LEIPZIGER ZEITUNG/Auszug Ausg. 67Der neue Supermarkt im Westwerk hat die eine oder andere schwer zu glättende Woge der Kritik ausgelöst. Wie zuvor auch die Biomare-Filialen. Dabei ist gegen einen ökologischen, fairen Bioladen auf den ersten Blick wenig bis gar nichts einzuwenden. Ökolandbau und Nachhaltigkeit sollten sich doch auch in der Ernährung beziehungsweise in den entsprechenden Kaufentscheidungen niederschlagen. Und lieber Biomare als Aldi, Netto oder Rewe. Handelt es sich also um linksideologische Selbstzerfleischung? Eine einseitige Spurensuche.
Malte Reupert, seines Zeichens Gründer und Inhaber von Biomare, schätzt sich im Rückblick als in der Wendezeit politisch sehr interessiert und motiviert ein. Er erfuhr, auch wegen seines Ziehvaters, ein marxistischer Pfarrer, eine gleich mehrfach marxistische Prägung, erzählt er. Und getreu dem urlinken Rauschebart ist für Reupert die Praxis der Prüfstein jeder Theorie, zumal die Praxis, im marxschen Duktus die Produktionsverhältnisse, die Gesellschaft bestimmt.
„Der ökologische Kerngedanke entstand für mich eigentlich schon sehr früh“, so Reupert. „Denn das viele Reden im linken Milieu hatte ich ziemlich schnell über.“ Entscheidend sei weniger die Vorstellung einer gesellschaftlichen Utopie, einer Wunschvorstellung, als vielmehr das Hier und Jetzt zu einem Zustand zu transformieren, den wir als besser befinden können.
Reupert wird folgerichtig Bio-Bauer und scheitert. „Die Mathematik lässt sich eben nicht mit Wünschen außer Kraft setzen.“ Dass seine Vision, die Welt öko-sozial zu verbessern, ökonomisch aufgehen muss, nennt er seine erste wichtige Lernaufgabe. Und falls sie nicht aufgeht, sind daran zuerst nicht irgendwelche anderen schuld. Das heißt? Reupert schreibt sich als Student der Wirtschaftswissenschaft an der Universität Leipzig ein. Denn für ihn ist ein Problem eine Aufgabe, die es zu meistern gilt.
Konsumentenwille und eine Nachhaltigkeitsbilanz
Heute umfasst Biomare drei Filialen mit einem Jahresumsatz von achteinhalb Millionen Euro. Kurz vor dem Millennium war es ein studentisches Kleinstunternehmen, eine Keimzelle, zuerst für die Selbstversorgung beziehungsweise als Bio-Lieferdienst. Insbesondere Familien mit Kindern würden ernsthaft über gesunde Ernährung nachdenken und nicht nur aus Imagegründen im Bioladen einkaufen, urteilt Reupert.
„Ökologisierung funktioniert dann, wenn jede Seite ihren Teil der Verantwortung wahrnimmt – mit aller Konsequenz.“ Konsumenten würden bewusst oder unbewusst über die Struktur der Wirtschaft mitentscheiden, eine gewisse Unternehmenskultur unterstützen oder boykottieren. Im Falle von Lebensmitteln beeinflusst dies die Stärke oder Schwäche des Ökolandbaus, das Tierwohl, die Klimalast, das heißt die Nachhaltigkeit.
Auf der Seite von Biomare steht in der Bilanz von 2017 ein Gewinn von anderthalb Prozent zu Buche. „Mein Ziel ist nicht eine maximale Produktivität, sondern dass meine rund hundert Mitarbeiter gern zur Arbeit kommen“, unterstreicht Reupert. Ansonsten würde er den Laden zumachen. In seinem mehrdimensionalen Wertesystem rangieren Zufriedenheit und „Teamhygiene“ vor dem Geld. Er genieße und nutze das Privileg als Unternehmer, sich seine Mitarbeiter aussuchen zu können. Und viele von denen könnten anderswo mehr verdienen, arbeiten jedoch an der konkreten Utopie Biomare.
„Wirtschaftliche Stabilität ist auch eine Nachhaltigkeit“, meint Reupert. Das Thema Bio in die Gesellschaft gebracht zu haben, ist gut, aber kein Grund nachzulassen. Zum Beispiel stehen auf den Etiketten der Preis, Nährwertangaben, Allergene, Biosiegel und vieles andere mehr – aber der ökologische, soziale Preis fehle.
Daher wird er 2019 eine Nachhaltigkeitsbilanz für das Unternehmen aufstellen, um die Nachhaltigkeitslast vom Erzeuger bis in den Laden nachvollziehen zu können. Lückenhaft vielleicht noch, aber ein Anfang. „Es wird einige Überraschungen geben“, sagt er und dass die Logistik in der Bio-Branche schlechter als im konventionellen Bereich sei. Biomare bleibt für Reupert unverändert ein Experimentierfeld, getrieben vom Ansporn besser zu werden und sich weiterzuentwickeln.
Bio-Wirtschaft in Leipzig (3): Das Geheimnis der Eismanufaktur – bio, vegan und mit Schlümpfen
Bio-Wirtschaft in Leipzig (3): Das Geheimnis der Eismanufaktur – bio, vegan und mit Schlümpfen
Keine Kommentare bisher