Die Bundesbürger bekommen es in ihrem Geldbeutel zu spüren, dass es in der Bundesrepublik zwar so etwas wie eine "Energiewende" gibt, nur niemanden, der das Projekt steuert, die Kosten reguliert und sagt, wo es hingeht. Sachsen spielt in diesem Blinde-Kuh-Spiel seit Anfang an eine eigenartige Rolle, bremst den Ausbau von Wind- und Solarkraft nach allen Kräften aus. Nun stellte Sachsens Wirtschaftsminister Sven Morlok am Montag, 10. September, ein eigenes "Quotenmodell zur Marktintegration erneuerbarer Energien" vor.
Das im Auftrag des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (SMWA) erstellte Gutachten von Prof. Justus Haucap (Universität Düsseldorf) und Prof. Jürgen Kühling (Universität Regensburg) schlägt ein Quotenmodell für Elektrizitätsversorger und bestimmte Letztverbraucher vor. Der Gesetzgeber legt fest, welchen Mindestanteil an EE-Strom sie im Jahresdurchschnitt zu beziehen haben. Pro MWh erzeugtem EE-Strom erhalten die Erzeuger von grünem Strom ein “Grünstromzertifikat”, das handelbar ist. Ob die Verpflichteten (z. B. Stadtwerke) den EE-Strom selbst erzeugen, von Dritten beziehen oder Grünstromzertifikate erwerben, bleibt ihnen überlassen.
Ein durchaus seltsamer Vorschlag, findet die umwelt- und technologiepolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, Dr. Jana Pinka. “Der Sachverständige Haucap vertritt unter anderem die Auffassung, dass Strom aus erneuerbaren Quellen im Netz bei Überkapazitäten teilweise ‘eine Art Müllentsorgung’ ist – eine Haltung, die Staatsminister Morlok gefallen dürfte.”
Doch statt die Befreiung der stromintensiven Unternehmen von den Kosten des Umbaus des Energiesystems zurückzunehmen, hat das Duo augenscheinlich einen neuen Dreh gefunden, die Kosten des Ausbaus der alternativen Energien noch stärker auf den Verbraucher umzulegen. Denn wenn Stadtwerke verpflichtet werden sollen, bestimmte Kontingente an alternativ erzeugtem Strom zu kaufen, landet der Preis zwangsläufig beim Endverbraucher, auch denn, wenn die Unternehmen den Strom vielleicht weiterverkaufen könnten. Was bei einem “vom Strom verstopften Netz” praktisch unmöglich ist. Gerade wenn die alternative Stromproduktion auf Hochtouren fährt – bei prallem Sonnenschein und gutem Wind – ist mittlerweile so viel Strom im deutschen Netz, dass die Preise ins Negative fallen.
In einem Interview für das BDEW-Journal “Streitfragen” opponierte Haucamp 2011 gegen die Einspeisevergütung: “Als Erstes muss der nahezu unbegrenzte Einspeisevorrang fallen. Wir pressen mitunter Strom aus erneuerbaren Quellen ins System, den niemand haben will. Das führt zu negativen Preisen. Mit anderen Worten: Man bekommt Geld dafür, wenn man sich erbarmt, den Strom abzunehmen. Das ist für mich eine Art Müllentsorgung, für die alle Verbraucher zahlen. Das darf so nicht weitergehen.”
Die Energieunternehmen, die den alternativen Strom abnehmen müssen, zahlen aber nicht drauf, weil etwa Solarstrom – wie Sven Morlok erklärt – besonders teurer Strom wäre, sondern weil sie die vom Gesetzgeber garantierte EEG-Vergütung zahlen müssen. Auch dann, wenn der Strompreis in den Mittagsstunden an der Strombörse ins Negative rutscht.Normalerweise genau das, was ursprünglich mit der Energiewende beabsichtigt war: Umweltfreundlich produzierter Strom in rauen Mengen, möglichst genau dann, wenn der Bedarf hoch ist. Nur würde das normalerweise zur Folge haben, dass konventionelle Kraftwerke in dieser Zeit ihre Produktion herunterfahren. Für die Flautezeiten braucht man eben nicht mehr die alten, großen Kraftwerke, die immer Grundlast fahren müssen, sondern flexible Kraftwerke – wie Gaskraftwerke.
Sachsen produziert seit Jahren mehr Strom, als es selbst verbraucht. Aber halt nicht mit Wind und Sonne.
Jana Pinka: “In Sachsen kann eher die Rede davon sein, dass der Braunkohlestrom die Netze verstopft – etwa 1/3 der (ohne Verluste) in Sachsen erzeugten Nettomengen an elektrischer Energie – und damit überwiegend Braunkohlestrom – werden gar nicht hier verbraucht, sondern exportiert.
