Verleger sind echte Unternehmer. Müssen sie auch sein. Sie können die deutschen Kartellgesetze nicht beeinflussen, können an Netzentgelten nicht drehen oder faule Kredite verkaufen. Bücher müssen überzeugen, wenn sie der mögliche Käufer in der Hand hat. Und jedes Buch ist ein Experiment.

31 Verlage aus Mitteldeutschland folgten am Dienstag, 28. Februar, wieder der Einladung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels ins Haus des Buches in Leipzig. Ein Termin mit Tradition. Zum zehnten Mal fand das Pressegespräch statt, zu dem die Verleger nicht nur aus Leipzig vorfuhren, sondern auch wieder aus dem ferneren Sachsen, der Lausitz, aus Thüringen und Sachsen-Anhalt anreisten. Der hiesige Zweig des Börsenvereins ist schon lange da, wo der sächsische Ministerpräsident niemals hin will: beim Denken und Leben einer gemeinsamen Region.

Man trifft sich auch außerhalb dieses ganz speziellen Termins für die Presse – bei Schulungen und Tagungen. Auch die Welt der Bücher ändert sich ja. Und einige Verlage hatten diesmal ihre ersten Titel für das derzeit viel gepriesene E-Book dabei. Der verlegerische Vorteil liegt auf der Hand: Zwar hat man zusätzlichen Aufwand beim Erstellen der elektronischen Variante – dafür entfallen Druck und Buchladenvertrieb. Die Bücher lassen sich prima übers Internet verkaufen.

Oder Nachschlagewerke. Oder Reiseführer. Der Schmidt-Buch-Verlag aus Wernigerode zum Beispiel bietet jetzt erstmals einen Städteführer für Wernigerode im E-Book-Format an. Die neugierigen Reisenden werden also künftig nicht mehr mit großen, aufgefalteten Stadtplänen durch die altehrwürdigen Städte ziehen, sondern mit ihrem E-Book-Reader. Oder auch nicht. Ganz bestimmt ist das eine Gewöhnungssache. Und so manchereiner wird eher so denken wie Peter Haffner, der sich die Taschen lieber voller Reclam-Bändchen stopft, als zu riskieren, ein wertvolles elektronisches Teil unterwegs zu verlieren.

Der Reclam Verlag war natürlich nicht da. Das wäre noch was gewesen. Virtuell natürlich doch. Denn es vergeht ja kaum ein Jahr, in dem sich nicht ein Leipziger Verlag intensiv mit der Vergangenheit der Buchstadt beschäftigt. Im Sax-Verlag (Markkleeberg) zum Beispiel ist das Buch “Aufstieg und Niedergang der Buchstadt Leipzig” von Thomas Keiderling in Vorbereitung. Zur Buchmesse soll’s da sein, verspricht Verlegerin Birgit Röhling.Natürlich gedruckt. Der Sax-Verlag setzt noch auf das klassische, gebundene Buch. Und den Leser, der so einen Titel gern handfest in seinem Handregal stehen hat. Muss man ja öfter was nachschlagen. Die Buchstadt lebt ja, auch wenn der Friedhof der verschollenen Namen recht groß ist. Aber das ist eigentlich egal. Das kann jedem Verlag passieren. Das ist das Risiko. Nicht jedes Geschäftsmodell passt in jede Zeit. Und manchmal landet ein Hochberühmter dann als Imprint in einem englisch betitelten Konzern. Schade drum. Aber darum ging es nie.

Es ging immer um Inhalte. Und weil die in Mitteldeutschland nicht verschwinden, bloß weil ein paar Verlage ihre Adressschilder abmontiert haben, gibt’s weiterhin und wieder Buchverlage. Nach Schätzungen von Dr. Ralf C. Müller vom Leipziger Eudora Verlag allein in Leipzig so 80 bis 90.

Und ihre Verleger. Die sich zuweilen recht skurrilen Themen widmen. Wie der Draksal Verlag aus Leipzig einfach der Frage: Wie krieg ich wieder Freude ins Leben? Oder der Sutton Verlag aus Erfurt, der sich in diesem Jahr stolz mit der Gewinnerin des Thüringer Krimi-Preises Astrid Seehaus auf der Leipziger Buchmesse präsentiert. Den Preis gibt es aller zwei Jahre. Den Gewinnertitel “Tod im Eichsfeld” gibt es als Buch. Im Sutton Verlag natürlich, der sich für Thüringen genauso als Krimi-Verlag profiliert, wie das in Leipzig der fhl Verlag tut, der zur Buchmesse den von ihm initiierten Leipziger Krimi Preis vorstellen wird.Und eine lange Krimi-Nacht wird er veranstalten, wo man dann auch die Autoren erleben wird, deren Krimis bei fhl schon erschienen sind: Andreas M. Sturm zum Beispiel und Ria Klug und Traude Engelmann. Am 14. März ab 18 Uhr geben sich insgesamt acht Krimi-Autoren aus Deutschland und Österreich im Leipziger Café Waldi ein Stelldichein. Die Bücher gibt’s auf Papier. Und vielleicht wird sich das im Krimi-Genre auch niemals ändern, denn zum Krimi-Lesen gehört nun mal ein Rotwein oder ein Kaffee und das Vor- und Zurückblättern. Man will ja doch wissen: Wer war’s? Tatsächlich wieder der Gärtner?

Trotzdem hat sich ein Verlag schon konsequent auf das Gebiet der E-Books gewagt: der Projekte-Verlag Cornelius aus Halle. “Ist zwar sehr aufwändig”, sagt Geschäftsführer Reinhardt O. Cornelius-Hahn. “Aber wir machen das jetzt trotzdem konsequent.” Das Erstaunliche: Es gibt auch drei Krimis als E-Book. Wenn das nur gut geht.

