In der Sachverständigen-Anhörung am Donnerstag, 4. Juli, im Innenausschuss des Sächsischen Landtags soll der Entwurf eines "Gesetzes zur Fortentwicklung des Kommunalrechts" der Fraktionen CDU und FDP (Drucksache 5/11912) besprochen werden. Eingebracht haben ihn CDU und FDP im Mai. Und ein neu eingefügter Paragraph zu kommunalen Unternehmen hat jetzt die Linksfraktion im Landtag alarmiert.

“Anfang Mai 2013 erhielten die Landtagsabgeordneten in Sachsen diese umfangreiche Novelle des sächsischen Kommunalrechts. Die geplanten 165 Änderungen in der Kommunalgesetzgebung haben entscheidende Auswirkungen auf die Städte, Gemeinden und Landkreise sowie deren Einwohnerinnen und Einwohner”, stellt die kommunalpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, Marion Junge, dazu fest. “Deshalb fordere ich die CDU/FDP- Koalition auf, das Gesetzgebungsverfahren zu entschleunigen und allen Landtagsfraktionen und kommunalen Gremien genügend Zeit für eine sachkundige Beratung der zu ändernden Kommunalgesetze (SächsGemo, SächsLKrO, SächsKomZG, KomWG, SächsBG) zu gewährleisten.”

Die Fraktion Die Linke sieht unter anderem dringenden Veränderungsbedarf im Gemeindewirtschaftsrecht. Das Gesetz – als § 94a SächsGemO – eingeschoben – räumt den Privatunternehmen bei gleicher Qualität, Zuverlässigkeit und gleichen Kosten einen Vorrang gegenüber kommunalen Unternehmen ein.

“Die Privatisierung von kommunalen Aufgaben hat gerade in den vergangenen 20 Jahren gezeigt, dass Kosten maßgeblich stiegen, Qualität der Leistung häufig abnahm und der kommunale Einfluss sich wesentlich verringerte. Deshalb fordert die Fraktion Die Linke gleiche Rahmenbedingungen für kommunale und private Unternehmen ohne ein Privileg ‘Privat vor Staat’!”Der § 94a ist tatsächlich ein Paragraph, der die Handlungsspielräume von Kommunen drastisch einschränkt.

Der volle Wortlaut: “(1) Die Gemeinde darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben ein wirtschaftliches Unternehmen ungeachtet der Rechtsform nur errichten, übernehmen, unterhalten, wesentlich verändern oder sich unmittelbar oder mittelbar beteiligen, wenn
1. der öffentliche Zweck dies rechtfertigt,
2. das Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zum voraussichtlichen Bedarf steht und
3. der Zweck nicht besser und wirtschaftlicher durch einen privaten Dritten erfüllt wird oder erfüllt werden kann.”

Das Einzige, was ausgenommen wird, steht unter Punkt (3): “Wirtschaftliche Unternehmen im Sinne dieses Gesetzes sind nicht
1. Unternehmen, mit denen die Gemeinde ihrer Verpflichtung zur Wasserversorgung sowie Abwasser- und Hausmüllentsorgung nachkommt,
2. Hilfsbetriebe, die ausschließlich zur Deckung des Eigenbedarfs der Gemeinde dienen.”

Gerade der Punkt, den Marion Junge explizit herauspickt – wenn der “Zweck nicht besser und wirtschaftlicher durch einen privaten Dritten erfüllt wird oder erfüllt werden kann” – wirkt darin wie ein trojanisches Pferd. Er bevorteilt private Bewerber auch dann, wenn die Betriebe in Gemeindebesitz genauso leistungsfähig sind. Da könnte man durchaus fragen: Ist so ein Passus überhaupt mit dem europäischen Wettbewerbsrecht vereinbar? Oder stellt es dieses Recht nicht sogar auf den Kopf – zum Nachteil der Kommunen?

Und wie sehr verwandelt sich diese neue Kommunalordnung dadurch zu einem Instrument, mit dem das Land in kommunale Hoheiten eingreifen kann? Etwa wenn es zu verhindern gilt, dass Kommunen wieder eigene Stadtwerke gründen oder ihre Stromnetze in eigene Regie nehmen wollen usw.? Und wie definieren sich so vage Aussagen wie “besser und wirtschaftlicher”? – Reicht es dann schon, wenn ein Privatanbieter die Preise der Kommunalunternehmen unterbietet, und schon hat er den Auftrag?

Ganz sachte schleicht sich hier das sächsische wirtschaftsliberale Denken auch in die Kommunalverfassung ein. Und zu Recht vermisst die Linksfraktion hier auch Dinge wie Verantwortung und Nachhaltigkeit. Und dass aus dem Komplex der kommunalen Daseinsfürsorge nur Wasser, Abwasser und Müllentsorgung genannt werden, gibt ebenfalls zu denken.

Marion Junge: “Kommunale Unternehmen stärken den lokalen Wirtschaftsstandort und sichern kommunale Handlungsspielräume und Beschäftigung. Die Bürgerinnen und Bürger können darauf vertrauen, dass kommunale Unternehmen nicht nur im eigenen Interesse, sondern nachhaltig zugunsten der örtlichen und regionalen Gemeinschaft handeln. Die Fraktion Die Linke setzt sich deshalb für starke Kommunalunternehmen in allen Bereichen der kommunalen Daseinsvorsorge ein und wird sich massiv gegen den Versuch von CDU und FDP wehren, deren wirtschaftliche Betätigungsfelder einzuengen.”

Aber wenn das so ist, ist auch der Galopp verständlich, mit dem Schwarzgelb diese Gesetzesänderung jetzt durchziehen will. Man will “Nägel mit Köpfen” machen, bevor es die politischen Mehrheiten vielleicht nicht mehr zulassen.

Den Entwurf zu “Gesetz für die Fortentwicklung des Kommunalrechts” findet man hier: http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=11912&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=1

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