mitteldeutschland.com

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