Dies ist gerade angesichts der Tatsache unverständlich, dass Sachsen mit zahlreichen umweltschädlichen Braunkohlesubventionen agiert – bei Inkaufnahme immer neuer Rutschungen und Grundbrüche, die in den Tagebauregionen der Lausitz und im Leipziger Raum vorkommen und eine touristische Nutzung dieser Regionen erschweren, wenn nicht gar unmöglich machen.”
Der Braunkohleabbau in Sachsen wird seit Jahren stark subventioniert – etwa durch die Nichterhebung der für übrige Bergbautreibende fälligen Feldes- und Förderabgabe und durch die Nichterhebung einer Abgabe “für das Entnehmen, Zutagefördern, Zutageleiten und Ableiten von Grundwasser zur Freimachung und Freihaltung von Braunkohletagebauen, soweit das Wasser ohne vorherige Verwendung in Gewässer eingeleitet wird”. Und auch die Folgekosten des Bergbaus, wenn die Tagebaue saniert werden müssen, um sie für weitere Nutzungen zu erschließen, werden vom Steuerzahler erbracht. In Sachsen wird gern behauptet, Kohlestrom sei nicht-subventionierter Strom.
Und während sich schon alle auf den Urlaub freuten, hat Sachsens Wirtschaftsministerium im Juni die Befreiung des Braunkohlebergbau von den Feldes- und Förderabgaben, die für alle anderen Bergbauarten weiter gelten, bis zum 31. Dezember 2015 verlängert.
Dass Morlok mit so einem Quotenmodell auch den Ausbau der Erneuerbaren Energien weiter bremsen will, verärgert logischerweise auch den Branchenverband VEE Sachsen e.V. “Das vom sächsischen Wirtschaftsminister Sven Morlok vorgeschlagene Quotenmodell verspricht viel, ohne eine konkrete Perspektive aufzuzeigen”, kritisiert der VEE. “So bleibt er die Antwort schuldig, wie das neue Modell sein Hauptziel, die Bezahlbarkeit der Energieversorgung von Privaten und Unternehmen, erreichen soll. Seit dem Jahr 2000 ist der Strompreis je Kilowattstunde um knapp 12 Cent gestiegen, wovon die EEG-Umlage lediglich 3,6 Cent ausmachte.”
Morlok operiere mit einigen falschen Annahmen. So bleibt unerwähnt, dass letztlich der normale Verbraucher über Gebühr belastet wird, da energieintensive Unternehmen – dazu zählen auch die Braunkohletagebaue – größtenteils von den Netzgebühren und der Zahlung der EEG-Umlage befreit sind.
Der Bundesverband für Erneuerbare Energien (BEE) spricht hier von 3,6 Milliarden Euro jährlich. Auch verschweige Morlok, dass ähnliche Modelle bereits in Großbritannien und einigen osteuropäischen Ländern eingeführt wurden, wodurch dort der Ausbau der Erneuerbaren Energien faktisch zum Erliegen kam.
Am kostengünstigsten sei immer noch eine dezentrale Energieversorgungsstruktur, bei der ein Großteil der erzeugten Energie auch regional verbraucht werde und dementsprechend weniger Netze ausgebaut werden müssten.
Nutzen werde dieses Quotenmodell lediglich den großen Energieversorgern. “Es führt zur Betonierung der gegenwärtigen Strukturen der Energieversorgung, die bisher immer dafür gesorgt haben, dass die Strompreise kontinuierlich anstiegen”, kritisiert der VEE. “Auch die Umsetzung von Bürgerbeteiligungsmodellen würde durch den Vorschlag von Minister Morlok unmöglich gemacht. Dabei haben gerade solche Beteiligungsmöglichkeiten in der Vergangenheit dafür gesorgt, dass die Energiewende bei der Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert wird.”
In einem stimmt man mit Morlok überein: Das EEG ist dringend zu überarbeiten. “Aber eine überstürzte kurzfristige Initiative scheint nicht dazu geeignet zu sein, den notwendigen Ausbau der Erneuerbaren Energien auf sichere und vor allem verlässliche Füße zu stellen. Daher sollte das Gesetzgebungsverfahren im überparteilichen Konsens vorangetrieben werden, um die Energiewende gelingen zu lassen.”
Der Vorstoß des Sächsischen Wirtschaftsministers: www.medienservice.sachsen.de
Prof. Dr. Justus Haucap im Interview bei “Streitfragen!”, Magazin des bdew; Ausgabe 02/2011, Seite 9: www.bdew.de
Kleine Anfrage von Kathrin Kagelmann (Die Linke) 5/9583 zu den Feldes- und Förderabgaben: http://edas.landtag.sachsen.de
2§ 23 IV Nr. 6 SächsWasserG: http://revosax.sachsen.de
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