Der Befall mit Krankheitserregern ist trotz aller Hygienemaßnahmen in der Lebensmittelindustrie, in der Trinkwasserversorgung und in Bioreaktoren möglich. Neben den gesundheitlichen Gefahren entstehen jährlich weltweit Schäden in Milliardenhöhe. Das liegt oft daran, dass die Zeit von der Probenentnahme bis zur Laboranalyse zu lang ist. FluIDect, ein Jenaer Start-Up hat sich zum Ziel gesetzt, das zu ändern.

Wir sprechen dazu mit Dr. Tobias Schröter, dem CEO von FluIDect aus Jena.

Salmonellen, Listeria, VTEC-Bakterien, Escherichia coli-Bakterien – die Liste der Erreger, die zu Produktrückrufen von Lebensmittel führen, ist lang. Auf Lebensmittelwarnung.de, dem offiziellen Portal des Bundes, gingen für 2022 allein 311 Rückrufmeldungen ein, davon 47 Fälle von Salmonellenbefall, das ist ein Rekord.

Auch wenn die Kontamination nicht immer gesundheitsschädigend ist, die Rückrufe kosten Produzenten und Handel Geld, die Verbraucher werden verunsichert und die betroffenen Produkte wahrscheinlich größtenteils entsorgt.

Wenn ich das am 28. Juni, bei der Venture SPRIND, richtig verstanden habe, wollen Sie mit Ihrer Innovation (SpheroScan) bereits im Produktionsprozess eingreifen und perspektivisch solche Kontaminationen frühzeitig feststellen?

Ja, es ist unser Ziel, die Produktionsprozesse lückenlos zu überwachen und genau diese Fälle, die Sie beschrieben haben, zu reduzieren. Es ist die Spitze des Eisberges, dass kontaminierte Lebensmittel in den Umlauf kommen, es geht aber schon früher los. Durch eine lückenlose Überwachung des Produktionsprozesses sollen die hygienischen Bedingungen optimiert werden. Dadurch wollen wir weniger Verschwendung, eine Kostenreduzierung und am Ende eine höhere Lebensmittelsicherheit erreichen.

Sie zitieren auf Ihrer Website: „Die 15 führenden lebensmittelbedingten Krankheitserreger verursachen allein in den USA einen geschätzten wirtschaftlichen Schaden von 17,5 Milliarden Dollar pro Jahr. Nur Salmonellenbefall machen jedes Jahr 4,1 Milliarden Dollar mit über einer Million Fällen und fast 400 Todesfällen“ (USDA: „Kostenschätzungen für Lebensmittelkrankheiten“, 2018).

Gibt es Ihnen bekannte Zahlen für Deutschland? Wir haben dazu nichts in frei verfügbaren Quellen gefunden.

Leider nein, wir haben uns hier nur auf eine Studie berufen, die wir für die USA gefunden haben. Für Europa und Deutschland lag uns da leider nichts vor. Die USA haben da wahrscheinlich eine bessere Studienlage als Europa und Deutschland.

Ein Befall mit Krankheitserregern in der öffentlichen Trinkwasserversorgung, ist ja ziemlich der worst case. Wo und wie kann Ihr Produkt dort eingesetzt werden? Bereits bei der Trinkwasseraufbereitung und weiter im Folgeprozess bis zum Abnehmer?

Wir sind dort schon im Gespräch mit Wasserversorgern und sehen hier mehrere Ansatzpunkte. Der Einsatz wird natürlich beim Wasserversorger bleiben, der kann als Erstes seine Rohwasserquellen monitoren und somit herausfinden welche die optimalste mit der besten Wasserqualität ist. Im weiteren Aufbereitungsprozess des Wasserversorgers kann, an verschiedenen Messpunkten, die Qualität weiter untersucht werden. Im Leitungsverteilungsnetz, wo über Hochbehälter das Wasser zwischengespeichert wird, bevor es dann zum Verbraucher geht, wird die Qualität weiter geprüft.

Salmonella, hier unter einem Elektronenmikroskop. Foto: Elektronenmikroskopische Zentrum Jena
Salmonella unter einem Elektronenmikroskop. Foto: Elektronenmikroskopische Zentrum Jena

Bei Hochbehälter meinen Sie zum Beispiel den klassischen Wasserturm, in dem das Wasser eventuell längere Zeit steht?

Ja, genau darüber. Dabei geht es natürlich darum, die Hygiene zu garantieren, perspektivisch sollen aber auch die Maßnahmen auf das tatsächlich Nötige optimiert werden, wie zum Beispiel der Einsatz von Chlor, um das Wasser zu sterilisieren.

Sie schreiben auf der Website über den Einsatz in Bioreaktoren zur Ethanolherstellung. Was muss man sich darunter vorstellen und was ist deren Bedeutung für die Industrie? Sie zitieren dazu: „Die Infektion in einer Ethanolanlage ist der schlimmste Albtraum eines Anlagenmanagers. Es bedeutet, die Produktion zu stoppen, möglicherweise Arbeiter zu entlassen und Hunderttausende, wenn nicht Millionen Dollar zu verlieren …“

Das sind im Wesentlichen Hefen, die eingesetzt werden, um Biomasse in Biomethanol und Alkohol umzuwandeln. Wir haben im Gespräch mit vielen Ethanolproduzenten herausgefunden, dass es dort häufiger zu Kontaminationen kommt, die im ersten Moment die Ausbeute reduzieren, wenn sich beispielsweise Milchsäurebakterien in den Fermentern einlagern. Das führt dazu, dass Milchsäure anstatt Ethanol produziert wird, die Ausbeute sinkt und im Extremfall kann das System kippen.

