Was wird rauskommen beim Ostdeutschen Energieforum, das am 10. und 11. Mai im Congress Center auf der Neuen Messe tagt? Mit hoher Wahrscheinlichkeit: nichts. Man kann keine Visionen entwickeln, wenn man alle einlädt. Die Organisatoren hoffen zwar, dass es klappt, dass das Forum die Politik zu einem sinnvollen Handeln treibt. Aber diejenigen, die am Donnerstag früh um 8 Uhr vor dem CCL demonstrierten, wissen wohl besser, dass es im großen Einheitsbrei nicht vorwärts geht.
Denn da bremsen sich die Akteure gegenseitig aus. Was zwangsläufig ist. Wer 100 Jahre lang mit Kohle gutes Geld verdient hat, wird das auch weiter wollen. Erst recht, wenn seine verantwortlichen Minister mit jeder Rede bestätigen: Klar, geht doch.
Wer seit 40 Jahren die Stromnetze dominiert, wird weiter dominieren wollen. Wer 20 Jahre lang zu den fünf Großen gehört hat – wie Vattenfall, der will auch künftig zu den Großen gehören.
Das letzte Jahr war ein Jahr der Bremser.
“Die Betriebe investieren vorrangig in Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz. Doch die Politik entlastet energieintensive Großunternehmen bei EEG-Umlage und Netznutzungsentgelten und wälzt die Kosten des Netzausbaus auf die kleinen und mittleren Betriebe und Privathaushalte ab. So kann man die Energiewende nicht bewältigen”, kritisierte Ralf Scheler, Präsident der Leipziger Handwerkskammer, die das Energieforum mit vorbereitet hat, im Vorfeld. “Die energetische Gebäudesanierung muss steuerlich gefördert werden. Eine weitere Verzögerung verhindert Investitionen zur Steigerung der Energieeffizienz.”
Doch auch all die Minister, die die Förderung für alternative Energie und Energieeffizienz ausgebremst haben, hat man eingeladen. Vielleicht in dem Glauben, ein Kongress mit deutlichen Forderungen würde diese Minister umstimmen. Dr. Philipp Rösler, Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, zum Beispiel, der die drastische Absenkung für die Solarstrom-Vergütung mit verantwortet. Was binnen weniger Tage dazu geführt hat, dass das Geschäftsmodell eines wichtigen sächsischen Vorzeigeunternehmens, Q-Cells, nicht mehr funktionierte. Am 3. April stellte es Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens.
Natürlich können die Chinesen das alles billiger. Aber das hat mit Effizienz nichts zu tun.
“Der Ausbau der erneuerbaren Energien muss effizienter erfolgen als in der Vergangenheit”, sagt Rösler in seinem Grußwort zum Energieforum. Effizienz ist eins seiner Lieblingsworte. Dass er mit seinem Schnellschuss die Planungsgrundlagen für den Ausbau der Solarkraft kurzerhand vom Tisch wischte, zeigt nur eins: Von Wirtschaft hat der Wirtschaftsminister wenig Ahnung. Sonst würde er im selben Grußwort nicht auch noch sagen: “Aufgabe des Staates ist es in erster Linie, verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen.”
Mit seiner Schnellschuss-Kürzung für die Solarbranche hat er das Gegenteil getan. Dasselbe trifft auf die Befreiung energieintensiver Unternehmen von den Netznutzungsentgelten zu. Verlässlich ist da nichts. Die steigenden Energiekosten müssen jetzt nicht die energieintensiven Unternehmen einpreisen, sondern die Mittelständler und Handwerker. Ihre Beschaffungskosten steigen.
Aber auch andere alternative Energien werden ausgebremst. In Sachsen neben der Solarkraft auch die Windkraft. Die Regierung setzt alle Energie darein, die Fläche für Windparks zu minimieren, statt wie im Nachbarland Brandenburg, das Mögliche auch umzusetzen.
Also gab’s vorm CCL auch einen heftigen Protest der Schweißer vom Windkraftturmhersteller SIAG Leipzig.
Ab 8:30 Uhr verschafften sich rund 100 Mitarbeiter der SIAG Tube & Tower GmbH vor dem Eingang lautstark Gehör. Sie forderten Verbesserungen bei der Umsetzung der Energiewende. Dabei hatten sie einen Sattelschlepper, der mit einem Windkraftturmsegment beladen war.
Auch dieses Unternehmen steckt in der Krise: Seit dem 19. März läuft die vorläufige Insolvenz der SIAG Tube & Tower GmbH Leipzig. Somit stehen etwa 200 Industriearbeitsplätze vor dem Aus. Die Leipziger liefern seit 2006 Windkrafttürme mit exzellenter Qualität an Kunden in der ganzen Welt.
Am 20. März hatte das Unternehmen gemeldet: “Hohe Verluste in den USA, die Unterbeschäftigung in 2010 und 2011 infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise, welche sich bei SIAG nachzyklisch erst im Jahr 2011 auswirkte, sowie Verzögerungen im Projektgeschäft machten den Insolvenzantrag notwendig.”
Im Klartext: Man hat die Krisenfolgen der Weltfinanzkrise noch nicht ganz verkraftet. Denn ohne Kredite lassen sich Windparks nun einmal nicht bauen. Dass jetzt auch die deutschen Projekte ausgebremst werden, wirkt sich logischerweise auch auf die Solvenz der ausgebremsten Unternehmen aus.