Wobei der Projekte Verlag auch noch ganz anders für Furore sorgt: Er eröffnet am Donnerstag, 1. März, eine eigene Buchhandlung. An prominentem Ort mitten in Halle an der Saale: Große Steinstraße 77/78.

Drei Tage lang, vom 1. bis 3. März, wird die Eröffnung des “Buch- und Kunsthauses Cornelius” gefeiert. Der mutige Verlag selbst zu diesem Coup, bei dem das Gebäude einer bislang schon hochberühmten antiquarischen Buchhandlung umgebaut und gleich mit mehreren neuen Inhalten gefüllt wurde: “Mit dieser Buchhandlung möchten wir einen neuen kulturellen, literarischen und musischen Treffpunkt in Halle schaffen. Das Haus ist ab 10 Uhr für Sie geöffnet. Literarische und kulinarische Köstlichkeiten verteilt auf zwei Etagen Buchhandlung, Antiquariat, Galerie und Lesecafé warten auf Ihren Besuch. Höhepunkt ist eine Lesung mit Volker Braun am 2. März um 18:30 Uhr.”Titel, mit denen der Projekte Verlag in diesem Frühjahr seine Leser beglückt, sind zum Beispiel Wolfgang Hünerbeins Erinnerungen “Mit 16 im Roten Ochsen” und literarische Texte von Napoleon Bonaparte. Der Rote Ochse war das Gefängnis der Staatssicherheit in Halle.

Keine Überraschung ist, dass in diesem Jahr das 800jährige Jubiläum der Thomana bei Leipziger Verlagen eine besondere Rolle spielt – als kleines Mini-Buch im Buchverlag für die Frau, als Krimi (jawohl, Krimi!) und als Thomaner-Erinnerungs-Buch in der Evangelischen Verlagsanstalt und als großer Bildband bei Lehmstedt. Verleger Mark Lehmstedt war diesmal richtig happy. Denn zwei seiner Zugtitel fürs Frühjahr liegen schon gedruckt vor. Das ist nicht üblich. Zumeist schmoren die meisten neuen Titel, die die Verlage zur Buchmesse im März mitbringen, im Februar noch in der Druckerei – werden der Presse also eher als kleiner Blindband oder als Katalogankündigung präsentiert. Aber Mark Lehmstedt konnte den Bildband “800 Jahre Thomana” und das “Mosaik-Handbuch”, das parallel zur großen Mosaik-Ausstellung im Zeitgeschichtlichen Museum erschien, schon vorweisen.

Das 800-Jahre-Jubiläum ist ja auch Teil der Luther-Dekade, die bis 2017 in ganz Mitteldeutschland gefeiert wird. Was auch bedeutet, dass auch immer neue Luther-Titel auf den Markt kommen, die sich, wie es aussieht – bestens verkaufen. “Luther geht immer”, stellte denn auch die Evangelische Verlagsbuchhandlung fest. Vielleicht auch deshalb, weil der Man noch heute wie ein streitbarer Zeitgenosse wirkt, der sich auch mit so irdischen Themen wie Wein, Weib und Kindern beschäftigt hat.

Und wahrscheinlich geht man keineswegs fehl in der Annahme, dieser Luther hätte seine Freude gehabt an den Büchern aus dem Klett Kinderbuchverlag. Und sich wahrscheinlich vor Spaß unterm Tisch gewälzt. Denn der Verlag beschreitet in gewisser Weise Neuland, wenn er Kinderbücher nicht mehr nur aus der Perspektive von erwachsenen Autoren entstehen lässt, sondern die Sicht der Kinder selbst in den Mittelpunkt rückt. Jüngst erst durchexerziert mit “Alle Kinder. Ein ABC der Schadenfreude”, in dem alte Kinderreime gesammelt sind, mit denen Kinder die Vornamen ihrer Altersgenossen durch den Kakao gezogen haben. “Und das Überraschende ist, dass diese Reime in Ost und West gleichermaßen bekannt sind, bei Jung und Alt, sie sind regelrecht zeitlos”, sagt Verlegerin Monika Osberghaus. Genauso wie die Empörung der Erwachsenen zeitlos ist: Der Verlag wurde mit bitterbösen Briefen überschwemmt. Kinder können ja so gemein sein.

Man lernt aber nicht nur, dass Kinder schadenfroh sein können. Marcus Sauermann und Uwe Heidschötter zum Beispiel laden mit ihrem Titel “Der Kleine und das Biest” ein, die Welt von Kindern zu entdecken, die die Scheidung ihrer Eltern als völlige Verwandlung ihrer wichtigsten Bezugspersonen erleben. “Und da ist das Verblüffende, dass sich auch Kinder aus Familien wiedererkennen, in denen Scheidung gar kein Thema ist”, sagt Osberghaus.

Was natürlich für die L-IZ heißt: Das Buch wird in Kürze hier besprochen. Wie sich das gehört für kluge Bücher aus Leipzig und Mitteldeutschland. So lange es die experimentierfreudigen und wagemutigen Verlegerinnen und Verleger hier gibt, ist die Buchlandschaft lebendig. Man muss es nur zeigen. Und wie es aussieht, entdecken auch immer mehr Buchhändler, dass es da was zu entdecken und zu bewahren gibt.

Und das Meiste davon kann man dann auf der Buchmesse auch sehen.

Einige der erwähnten Verlage:

www.schmidt-buch-verlag.de

www.projekte-verlag.de

www.sax-verlag.de

www.suttonverlag.de

www.fhl?verlag.de

www.lehmstedt.de

www.klett-kinderbuch.de

Der Landesverband der Verleger und Buchhändler aus Mitteldeutschland: www.boersenverein-sasathue.de

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