Drehen sich himmelwärts gewandte Stoßgebete wieder einmal um die schmerzhaft vermissten Direktverbindungen vom Flughafen Leipzig/Halle zu großen Airports in der Welt, richten sich die Wünsche meist auf London, Paris oder Amsterdam. Selten auf Istanbul. Warum eigentlich? Denn dort, an der Nahtstelle von Europa und Asien tut sich - mit massiver Förderung durch den ehrgeizigen türkischen Staat - eine Menge in Sachen Luftfahrt.

Und deshalb wurde mit der vor genau einem Jahr eröffneten Direktverbindung von Leipzig/Halle nach Istanbul wohl mehr aufgeschlagen als nur eines der zahlreichen Probekapitel im Geschäft mit neuen Linien.

An zwei Stellen in der Welt ist zu erleben, dass die zuständige Feuerwehr aus zwei gegenüber postierten Löschtanks Hochdruckfontänen zu einem herrlichen, himmelwärts gewandten Bogen aufbaut – beim Einlaufen der stolzesten Cunard-Luxusliner in den New Yorker Hafen und bei der Ankunft türkischer Linienmaschinen zu markanten Ereignissen am Flughafen Leipzig/Halle. Das war so am 28. Mai 2012 zum Eröffnungsflug von Turkish Airlines, aber auch am 28. Mai 2013 bei der Feier des ersten Jahrestages dieser Verbindung in die weite Welt. “Osmaniye” hieß der Airbus A 320, dem der Dienst an diesem Tag übertragen wurde. Schöner und symbolträchtiger ging es nicht.

Turkish Airlines denkt und handelt strategisch. Verschiebt sich die globale Achse der wirtschaftlichen Stärke in den Südosten der Welt, avanciert Istanbul zum geeigneten Umstiegs- und Einstiegspunkt in die neuen Märkte. Keine andere Fluggesellschaft der Welt fliegt heute so viele Ziele in so vielen Ländern auf dem ganzen Globus an wie Turkish Airlines. Ganz Südostasien gerät auf diese Weise in den Radius schneller Erreichbarkeit ab Leipzig/Halle. Ganz zu schweigen von Kasan, Baku, Astana oder Taschkent, die sich der im deutschen Osten sozialisierte Mensch immer noch hauptsächlich nach einem Umsteigen in Moskau erfliegen will. Muss nun aber nicht mehr sein; es geht auch ohne Umweg via Istanbul. Und damit fischt Turkish Airlines im interessanten Segment der Geschäftsreisenden.
Mit 86 Prozent Auslastung fliegt Turkish Airlines von und nach Mitteldeutschland. Das ist nach nur einem Jahr ein exzellenter Wert. Denn die Verbindung spricht Kunden weit über die unmittelbare Zielregion hinaus an. Auch der Großraum Berlin und Teile Polens und Tschechiens verstärken das Einzugsgebiet. Und so kommt der oberste Sachwalter von Turkish Airlines in Schkeuditz, Hayrullah Türhan, gar nicht umhin, freundlich-hintersinnig zu lächeln, wenn ihn der sächsische Verkehrs-Staatssekretär Roland Werner und der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung regelrecht beknien, doch recht bald neben der mittlerweile täglichen Istanbul-Verbindung im Flugplan noch eine zweite Frequenz pro Tag vorzusehen. Sowohl Türhan als auch Markus Kopp, Chef der Mitteldeutschen Airport Holding, wissen längst, dass diese Verstärkerfrequenz spätestens im Sommer 2014 kommen und viele Umsteigebeziehungen in Istanbul erleichtern wird. Damit lässt sich die für 2013 angepeilte Zielmarke von 100.000 Passagieren auf der Linie an den Bosporus wohl deutlich hochschrauben.

Und dann gibt es auch noch das Logistik-Netzwerk Leipzig/Halle, das sich nach Frachtflügen des neuen Lieblings der regionalen Verkehrs- und Wirtschaftspolitiker sehnt. Ein Luftfrachter aus Istanbul war in diesem Frühjahr ja schon hier und wurde in Windeseile abgefertigt, um mit guten Erfahrungswerten und Kooperationsbotschaften die gewollte Verstärkerwirkung bei den Linienplanern zu entfalten.

Eine schöne Ansprache hat Hayrullah Türhan zum ersten Jahrestag der Istanbul-Verbindung gehalten. Auf viele Punkte gingen seine Nachfolger auf der Rednerliste diplomatisch ergeben ein. Nur einen der von Türhan angetippten Aspekte griff kein anderer auf. Eine Krise der deutschen Regionalflughäfen wollte der türkische Airline-Manager nicht sehen. Leipzig/Halle ein deutscher Regionalflughafen im Kreis von insgesamt zwölf Liniendestinationen, die von Turkish Airlines bundesweit angeflogen werden? Da wollte “unser” Flughafen doch schon wesentlich mehr sein. Aber vielleicht ist es ja gerade die Entschlossenheit der Türken, die Leipzig/Halle hilft, einen Sprung nach oben in der Wertigkeit zu erreichen.

Wie viele Linien zu noblen Zielen wurden in den vergangenen Jahren bereits ausprobiert und wieder aufgegeben? Manches schien wirklich nur getürkt. Doch mit Turkish scheint sich das Blatt zu wenden. Die dynamische Airline ist in eine Marktlücke geflogen, die andere hinterlassen haben. Das wird nicht unbemerkt bleiben. Oberbürgermeister Jung schickte seine Gefühle gleich wieder auf Steigflug. Mit Turkish Airlines sei Leipzig “deutlich besser angebunden an die Welt.” Eine deutsch-türkische Absichtserklärung mit der Messe soll schon in zwei Wochen für weitere verbindende Wirkungen sorgen.

Übrigens entsteht am südöstlichen Ende der neuen sächsisch-osmanischen Rennstrecke gerade ein Flughafen, der in seiner ersten Ausbaustufe für 100 Millionen Passagiere pro Jahr Istanbul schon 2017 in den Rang der großen globalen Drehkreuze wuchten soll. Und weil die Türken all ihre ambitionierten Luftverkehrsziele in den letzten Jahren erreicht haben, schweifen die Gedanken bei so viel Entschlossenheit und Termintreue eben nicht nur zum Flughafen LEJ ab …

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