Nach der deutschen Solarindustrie greifen die Folgen einer Politik, die wie besessen weiter konventionelle Kraftwerke bauen will, weil sie mit den fünf übermächtigen Energiekonzernen einen Schmusekurs pflegt, mittlerweile immer stärker auf die Windkraftindustrie über.
Rösler in seinem Grußwort: “Dringend notwendig bleiben Investitionen in neue konventionelle Kraftwerke, um die schwankende Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien auszugleichen.” Die Argumente sind immer dieselben. Gleichzeitig werden die Investitionspläne der Stadtwerke, die diese Kapazitäten regional schaffen wollen, ausgebremst. Der ganze, mit viel Kraft in Gang gesetzte Prozess des energetischen Umbaus ist nach dem pompös zelebrierte “Ausstieg aus der Atomkraft” wieder zum Stillstand gekommen. Und die verantwortlichen Minister schauen ungerührt zu, wie die Unternehmen, die alternative Energietechnik produzieren, in Schwierigkeiten geraten.
“Alle wollen sauberen Strom, aber es fehlt an vernünftigen Konzepten, die Perspektiven für die Solar- und Windkraftenergieindustrie bieten. Die Bundesregierung muss jetzt handeln, ehe es zu spät ist”, sagte Bernd Kruppa, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Leipzig.
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Das Problem an der Leipziger Konsens-Veranstaltung ist: Man kann nicht beide Wege beschreiten – einen Weg der zentralen und konventionellen Kraftwerke, wie ihn Rösler will, und den Aufbau einer zwangsläufig dezentralen alternativen Energiewirtschaft.
Das kritisiert auch, Felix Ekardt, der für die Grünen 2013 als OBM-Kandidat antritt. “Der Klimawandel, die Notwendigkeit regenerativer Energieversorgung, der demographische Wandel und die sich grundlegend verändernde Lage von Wirtschaft und Arbeitsmarkt schließen ein ?Weiter so’ aus. Zu lange wurde in enger Allianz führender politisch-wirtschaftlicher Kreise auf Kosten unserer Zukunft und oft auch der Menschen anderer Länder Politik gemacht. Damit müsste der Schwerpunkt des Ostdeutschen Energieforums deutlich stärker auch im Bereich der Energieeffizienz und im Bereich der Erneuerbaren Energien angesiedelt werden”, kritisiert er.
“Bereits aus der Einladung und den Begleittexten wird deutlich, dass weiterhin verstärkt auf eine konventionelle Energiegewinnung etwa durch Braunkohleverstromung gesetzt wird, die mit einer echten Energie- und Klimawende unvereinbar ist. Ebenso soll der Gedanke klimagasfreier Kohlekraftwerke weiterverfolgt werden, obwohl die technische Machbarkeit selbst von den Energiekonzernen bezweifelt wird. Konzepte für eine dezentrale Stromversorgung, um die marktbeherrschende Stellung der Oligopole zu brechen, fehlen gänzlich. Ebenso wird die Energiedebatte unzulässig auf Strom verengt, statt auch Wärme und Treibstoff konsequent einzubeziehen. Dass Deutschland unverändert etwa zehnmal soviel Klimagase pro Kopf ausstößt, wie dauerhaft und global verträglich wäre, wird ignoriert.”
Parallel läuft auch noch die Kampagne des Campact e.V. gegen den Solarkahlschlag.
Schon mehr als 36.000 Menschen aus Bayern, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben innerhalb weniger Tage über die Internetseite www.campact.de ihre jeweilige Landesregierung aufgefordert, die geplanten Kürzungen bei der Solarförderung im Bundesrat zu stoppen. Stattdessen sollen die Bundesländer am heutigen Freitag, 11. Mai, den Vermittlungsausschuss anrufen und sich dort für eine “zukunftsfähige Lösung” einsetzen, heißt es in dem Online-Appell.
“Wer die Energiewende wirklich will, darf kein jährlich sinkendes Ausbauziel für die Fotovoltaik beschließen. Stattdessen brauchen wir Anreize für die bessere Integration der Erneuerbaren Energien in das Stromnetz – etwa durch einen Speicher- und Kombikraftwerksbonus”, verlangt Campact-Geschäftsführer Christoph Bautz. Zudem sollten die völlig unpraktikablen Regelungen für den Eigenverbrauch gestrichen werden. “Es ist richtig, die Einspeisevergütung zurückzuführen – aber mit Augenmaß und berechenbar für die Marktteilnehmer. Die Bundesregierung will die Solarförderung viel zu schnell kürzen. Ohne die Solarenergie ist die Energiewende nicht zu schaffen.”
Und er appelliert an den wirtschaftlichen Sachverstand, der vielleicht ja doch noch auf politischer Entscheiderebene zu finden ist: “Die Kosten für die solare Stromerzeugung sind in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken”, erklärte Bautz. “Wird jetzt der Wirtschaftszweig weiter unterstützt, kann die Fotovoltaik innerhalb weniger Jahre komplett ohne die bisherige Umlagefinanzierung auskommen. Für die dafür notwendigen Innovationen sind aber verlässliche wirtschaftliche Rahmenbedingungen notwendig. Nur so sind die bisherigen Investitionen nicht verloren, können die bisherigen Arbeitsplätze erhalten und sogar neue geschaffen werden.”
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