Die Reaktion kam postwendend. Kaum hatte die Vereinigung zur Förderung der Nutzung Erneuerbarer Energien (VEE Sachsen e.V.) am Donnerstag, 12. April, ihren Forderungskatalog veröffentlicht, gab's die heftige Reaktion von FDP-Mann Benjamin Karabinski: "Den Bau zusätzlicher Anlagen und damit die zunehmende Verspargelung unserer sächsischen Heimat lehnen wir ab."
Dabei geht es vorerst gar nicht um neue Anlagen, sondern darum, dass alte Anlagen nicht durch neue, leistungsstärkere ersetzt werden können, weil mit einem Abbau der Anlagen die Genehmigung verfällt. Tatsächlich hat die sächsische Politik Rahmenbedingungen geschaffen, die zwangsläufig einen Rückbau von Windkraftanlagen zur Folge haben.
Repowering von alten Windenergieanlagen (WEA) im Binnenlandbereich ist spätestens seit der Energiewende verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit und der Anlagenbetreiber geraten. Der Austausch von Altanlagen durch binnenlandoptimierte WEA der neuesten technologischen Generation kann bis zum neunfachen Windstromertrag pro Jahr erbringen. Durch Repowering kann daher in naher Zukunft ein erheblicher Teil der Strommenge für die zukünftige Energieversorgung auch in Sachsen bereitgestellt werden. Ohne dass ein zusätzlicher Quadratmeter mehr an Land verbraucht würde.
Neben der Steigerung der Energieeffizienz können durch Repowering von technologisch überholten WEA kommunale Einnahmen verbessert, das Landschaftsbild entlastet, mögliche negative Auswirkungen für Mensch und Natur reduziert, eine bessere Netzintegration gewährleistet sowie eine Erhöhung des Anteils Erneuerbare Energien am Stromverbrauch geleistet werden. Damit übernehmen wir durch die Windenergienutzung einen erheblichen Klimaschutzbeitrag, erklärt die VEE zu diesem Thema. Das auch deshalb aktuell ist, weil Sachsen mit seiner rigiden Braunkohlepolitik den Ausbau der alternativen Energieerzeugung im Land mittlerweile so ausgebremst hat, dass der Freistaat in Sachen erneuerbare Energien mittlerweile zum Schlusslicht unter den Flächenländern geworden ist.
Das hat übrigens auch wirtschaftliche Aspekte, denn damit werden auch heimische Anlagenbauer und -betreiber ausgebremst. Immer zugunsten der wenigen Unternehmen, die am sächsischen Braunkohlebergbau partizipieren.
“Sachsen musste bereits in der Vergangenheit schwerwiegende Eingriffe in seine Kulturlandschaft – etwa beim Braunkohletagebau – hinnehmen. Ein weiterer ungezügelter Ausbau der Windkraftanlagen beeinträchtigt das gewachsene Landschaftsbild, zerschneidet und versiegelt Siedlungsräume und ist deswegen abzulehnen”, meint Karabinski. Und lässt so ganz beiläufig durchblicken, wessen Partei er eigentlich ergreift. “Bereits jetzt sind die negativen Auswirkungen etwa für den Naturschutz oder die Tourismuswirtschaft beispielsweise auf dem Erzgebirgskamm sichtbar und abzusehen. Statt den Spielraum für den Ausbau von Windkraftanlagen auszuweiten, müssen strengere Kriterien angelegt werden. Kulturhistorisch bedeutsame Flächen etwa dürfen nicht als Gebiete für den Ausbau dienen. Anstatt eine Vielzahl neuer Anlagen zu errichten, ist das Repowering konsequent voranzutreiben, um die bestehenden Anlagen zu ertüchtigen.”
Stichwort Erzgebirge: Der erste Windpark in Sachsen entstand bereits 1992 im Erzgebirge. Hier wurden fünf WEA, mit einer Leistung von 75 bis 250 kW und einer Nabenhöhe von 30 bis 36 Metern errichtet. Hier muss man auf die Maßeinheit achten: Es ging um Kilowatt.
“Seitdem vollzog sich im Bereich der WEA eine wahre technologische Revolution”, stellt Jan Schubert, Geschäftsführer der VEE Sachsen e.V. fest. “Ende 2011 befanden sich in Sachsen (Stand 31.12.2011) bereits 847 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von rund 989 MW am Netz.” Jetzt sind es Megawatt. Deutschlandweit sind mittlerweile 29.060 Megawatt Gesamtleistung allein an Windenergieanlagen installiert. Man sieht schon auf den ersten Blick, wie sehr Sachsen im Rückstand ist.
