Sie gehören seit 1990 zum Leipziger Sommer, sagt Joachim Borgschulze, Geschäftsführer der Event und Werbeagentur JOBO, die den Wettbewerb der Marktschreier organisiert. Am 1. August baut die Gilde der Marktschreier wieder auf der Straße des 18. Oktober ihre Fahrzeuge auf. "Die Echte", wie Borgschulze betont. Denn eine Zeit lang machten immer wieder neue Konkurrenten seiner Marktschreier-Karawane Konkurrenz.

“Anfangs habe ich mich richtig geärgert”, sagt er am Dienstagmittag zum Pressetermin im Ratskeller. Der Leipziger Auftritt des bunten Truck-Zirkus kündigt sich an. Das fünftägige Spektakel in der Nähe des Völkerschlachtdenkmals hat sich fest im Leipziger Sommerkalender etabliert, gehört dazu wie “Classic Open” und die Konzerte am Bachdenkmal. Passt nicht, protestiert da mancher.

Passt. Der Leipziger ist kein uniformes Wesen. Und mancher, der beim “Classic Open” zufrieden seine Schorle trinkt, der steht Anfang August vor den großen aufgeklappten Trucks von Käse-Rudi, Pasta-Paule und Bananen-Didi. Und lässt sich überzeugen und Beutel oder Korb vollpacken. Denn rechnen können die Leipziger auch. So wie die Reporter vom ZDF, die die Marktschreier im Juni getestet haben. “Heimlich, mit versteckter Kamera”, wie Borgschulze betont. Und er ist auch Wochen später noch glücklich über das Ergebnis, weil es bestätigt, was seine “Gilde der Marktschreier” seit den 1970 als Qualität hinausschreit in die Lande: Die eingekauften Vorräte auf den Lastwagen sind beste Qualität.

“Und wer so durch die Lande fährt und sich damit einen richtig guten Namen macht, der bekommt seine Waren beim Großhändler zum persönlichen Rabatt”, erklärt Borgschulze das Phänomen, warum die Pakete, die Gewürze-Ecki, Kuchen-Karl und Wurst-Achim von den Wagen reichen, um einiges preiswerter sind als im Supermarkt. “Wenn die Jungs mit uns durch die ganze Republik von oben bis ganz nach unten fahren, dann ist das allerbeste Werbung in eigener Sache”, so Borgschulze.
Wurst-Achim kommt natürlich auch mit nach Leipzig. Das ist der Bursche, der nicht nur immer wieder mit neuen Lautstärke-Rekorden auf sich aufmerksam macht. Vor zwei Wochen hat er in Bremen auch noch den amtierenden besten Blumenschreier Europas besiegt. “Da Ereignis haben wir extra organisiert für die beiden”, sagt Borgschulze. “Der Blumen-Michel wollte das unbedingt.”

Blumen-Michel ist Holländer und empfand die Wahl des Schauplatzes in Bremen als Heimvorteil. Wurst-Achim hat trotzdem gewonnen – mit 80 Prozent der Publikumsstimmen.

Um den alljährlichen Wettbewerb der Marktschreier geht es auch in Leipzig. Wie jedes Jahr. Amtierender Meister ist Wurst-Achim, dessen große Leipziger Liebesgeschichte noch heute die Website der “Gilde der Marktschreier” beherrscht. Das ist wohl etwas mehr als ein Zugeständnis an den Boulevard. Denn Marktschreier sind Leute, die leben das Leben der Fahrensleute: drei Tage in Norderstedt, vier in Geesthacht, vier in Düsseldorf. Jede Woche sind sie in einer anderen Stadt, müssen vorher ihre Trucks aufmunitionieren, müssen die Stimme ölen und dann wieder fit sein – vier, fünf Tage am Stück zehn Stunden oben auf ihrem Wagen.
Nach Hause kommen sie nur kurz unter der Woche. Das hält nicht jede Beziehung aus. Und nicht jede Frau macht das mit. Und auch nicht jeder starke Kerl auf dem Wagen hält das ewig durch. Deswegen hört auch schon mal einer wieder auf, übernimmt ein neuer Mutiger das Sortiment. Talente sind immer gesucht. “Die Leute brauchen sich nur bei uns zu bewerben”, sagt Borgschulze.

Bloß ist gut. “Immerhin sind wir die Elite der Marktschreier”, sagt Aal-Axel. Auch der kommt nach Leipzig. Als Geheimtipp. Nach den Abstimmungen in den letzten Stationen (siehe oben) führt er die Wettbewerbsliste nach Punkten an.

Auch die Leipziger dürfen Punkte vergeben. Der offizielle Wettbewerbstermin in Leipzig ist am Donnerstag, 2. August, von 16 bis 18 Uhr. Da schreien dann die zwölf in Leipzig anwesenden Starter, was das Zeug hält. Was so auch wieder nicht stimmt. “Lautstärke ist nicht das Wichtigste”, sagt Borgschulze. Und Aal-Axel nickt dazu. “Wichtig ist, den Leuten eine Show zu bieten, dass sie vor deinem Wagen stehen bleiben. Marktschreierei ist bestes Entertainment.”

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Dazu gehört ab und zu auch eine Neuerung. Aal-Axel bringt eine mit: Heilbutt als Backfisch. Ein paar Jahre lang habe er dafür experimentiert. “Inzwischen habe ich die Panade so weit hingekriegt, dass es klappt.” Das kann man kosten an seinem Wagen.

Offiziell und mit Fassanstich eröffnet wird der Auftritt der Marktschreier am Mittwoch, 1. August, 11 Uhr – mit Marktschreierfrühstück und Freifahrten für die Kleinen auf dem Kinderkarussell. Zum Fassanstich hat sich Steffen Poser, Leiter des Völkerschlachtdenkmals, angekündigt. Quasi der nächste Nachbar für die fünf Tage vom 1. bis 5. August.

Neben den zwölf Trucks der Marktschreier werden auch wieder die vielen Stände der kleinen Händler aufgebaut, die die Straße zum Basar machen. Mittendrin auch ein Leipziger, der 2011 beschlossen hat, mit den Marktschreiern auf Tour zu gehen – aber nicht als Marktschreier: Peter-Michael Elsner, Geschäftsführer der Schmackofatz UG. Seit Aufbruch der Karawane im Januar begleiten zwei seiner Grillstände die Marktschreier, so dass es überall im Land, wo die laute Karawane Station macht, auch Gegrilltes gibt, wie es die fleischverzehrenden Sachsen mögen: Bouletten, Thüringer Bratwurst und Steaks.

Es gibt auch wieder den kleinen Wettbewerb im Krabbenpulen – am Freitag, 3. August, 14 Uhr. Geöffnet hat das Treiben täglich 10 bis 20 Uhr, am Sonntag von 11 bis 19 Uhr. Dann reist der Zug weiter – Richtung Bad Karlshafen, Zweibrücken und Hannover. Zu Ende ist die Marktschreier-Saison erst im November.

Der Marktschreier-Test in der ZDF-Mediarthek:
www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1671604/drehscheibe-am-26.-Juni-2012#/beitrag/video/1671604/drehscheibe-am-26.-Juni-2012

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