Die Kontamination führt dann dazu, dass der ganze Fermenterinhalt verworfen werden muss, was natürlich ökonomisch nicht sinnvoll ist, aber auch ökologisch ein großes Problem darstellt. Die Anlagen nach einer starken Kontamination wieder zu sterilisieren und wieder hochzufahren, ist sehr kostspielig und langwierig.

Hier wollen wir durch eine frühzeitige Erkennung die Hersteller in die Lage versetzen, mit geeigneten Maßnahmen zu reagieren und die Extremsituation zu verhindern. Es soll auch schon bei kleineren Kontaminationen, durch die Früherkennung, verhindert werden, dass ein Effizienzeinbruch stattfindet.

Wir haben bisher hauptsächlich über die Lebensmittelindustrie gesprochen, es gibt aber wahrscheinlich noch andere Einsatzmöglichkeiten. Ich denke da zum Beispiel an die Kosmetikindustrie.

Genau, Bioethanol ist besonders für den Kraftverkehr wesentlich, das spielt besonders in Brasilien eine Rolle, in Deutschland weniger. Es gibt eine Vielzahl an unterschiedlichen Anwendungen. Wir werden auch regelmäßig von Firmen angefragt, die immer wieder neue Sachen untersucht haben wollen.

Da geht es um verarbeitendes Gewerbe, zum Beispiel haben wir Anfragen der Kunststoffindustrie und der Kühl- und Schmierstoffherstellung. Da gibt es ganz viele Nischen, die wir noch nicht im Detail untersucht haben. In den nächsten Jahren wollen wir aber Stück für Stück untersuchen, wo wir mit unserer Technologie einen Mehrwert bieten können.

SpheroScan scannt auf bakteriellen Befall, wenn ich das richtig verstanden habe. Kann das Produkt noch mehr erkennen?

Grundsätzlich beruht unser System auf einem Biosensor, der biologische Substanzen detektieren kann. Wir nutzen dafür Antikörper, Antigenbindungen, sodass eigentlich alles, was wir über geeignete Fängermoleküle, wie beispielsweise Antikörper, an unsere Sensoren binden können, auch detektiert werden kann. Bei Bakterien geht das relativ einfach, das liegt daran, dass die einzelne Bakterie für unsere Verhältnisse eine relativ große Masse hat.

Wir können auch einzelne Proteine spezifisch detektieren, das ist zum Beispiel für die Optimierung von Produktionsprozessen in der pharmazeutischen Fermentation gefragt. Eines unserer Kundenprojekte ist jetzt die Detektion von Schwermetallen im Wasser. Das ist grundsätzlich möglich, da dafür geeignete Fängermoleküle existieren.

Also können Sie auch anorganische Substanzen erkennen?

In gewissem Maße, ja.

Wäre also auch die Erkennung von Mineralölrückständen, diese Kontamination gab es ja auch schon in der Lebensmittelindustrie, möglich?

Mineralöl ist eine eher unspezifische Substanz, das wird wahrscheinlich schwierig. Spezifischer ist da schon ein Fall, den wir gerade untersuchen, die Schwermetalle im Trinkwasser. Als junges Start-up mit begrenzten Ressourcen müssen wir uns natürlich auf einige oder wenige Applikationen fokussieren, die wir zunächst in den Markt einführen können. Im weiteren Verlauf wollen wir uns natürlich verbreitern, dann können wir auch mehrere unterschiedliche Anwendungen entwickeln.

Jetzt die übliche Frage, in welchem Zeitraum wird das Projekt produktionsreif sein?

Wir sind gerade dabei, erste Validierungsstudien mit Kunden durchzuführen, die auch vielversprechend aussehen. Anfang nächsten Jahres werden wir an erste Kunden Geräte ausliefern, wir werden dann aber noch einige Zeit brauchen, um das Produkt Großserien tauglich zu machen.

Das dauert seine Zeit und kostet Geld, was mich zu der letzten Frage bringt. Was wünscht sich ein Start-up an Unterstützung?

Ganz viel natürlich, aber lassen Sie mich überlegen, was man in einen Zeitungsartikel hereinpacken kann.
Mein Wunsch wäre, dass wir Behördenprozesse, also bürokratische Prozesse, soweit verschlanken könnten, dass daraus nicht jedes Mal große Zeitfresser entstehen. Wenn wir zum Beispiel Projektanträge stellen, oder mit Ämtern wie dem Finanzamt kommunizieren, jedes Mal ist das für uns ein großer Kraftakt.

Das kostet viel Zeit und Geld und es verlangsamt unsere Prozesse. Ich würde mir wünschen, dass solche Prozesse verschlankt und optimiert werden können, damit wir Zeit und Geld sparen.

Manchmal werden Förderprojekte, aufgrund eines Formfehlers, abgelehnt und man muss diese dann ein halbes Jahr später nochmal einreichen, oder ähnliches. Ich finde auch die gesamte Förderlandschaft zu komplex, häufig ist es nötig eine private Fördermittelberatung in Anspruch zu nehmen, um da durchzublicken. In meinen Augen kann das nicht Sinn der Sache sein.

Die Fördermittel sollten dort ankommen, wo sie gebraucht werden und der bürokratische Prozess sollte so schlank wie möglich sein.

Positiv muss man natürlich sagen, dass sich Deutschland bemüht, die Bedingungen für Start-ups zu optimieren. Die Fördermittel existieren und die Fördertöpfe sind in den meisten Fällen gut gefüllt, auch im internationalen Vergleich. Die Art und Weise der Vergabe, also des Abrufs, der Zeitdauer und des Projektcontrollings ist teilweise aber nicht sinnvoll für Start-ups.

Dann hoffen wir, dass sich das bessert. Viel Erfolg für Sie und Ihr Team und vielen Dank für das Gespräch.

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