Trotz der Vorteile der Windenergie und dem in ausreichenden Maße vorhandenen Potenzial – so belegt es die im September 2011 veröffentlichte Repowering-Studie der VEE Sachsen e.V. – kommt der Austausch von Altanlagen in Sachsen bisher nicht voran. Von den Autoren der Studie wurden 501 WEA in Sachsen als repoweringfähig eingestuft. 2010 wurden fünf 500-kW-WEA gegen drei 2-MW-WEA ausgetauscht, und im Jahr 2011 wurde keine einzige WEA ersetzt.Dass dies nicht am Unwillen der sächsischen WEA-Betreiber liegt, bestätigt nun eine von der VEE Sachsen e.V. durchgeführte Befragung von sächsischen Anlagenbetreibern. Insgesamt repräsentieren diese einen Bestand von 129 Anlagen an 73 Standorten mit einer Gesamtleistung von 86 MW. Die Befragung ergibt, dass sich eine Mehrheit das Repowering ihrer Altanlagen in den nächsten drei Jahren vorstellen kann. Diese repräsentiert insgesamt 77 Windkraftanlagen (rund 60 %) mit einem durchschnittlichen Alter von etwa 13 Jahren und einer durchschnittlichen Leistung von 604 kW/WEA.
Jan Schubert: “Die Diskrepanz zwischen dem Wollen der Anlagenbetreiber und der tatsächlichen Umsetzung wird durch die Auswertung der negativ beschiedenen Antworten deutlich. Die große Mehrzahl der Anlagenbetreiber kann und will die Altanlagen, aufgrund fehlender Rahmenbedingungen, derzeit nicht ersetzen. Einen Spitzenwert erreichte dabei das Problemfeld, dass an vielen Standorten die WEA nicht in den von den Regionalen Planungsverbänden ausgewiesenen Vorrang-/Eignungsgebieten für Windenergieanlagen stehen. Hier würde ein Rückbau das Erlöschen der Genehmigung zur Folge haben.”
Ein weiterer Hinderungsgrund seien die teilweise zu geringen Abstände zur angrenzenden Wohnbebauung, welche den Austausch einer Altanlage unmöglich machen. Auch Probleme, bzw. Unabwägbarkeiten beim Anschluss der neuen Anlagen an das bestehende Stromnetz würden von den Anlagenbetreibern als wichtiger Hinderungsgrund für das Repowering alter WEA angegeben.
“Eins macht die Umfrage aber sehr deutlich: Die Anlagenbetreiber haben ein großes Interesse daran, ihre Altanlagen durch binnenlandoptimierte Windenergieanlagen neuester Generation zu ersetzen und stehen schon in den Startlöchern”, stellt Schubert fest. “Hier muss nun die Sächsische Staatsregierung aktiv werden und die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen.”
So lege die Sächsische Staatsregierung im Entwurf des Energie- und Klimaprogramms zukünftig einen Schwerpunkt in der Energieversorgung auf die Windenergie und das Repowering von alten WEA. Im Entwurf des Landesentwicklungsplans (LEP) 2012 würden die Regionalen Planungsverbände angehalten, Flächen für das Repowering auszuweisen, auf denen der Ersatz für den Rückbau von WEA, welche sich außerhalb von Vorrang-/Eignungsgebieten befinden, ermöglicht wird.
Die Problematik freilich, wie am neuen Standort die entsprechenden Flächen gesichert werden können, wurde in der Repowering-Studie der VEE Sachsen e.V. von den Autoren als sehr kompliziert und aufwendig beschrieben. Und bessern soll sich das nach dem Willen der Staatsregierung nicht: Im LEP-Entwurf 2012 findet sich dazu keine Aussage.
Und so fordert die VEE nach Einzelfallüberprüfung nicht nur eine Überführung der Altanlagenstandorten in den Rechtsstatus Vorrang- /Eignungsgebiet und gleichzeitig eine Ausweisung neuer Vorrang-/Eignungsgebiete – die übrigen Gebiete werden dabei nicht mehr gleichzeitig Ausschlussgebiete. Sie fordert auch die Einsetzung einer Agentur für Meditation bei Repoweringprojekten, die Aufhebung sämtlicher Höhenbegrenzungen für WEA und die Öffnung von Nutzwaldflächen etc. für die Windenergienutzung.
Tatsächlich geht es um die Ausweisung von mindestens 1,5% (2%) der sächsischen Landesfläche für die Windenergie. Damit wird schon ein ehrgeiziges Ziel umsetzbar: nämlich die Erhöhung des Windstromzieles im EuK auf 35 % Anteil am Jahresstromverbrauch.
Voraussetzung natürlich auch: die Aufnahme verbindlicher Rahmenbedingungen für die Windenergie in den Entwurf LEP 2012.
Und wenn die Kompetenzen dafür in den sächsischen Ministerien fehlen, weil man bislang nur Braunkohle denkt, dann bietet sich die VEE Sachsen e.V. gleich mal als fachliche Beratung an.
Die Auswertung der Umfrage: www.vee-sachsen.de (http://www.vee-sachsen.de/images/stories/Auswertung%20Repoweringumfrage%20Diagramme.pdf)
Die Repowering-Studie der VEE Sachsen e.V. als PDF: www.vee-sachsen.de (http://www.vee-sachsen.de/images/stories/0_Bericht_Schlegel_Rep_WEA_Studie_%20111125%281%29.pdf)
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