Jörg Folta ist einer der beiden Geschäftsführer des Felsenkellers im Leipziger Westen. Die Location bietet nicht nur Veranstaltungsräume für Konzerte und Feierlichkeiten, sondern hat auch einen Biergarten und seit Oktober 2021 ein Restaurant. Es wurde viel Geld und Zeit in die Hände genommen, um coronakonforme Konzepte zu etablieren. „Wir haben uns dahingehend regelrecht professionalisiert“, so Folta.
Teure Investitionen, wenig Hilfen
Dass all diese Investitionen, trotz der Versprechungen aus der Politik, dass es keine erneuten Kulturlockdowns gibt, umsonst waren, könne er nicht verstehen. Bei all den Sicherheitsvorkehrungen und mit einem 2G- oder 2G+-Konzept wäre eine Schließung nicht nötig gewesen. Nun ist es aber wie im vergangenen Jahr. Man hangelt sich von Antrag zu Antrag für finanzielle Hilfen. Derzeit können Betreiber/-innen von Clubs und Livespielstätten Kurzarbeit anmelden und die Überbrückungshilfe III Plus in Anspruch nehmen. Diese deckt jedoch nur die laufenden Kosten; für den eigenen Lebensunterhalt bleibt nichts.
Außerdem sind die Hürden relativ hoch – Betreiber/-innen müssen seitenlange Kalkulationen und Prognosen anstellen oder anstellen lassen, es sind Dutzende Anlagen vonnöten. Ohne entsprechende Ressourcen und Strukturen nahezu unmöglich. „Kleinere Läden zerbrechen daran“, erklärt Folta.
Der Felsenkeller ist eins von 21 Mitgliedern des Runden Tisches Leipziger Spielstätten. Diese fordern niedrigschwelligere Zugänge zur Überbrückungshilfe und eine Wiedereinführung der Novemberhilfen. Die Programme aus dem Vorjahr sind im Vergleich zur Überbrückungshilfe umsatzorientiert und ohne viel Aufwand zu erhalten.
Personal wandert ab
Aber auch die Kurzarbeit geht den Unternehmen und dem Personal an den Kragen. Zum einen kann nicht für alle Mitarbeiter/-innen Kurzarbeitergeld beantragt werden. Zum anderen sind damit nur 60 bis maximal 87 Prozent des Nettogehaltes gedeckt – welch großen Anteil das Trinkgeld am Einkommen des Gastronomiepersonals hat, wird hierbei vergessen.
„Wir haben die Gelder von Anfang an auf die vollen 100 Prozent des Nettogehaltes aufgestockt“, so Folta. „Das ist aber nicht in jedem Betrieb möglich.“ Schon jetzt würden Ton- und Lichttechniker/-innen, Bühnenbauer/-innen und andere Servicekräfte abwandern – zur Telekom, zur Deutschen Bahn, in Callcenter. Schon im Sommer 2021 fielen im Felsenkeller Veranstaltungen aus, weil es an Personal mangelte.
„Große Spielstätten mussten mit der erneuten Schließung Dutzende Minijobbende entlassen und können zahllose Honorarkräfte nicht beauftragen, darunter natürlich auch die Künstler/-innen. Viele davon erwirtschaften ihre Miete mit Clubkultur, das heißt, sie müssen sich anderweitig beschäftigen lassen und kehren am Ende des Lockdowns womöglich nicht mehr zurück. Dieses Ausbluten der Betriebsstrukturen von Barkräften bis Techniker/-innen ist das nachhaltigste Problem für viele Spielstätten und es ist keine Lösung in Sicht“, erklärt Felix Buchta von der Liveinitiative Sachsen (LiSa) die schwierige Situation.
Was passiert nach dem „Freedom Day“?
Das gleiche Problem erkennt auch Jörg Folta. „Natürlich könnte das Leben nach dem sogenannten „Freedom Day“ explodieren“, so der Felsenkeller-Chef. Es könnte aber auch das (wahrscheinlichere) Worst-Case-Szenario eintreten: Personal ist in andere, coronasichere Branchen abgewandert. Das würde im Gegensatz zu dem massiven Überangebot an Veranstaltungen stehen – Events, die sich drei Jahre lang angestaut haben.
Doch nicht nur die Mitarbeiter/-innen, auch die Besucher/-innen sind verunsichert. Das Phänomen der No-Show-Rate wird massiv verstärkt. Die No-Show-Rate wird berechnet, indem die Anzahl der nicht erschienenen angemeldeten Teilnehmer/-innen durch die Anzahl der angemeldeten Personen geteilt wird. Zu den letzten Veranstaltungen seien teilweise 30 Prozent der Ticketkäufer/-innen nicht erschienen, so Folta.
Für die Zukunft macht sich auch Felix Buchta keine Illusionen: „Sachsens Club- und Livemusikkultur wird einen weiteren Lockdown nicht überstehen. Psychisch seitens der Betreibenden nicht, personell nicht und auch finanziell nicht, denn sie kann sich unmöglich von ein paar wenigen Wochen vor und nach dem Sommerloch finanzieren.“
„Kultur nach der Pandemie: Wie das Licht am Ende des Tunnels immer kleiner wird“ erschien erstmals am 17. Dezember 2021 in der aktuellen Printausgabe der Leipziger Zeitung (LZ). Unsere Nummer 97 der LZ finden Sie neben Großmärkten und Presseshops unter anderem bei diesen Szenehändlern.
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