Anfang April 2012 verkündete die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) eine neue Strukturreform, die für viele Musikveranstalter exorbitante Gebührenerhöhungen von mehreren hundert bis zu über tausend Prozent bedeuten würden. Diese Pläne verunsichern Musikveranstalter (Clubs, Discotheken), Hoteliers und Gastronomen, da sie oft existenzbedrohend wirken.
“Grundsätzlich ist das Ansinnen der GEMA, elf Tarife zu streichen und künftig nur noch zwei Tarife anzuwenden im Sinne von Transparenz und Vereinfachung ein sinnvoller Schritt. Dies darf jedoch nicht als Vorwand dienen, um existenzgefährdende Tariferhöhungen durchzusetzen”, erklärt Wolfgang Topf, Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Leipzig und Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft der Industrie- und Handelskammern im Freistaat Sachsen. “Im anstehenden Schiedsstellenverfahren beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) sollte daher eine vernünftige Lösung im Sinne der beteiligten Parteien bewirkt werden. Wir schließen uns damit ausdrücklich den Forderungen des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA) an.”
Für Club- und Diskothekenbetreiber liegen die Erhöhungen bei durchschnittlich 400 bis 600 Prozent, für Musikkneipen würden die neuen Tarife sogar Verteuerungen von 1.000 bis über 3.500 Prozent mit sich bringen. So müsste z. B. ein Chemnitzer Gastronom statt bisher ca. 8.500 Euro Jahrespauschale in 2013 über 45.000 Euro zahlen. Eine große Leipziger Diskothek hätte jährliche Mehrkosten von etwa 50.000 Euro aufzubringen. In traditionsreichen, für die touristische Destination Leipzig überaus bedeutsamen Lokalen würden unter diesen Umständen Livemusik-Programme entfallen müssen – mit den entsprechenden Konsequenzen für die fest engagierten Musiker. Eine Umlage der Mehrkosten z. B. auf die Eintrittspreise ist für die Unternehmen keine Alternative, da ansonsten die Kunden ausbleiben würden.
Obwohl die GEMA behauptet, dass Musikveranstaltungen auf kleiner Fläche, mit geringem oder keinem Eintrittsgeld durch die neue Tarifstrukturreform entlastet würden, sind auch Veranstaltungen in der Gastronomie mit Livemusik oder mit Tonträgermusik in kleinen Veranstaltungsräumen und ohne Eintritt negativ von der Strukturreform betroffen. So erhöhen sich die GEMA-Gebühren z. B. für eine Veranstaltung in einem Raum bis 130 qm und ohne Eintritt mit Livemusik von 20:00 bis 1:30 Uhr um 230 Prozent, eine Veranstaltung mit Tonträger/Laptop auf 130 qm ohne Eintritt von 20:00 bis 1:30 Uhr um 181 Prozent.
“Grundsätzlich machen Vorgehensweise und Forderungen der urheberrechtlichen Verwertungsgesellschaften deutlich, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Es bedarf entsprechender Klarstellungen im Urheberrechts- bzw. im Urheberrechtswahrnehmungsgesetz. Das Deutsche Patent- und Markenamt sollte sich daher in die politische Diskussion einbringen”, so Topf.
Die Verwertungsgesellschaften sollten ihre Tarife künftig nicht mehr einseitig festlegen dürfen. Stattdessen sollten sie generell verpflichtet werden, mit anerkannten Nutzervereinigungen zu verhandeln, um idealerweise ein Einvernehmen herzustellen. Vor der Veröffentlichung neuer bzw. veränderter Tarife ist zudem statt einer bloßen Unterrichtung des Deutschen Patent- und Markenamtes ein aufsichtsrechtliches Genehmigungsverfahren durchzuführen, an dem das Bundeskartellamt und die Nutzervereinigungen zu beteiligen sind. Die beim DPMA liegende staatliche Aufsicht über die Verwertungsgesellschaften sollte entsprechend durch die Aufsicht des Bundeskartellamts ergänzt werden, um missbräuchliche Tarifgestaltungen wirksam auszuschließen.
Schließlich ist gesetzlich klarzustellen, dass Tariferhöhungen, die nach Urheberrechtswahrnehmungsgesetz vorgesehenen Verfahren (Schiedsstelle, gerichtliche Geltendmachung, Schlichtung) auf ihre Angemessenheit überprüft werden, bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Verfahren nicht in Kraft treten und somit auch nicht bezahlt werden müssen.
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