Dass derzeit die Stromkosten in Deutschland explodieren, hat wenig mit der "Energiewende" zu tun, aber viel mit einer seit acht Jahren komplett fehlenden politischen Lenkung des Umbauprozesses. An wesentlichen Stellen wird sogar gemauert und gebremst, was die Mehrheiten hergeben. Im Ergebnis fehlt es auch an den längst benötigten Übertragungstrassen und Speichermöglichkeiten. Wenigstens beim Trassenausbau soll es jetzt voran gehen.
Der Neubau von länderübergreifenden Höchstspannungstrassen wird nicht länger Ländersache sein. Waren bisher alle betroffenen Landesbehörden in den Genehmigungsprozess involviert, wird künftig einzig die Bundesnetzagentur (BNetzA) für die Genehmigung zuständig sein. Mit dieser Vorgehensweise soll der für die Energiewende nötige Netzausbau beschleunigt werden, wie es die Bundesregierung so schön formuliert, nachdem die beiden zuständigen Minister mittlerweile zugestanden haben, dass in den letzten Jahren tatsächlich wenig bis gar nichts voranging.
Das Projekt wurde in interministeriellen Fehden und Kompetenzstreit zerrieben. Im Ergebnis fühlte sich auf Bundesebene niemand verantwortlich. Nicht einmal die starken Netzschwankungen von 2012, die auf ein Überangebot von Strom zurückgingen, sorgten für Bewegung in den Ministerien. Das besorgten dann erst die saftigen Strompreiserhöhungen per 1. Januar 2013, die die Wirtschaftskammern landauf, landab Alarm rufen ließen. Denn nicht alle Unternehmen können sich von Netzentgelten und EEG-Umlage befreien lassen. Ein Teil der Wirtschaft zahlt mittlerweile genauso wie die Privathaushalte die Zeche für das achtjährige politische Unvermögen.
Beschleunigt werden soll der notwendige Netzausbau nun auch durch eine Verkürzung des Rechtsweges für Betroffene, die sich juristisch gegen derlei Netzausbauprojekte zur Wehr setzen wollen: Statt der bislang drei möglichen Instanzen soll künftig nur noch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig als erste und letzte Instanz entscheiden. Insgesamt sind im Bundesbedarfsplangesetz 36 Netzinvestitionsprojekte, davon 21 länderübergreifende Vorhaben, festgeschrieben.
Mit dem Entwurf für das Bundesbedarfsplangesetz – voraussichtlich wird das Gesetz Mitte 2013 in Kraft treten – will die Bundesregierung beim Ausbau des Übertragungsnetzes endlich vorankommen. Durch die Abschaltung von Atomkraftwerken, den Zuwachs von erneuerbaren Energien und den Bau neuer konventioneller Kraftwerke muss der Strom zum Teil lange Wege in die dichtbesiedelten Industrieregionen zurücklegen. Zudem müssen die Übertragungsnetzbetreiber in sonnen- und windreichen Zeiten (Windkraft und Photovoltaik) immer häufiger Engpässe im Stromnetz ausgleichen. Laut Netzentwicklungsplan müssen im deutschen Stromnetz 2.900 Kilometer optimiert und weitere 2.800 Kilometer neu gebaut werden. Deshalb habe man sich als Ziel gesetzt, die bisherigen Planungs- und Bauzeiten von derzeit zehn Jahren auf vier Jahre zu verkürzen, wie Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) jüngst im Bundestag sagte.
“Der Ausbau des Übertragungsnetzes ist zweifellos der Schrittmacher der Energiewende”, erklärt dazu Katharina Hitschfeld, Geschäftsführerin der Leipziger Unternehmensberatung Hitschfeld Büro für strategische Beratung. “Deshalb ist die Verkürzung der Genehmigungsverfahren ein Schritt in die richtige Richtung.”Doch bei aller Euphorie dürfe nicht der Eindruck entstehen, so die Beraterin weiter, die Betroffenen würden überrumpelt und die Vorhaben durchgepeitscht. Wie sensibel das Thema in der Umsetzung ist, haben alle vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) schon bei verschiedenen Leitungsbauprojekten in allen Teilen des Landes erfahren müssen. Die Sicherung von Akzeptanz in der Öffentlichkeit werde deshalb im Zuge der beschleunigten Verfahren noch wichtiger sein denn je.
Katharina Hitschfeld: “Wenn das Genehmigungsverfahren vereinfacht und verkürzt wird, dann muss der Projektkommunikation umso mehr Platz eingeräumt werden. Dabei sollte geregelt sein, wie formale Informations- und Beteiligungspflichen mit zusätzlichen informellen Dialog- und Partizipationsangeboten verknüpft werden können.”
In der Pflicht seien dabei in erster Linie die vier Netzbetreibergesellschaften. Sie müssten ihre Projekte frühzeitig vor Ort vorstellen, für einen steten Informationsfluss in allen Phasen des Vorhabens sorgen und die Betroffenen “mitnehmen”. Nur so ließe sich Akzeptanz aufbauen und sichern. Denn fest stehe: Akzeptanz ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Durchführung von Investitionsprojekten. Im Großen (man nehme nur das Bahnhofsprojekt “Stuttgart 21”) oder auch im Kleinen (wie bei jedem neuen Supermarkt im Wohngebiet).
Dass die Gewinnung von Akzeptanz zu den dringlichsten Aufgaben bei der Durchführung von Großprojekten gehört, unterstreichen die Ergebnisse der laufenden Studie “Akzeptanz von Projekten in Wirtschaft und Gesellschaft”, die von der Unternehmensberatung Hitschfeld seit 2012 monatlich in Auftrag gegeben wird: Sie weist eine deutliche Vertrauenskluft zwischen Wirtschaft und Politik einerseits und der betroffenen Öffentlichkeit andererseits nach.
Hitschfeld: “Dies stellt Politik und Projektverantwortliche schon heute vor große Herausforderungen.”
Die März-Umfrage dieser Studie hatte auch noch etwas anderes deutlich gemacht, was die so gern verwendete politische Etikettierung des “Wutbürgers” als völlig haltlos erscheinen lässt.
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“Bei direkter Betroffenheit würde sich eine große Mehrheit der Deutschen (79 Prozent stimme zu/stimme eher zu) für oder gegen die Durchführung eines Projekts engagieren”, heißt es in der Zusammenfassung der Ergebnisse. “Bei überregionaler Bedeutung und ohne unmittelbare Betroffenheit liegt dieser Wert nur bei 48 Prozent (stimme zu/stimme eher zu). Auf gleich hohem Niveau liegt die generelle Bereitschaft der Deutschen, sich für oder gegen privatwirtschaftliche oder öffentliche Vorhaben, wie den Bau von Windparks, Straßen oder Stromleitungen, zu engagieren (51 Prozent stimme zu/stimme eher zu).”
Heißt im Klartext: Die betroffenen Bürger engagieren sich meist erst, wenn das Projekt direkt ihren Lebensbereich berührt. Die Entscheidungen zu Großprojekten fallen aber zumeist auf “überregionalen” Ebenen. Und entsprechend bedeppert schauen die “Macher” drein, wenn sie vor Ort dann auf Widerstände stoßen, die sie vorher gar nicht wahrgenommen haben. Was eben auch bedeutet: Bei jedem überregionalen Projekt müssen auch alle lokal Betroffenen mitgenommen und in die Beteiligungsprozesse einbezogen werden. Umfragen auf der Meta-Ebene schaffen keine Klarheit.
Was übrigens auch auf Kommunalpolitik zutrifft.
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