Einmal mehr mahnte am 10. September der Vorstand der Leipziger Strombörse EEX, Peter Reitz, eine Reform des EEG an. "Dass die Umlage für Erneuerbare Energien höher ist als der Marktpreis für Strom, ist kein sinnvoller Zustand. Wir erwarten, dass die Schere noch weiter auseinandergehen wird, wenn es zu keiner Reform des EEG kommt", sagte er am Dienstag.

Auf den ersten Blick nichts Neues. Gerade Politiker von CDU und FDP fordern seit Monaten nichts anderes, machen damit Wahlkampf und halten den raschen Ausbau der alternativen Energieerzeugung für des Teufels. Um einmal den wirtschaftspolitischen Sprecher der FDP-Fraktion im Sächsischen Landtag, Torsten Herbst, zu zitieren: “Angesichts der übereilten und nun inzwischen völlig aus dem Ruder laufenden Energiewende gibt es zur sächsischen Braunkohle als einem der wenigen verbliebenen grundlastfähigen Energieträger keine Alternative. Und der Bedarf wird in den kommenden Jahren sogar steigen.”

Übereilt und aus dem Ruder gelaufen?

Gesagt hat es Herbst übrigens im Zusammenhang mit einem Gutachten zum Tagebau Nochten in der Lausitz, das dessen Unsinnigkeit belegte. Dass der Verband der Erneuerbaren Energien (VEE) dabei Position bezogen hatte, fand er noch viel schlimmer. In keinem anderen Bundesland versucht die offizielle Politik ausgerechnet den umweltschädlichen Braunkohlestrom so als Alternative und langfristige Energiebasis zu verkaufen wie in Sachsen. Das kann man als Lobbyarbeit verstehen. Als Zukunftspolitik ist es unsinnig.

Schon jetzt produzieren sächsische Braunkohlekraftwerke mehr Strom, als in Sachsen verbraucht werden kann. Er wird billig an der Strombörse EEX in Leipzig gehandelt, drückt damit die Strompreise und sorgt dafür, dass die Schere zwischen den vom Staat garantierten Abnahmepreisen für alternativ erzeugten Strom und den Erlösen an der Börse immer weiter auseinanderklafft.

Oder noch deutlicher formuliert: Mit der Förderung von Kohlestrom hebelt der Staat selbst die EEG-Umlage aus. Weil aber nicht der Staat, sondern die Stromkunden die Differenz zahlen müssen, steigen – so seltsam das klingt – die Strompreise. Oder noch ein wenig mehr zugespitzt: Mit der EEG-Umlage wird tatsächlich auf diesem cleveren Umweg Kohlestrom subventioniert.

Tatsächlich müsste, um die EEG-Umlage stabil zu halten – die Kohlestromerzeugung deutlich zurückgefahren werden. Die Kohlekraftwerksbetreiber wissen das – und gehen bei den Regierungen Sachsens, Brandenburgs und Sachsen-Anhalts fast wöchentlich zum “klärenden Gespräch”.

Die EEG-Umlage steigt nicht deshalb, weil das einst von Rot-Grün beschlossene Gesetz nicht funktioniert, sondern weil Schwarz-Gelb an dem Gesetz und seinen Rahmenbedingungen in den letzten Jahren immer wieder herumgedoktert haben.- Genau das kritisiert Reitz: “Die großen Energieunternehmen und die großen Banken klagen, dass sie keine Planungssicherheit haben.”

Dass die großen Energieunternehmen klagen, daran sind sie selbst schuld: Sie haben die Politik in den vergangenen Jahren nach Strich und Faden hofiert und die größten ihrer Wünsche auch immer erfüllt bekommen. Bis hin zur Verhinderung der dringend notwendigen Verknappung der CO2-Zertifikate.Die EEX hat zu dem Problem schon im Juni ein Thesenpapier aufgelegt. Die beiden wichtigsten Punkte darin sind die Punkte 1 und 8.

Punkt 1 lautet: “Energiemärkte brauchen einen verlässlichen politischen Ordnungsrahmen. Die ordnungspolitischen Rahmenbedingungen müssen klar und langfristig verlässlich sein. Das Marktpreissignal – der Börsenpreis – als Entscheidungskriterium ist umso stärker, je klarer und verlässlicher der politische Ordnungsrahmen ist.” Mit dem Herumbasteln am EEG-Gesetz und all den Ausnahmegeschenken nicht nur für energieintensive Unternehmen hat die Bundesregierung diesen Ordnungsrahmen gesprengt.

Punkt 8: “Europäischen Emissionshandel als Klimaschutzinstrument mit 2030 – Ziel stärken. Für die Zukunft des Emissionshandels als akzeptiertes Klimaschutzinstrument sind eindeutige Rahmenbedingungen, ambitionierte Reduktionsziele und die Beteiligung möglichst vieler Staaten und Branchen notwendig. Es braucht ambitionierte Emissionsreduktionsziele für den Zeithorizont bis 2030 mindestens auf europäischer Ebene”.

