Sie werden gern gelobt, die sächsischen Landwirte. Doch am Freitag, 24. Februar, wusch ihnen Sachsens Umweltminister Frank Kupfer (CDU) einmal ordentlich den Pelz. Auch wenn er es als Lob kaschierte. Immerhin verwies er auf die in den vergangenen 20 Jahren erzielten Erfolge bei der Nitratminderung und beim Erosionsschutz. Aber manche Erfolge sind auch Schönfärberei, wenn man die wichtigeren Fakten damit übertüncht.
Denn rund 64 Prozent der sächsischen Ackerflächen weisen eine hohe bis sehr hohe Erosionsgefährdung auf. Auch das erklärte Frank Kupfer am Freitag, 24. Februar 2012, in Triebischtal (Landkreis Meißen) vor 200 Teilnehmern der Düngetagung des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG).
Nach modellgestützten Erosionsabschätzungen werden jährlich rund drei Millionen Tonnen Boden von sächsischen Äckern abgetragen. “Deshalb führt kein Weg daran vorbei, die konservierende Bodenbearbeitung dauerhaft auf möglichst allen erosionsgefährdeten Ackerflächen anzuwenden”, so der Minister. Der Freistaat Sachsen fördert diese Bewirtschaftung über das Agrarumweltprogramm, über das 2011 insgesamt rund 41 Millionen Euro ausgezahlt wurden. Unterstützung aus dem Fördertopf gibt es auch für weitere stoffeintragsmindernde Maßnahmen wie zum Beispiel die Ansaat von Zwischenfrüchten und Untersaaten sowie für das Anlegen von Grünstreifen auf Ackerland und den Ökolandbau.
Und Kupfer appelliert sehr deutlich an die sächsischen Bauern, sich noch mehr als bisher für den Schutz vor Bodenerosion und für die Verbesserung der Stickstoffeffizienz zu engagieren. “Die sächsische Landwirtschaft muss ihre Nitrat- und erosionsbedingten Phosphateinträge in die Gewässer weiter vermindern. Ohne diesen wichtigen Beitrag der Landwirte sind die Ziele der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie – ein guter Zustand aller Gewässer bis Ende 2015 – nicht erreichbar. Dieser Herausforderung müssen wir uns gemeinsam mit der Landwirtschaft stellen.”Die Düngetagung steht in diesem Jahr unter dem Motto “Effizienter und umweltgerechter Nährstoffeinsatz”.
So haben sich zwar die Nitratgehalte im Rohwasser der Trinkwassertalsperren und auf den sächsischen Dauertestflächen um rund ein Drittel verringert. Die erosionsmindernde konservierende Bodenbearbeitung wird heute auf einem Drittel der sächsischen Ackerfläche angewendet.
“Beides ist beachtlich, reicht aber noch nicht aus”, so der Minister. Denn die immer noch zu hohen Nitrat- und Phosphateinträge sind eines der Hauptprobleme sächsischer Gewässer. 24 Prozent der sächsischen Grundwasserkörper sind aufgrund zu hoher Nitratgehalte in einem schlechten Zustand. In rund 70 Prozent der Oberflächenwasserkörper gibt es eine zu hohe Phosphatkonzentration. Modellrechnungen zeigen, dass mehr als die Hälfte der Gesamt-Stickstoffeinträge und mehr als ein Viertel der Phosphat-Einträge in die sächsischen Gewässer von landwirtschaftlich genutzten Flächen stammen. Der Haupteintragungspfad bei Phosphat ist die Bodenerosion.
Womit freilich auch dieser Punkt zum größten Teil auf das Konto der Landwirtschaft geht.
“Hier wurde schon vieles erreicht, aber wir brauchen weitere Verbesserungen”, sagte Kupfer. “Im Interesse der Umwelt und im Interesse der Landwirtschaft selbst.”
Und im Erreichen der europäischen Wasserqualitätsziele. Denn eigentlich sollten im Jahr 2015 alle sächsischen Oberflächengewässer eine gute Wasserqualität erreichen. Dass das auch 20 Jahre nach Abwracken der schadstoffintensiven DDR-Wirtschaft nicht gelungen ist, ist mittlerweile auch Ergebnis einer – vorsichtig formuliert – zurückhaltenden sächsischen Landwirtschaftspolitik.
Im Juli 2011 musste Frank Kupfer auf Nachfrage der Grünen-Abgeordneten Gisela Kallenbach zugestehen, dass 85 Prozent aller sächsischen Oberflächengewässer bis 2015 keine gute Wasserqualität erreichen werden.
Ein weiteres Mittel, die Nitratgehalte im Grundwasser zu verringern, sei der effizientere und damit verminderte Einsatz von Stickstoffverbindungen in der Landwirtschaft, erläuterte das Landwirtschaftsministerium zur Rede des Ministers. Möglichkeiten dafür gebe es bereits bei der Fütterung im Stall, beim Wirtschaftsdüngermanagement, beim Düngen selbst sowie bei weiteren pflanzenbaulichen Maßnahmen, die der Vermeidung von Stickstoffverlusten dienen.
Ausgeblendet wieder einmal die in Sachsen gepflegte Politik, die Großproduktionsanlagen etwa in der Schweinemast auch dort genehmigt, wo mit drastischen Folgen für die Umwelt binnen kürzester Zeit zu rechnen ist. Entsprechend Streit gibt es dazu seit Jahren in Nordsachsen. Die langjährig gepflegte Zustimmung zu Experimentierfeldern mit gentechnisch veränderten Pflanzen hat in mehreren Regionen die Entwicklung ökologischer Landwirtschaftsstrukturen ausgebremst.
Aber irgendwie versucht das sächsische Landwirtschaftsministerium, sich weiter durchzuwursteln und auf die Einsicht der Landwirte zu vertrauen, dass Weniger eigentlich mehr sein könnte.
Und so weist das Ministerium noch einmal freundlich darauf hin, dass Informationen zur Verbesserung des Erosionsschutzes und der Effizienz des Stickstoffeintrags bei Informations- und Schulungsveranstaltungen, Demonstrationsvorhaben und Feldtagen des LfULG (Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie) zu bekommen sind.
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Im Jahr 2011 gab es sachsenweit 44 Veranstaltungen und 14 Feldtage zu verschiedenen Themen. Hinzu kommen zehn Arbeitskreise, in denen sich Fachleute und Landwirte seit zwei Jahren intensiv austauschen. “Diesen wichtigen Wissens- und Erfahrungsaustausch wollen wir auch weiterhin fortsetzen”, sagte Kupfer.
Im nächsten Jahr gibt es dann bei gleicher Gelegenheit dieselbe Kopfwäsche. Nach einer Änderung der sächsischen Landwirtschaftspolitik sieht das nicht aus. Und auch nicht nach einer echten Anpassungsstrategie an den Klimawandel, wie sie Kupfer schon mehrfach beschworen hat. Denn Bodenerosion bedeutet in klimatischen Stresssituationen eben auch Verlust wertvoller Ackerflächen. Erst dann umzusteuern, wenn die Erträge einbrechen, ist zu spät.
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