Aber die Emissionsreduktion kann nur durch eine Verknappung und Verteuerung der mit der großen Schaufel zugeteilten CO2-Zertifikate erreicht werden. Mit der Verhinderung dieser Verknappung auf europäischer Ebene bleibt Kohlestrom weiter konkurrenzfähig. Und da die Kraftwerke alle schon stehen und zum größten Teil längst abgeschrieben sind, ist der Markt dicht. Der Bau von Gaskraftwerken, die als regelbare Kraftwerke tatsächlich eine bessere Übergangstechnologie wären, ist kaufmännisch nicht mehr darstellbar. Das seltsame Ergebnis: Die großen Energiekonzerne planen stattdessen wieder Kohlekraftwerke.

Unterstützung bekommt Reitz für seine Aussagen jetzt auch von den Leipziger Grünen. “Wir stimmen den Aussagen von EEX-Chef Peter Reitz im Kern zu. Wir brauchen dringend eine Reform des EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz), um die Energiewende voranzubringen und nicht – wie von Schwarz-Gelb betrieben – abzuwürgen. Allerdings braucht es dafür mehrere Schritte. Eine überstürzte Einführung der erneuerbaren Energien in den Markt ist zu riskant”, sagt Jürgen Kasek, Vorstandssprecher des Kreisverbandes Leipzig von Bündnis 90/Die Grünen.

Klar sei, dass Strom aufgrund der erneuerbaren Energien an der Strombörse so niedrig gehandelt werde, wie noch nie. Nur aufgrund der Misswirtschaft der Bundesregierung stiegen die Strompreise dennoch an. Dies liege aus Sicht der Grünen vor allem auch daran, dass Schwarz-Gelb die Umlagenbefreiung auf die Spitze getrieben habe. Für viele mittelständische Unternehmen sei es sinnvoller, mehr Strom zu verbrauchen, als Strom zu sparen – auch wenn dieser nicht gebraucht werde – um in den Genuss der Umlagebefreiung zu kommen.

Auch gebe es weiterhin in Deutschland massive Überkapazitäten im Strommarkt, so dass deutscher Strom zum Teil für Ramschpreise nach Europa verkauft werde. Der von der Bundesregierung geförderte Ausbau der Kohleverstromung stelle die Ziele der Energiewende aber endgültig auf den Kopf.

Wenn unsere europäischen Nachbarn feststellten, dass die Energiewende in Deutschland nicht etwa zu einem massiven Ausbau der erneuerbaren Energien führe, sondern stattdessen – von Schwarz- Gelb protektioniert und subventioniert – die klimaschädliche Braunkohle ihre schmutzige Renaissance feiere, “reiben die sich verwundert die Augen”, ist Kasek überzeugt.

“Vor diesem Hintergrund sind die Wahlplakate der FDP, die fordern, dass Strom bezahlbar sein muss, glatte Wählertäuschung und die Forderung ‘Umweltschutz statt Ökohysterie’ eine bodenlose Unverschämtheit”, erregt sich Kasek. “Besonders die FDP ist als Regierungspartei, mit ihrer Lobbypolitik für massive Umweltzerstörung und den Anstieg des Strompreises, eine der Hauptverantwortlichen für dieses Szenario.”

“Gerade in Leipzig ist die Frage des Strompreises zuallererst eine soziale Frage”, ergänzt Monika Lazar, sächsische Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen zur Bundestagswahl. “Deswegen muss es vor allen Dingen um eine intelligente Weiterentwicklung des EEG gehen, was bedeutet, dass es weiterhin eine Investitionssicherheit für erneuerbare Energien geben muss und auf der anderen Seite die Privilegien deutlich abgebaut werden müssen. Das würde Privathaushalte und klein- und mittelständische Unternehmen um 4 Milliarden Euro entlasten. Die Lasten müssen gerecht verteilt werden. Außerdem muss die indirekte Subventionierung der klimaschädlichen Braunkohle gestoppt werden. Was bedeutet, dass auch das Bergrecht dringend geändert werden muss. Dass es in Sachsen immer noch zur Abbaggerung von Dörfern, wie Pödelwitz im Landkreis Leipzig und Zerstörung der Natur kommt – und das von einer Partei betrieben, die sich christlich nennt und damit den Erhalt der Schöpfung im Programm hat – ist ein Unding”, so Lazar weiter.

Das energiepolitische Eckpunktepapier der EEX: https://cdn.eex.com/document/137478/20130618_EEX%20Energiepolitische%20Eckpunkte_DE.pdf

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