Es ist eine einmalige Chance, die sich im Jahr 2018 auftut: Die Leipziger Bürger können ihre Sparkasse in eigene Regie nehmen. Etwas, was ihnen in den letzten Jahrzehnten niemals möglich war. Und nach Ansicht der Grünen ist das der einzig richtige Weg. Denn der Ärger der Leipziger prallt auch in ihrer Geschäftsstelle auf.
„Die Sparkasse hat als kommunal getragene Einrichtung einen Versorgungsauftrag – gerade in der wohnungsnahen Grundversorgung und in einer besonderen Verantwortung gegenüber Menschen mit geringen Einkünften. Nicht immer dürfen daher allein unternehmerische Entscheidungen zur Ergebnisoptimierung für die Geschäftspolitik ausschlaggebend sein. Sie darf aus unserer Sicht nicht wie andere Banken vordergründig und nur allein als gewinnmaximierendes Unternehmen am Markt tätig sein“, schreiben die Grünen jetzt in einem Antrag, mit dem der Stadtrat den OBM beauftragen soll, den Sparkassenzweckverband aufzulösen, die Sparkasse Leipzig von der Sparkasse Leipzig Land zu lösen und das Institut der Steuerung des Stadtrates zu unterstellen.
Denn aller Frust der Bürger über Filialschließungen und Kontokündigungen landet auch in den Fraktionen im Stadtrat.
„Nur: Wir können gar nichts tun. Wir haben null Einfluss auf das Unternehmen“, sagt Norman Volger, Fraktionsvorsitzender der Grünen. Geärgert haben sich Leipzigs Ratsmitglieder über die intransparente Arbeit des Instituts schon länger.
In ihrem Antrag fassen sie einige ihre Kritikpunkte zusammen: „Ob bei den überraschenden Schließungen von Filialen, und damit der Aushöhlung des gesetzlichen öffentlichen Auftrages für eine flächendeckende Versorgung, der Ausstattung der Geschäftsstellen mit Automaten, in der Zinspolitik, aktuell die überraschende Kündigung von langfristigen Sparverträgen, bei den intransparenten Kriterien für ihre Sponsoringaktivitäten, den geringen Informationen über Aktivitäten und die Vermögenswerte ihrer drei Stiftungen oder mit Problemen der Versorgung von Menschen ohne oder mit geringen Einkommen – immer wieder gibt es Anlass zu öffentlicher Kritik.“
Auch von den geplanten Filialschließungen in Leipzig erfuhren sie erst durch die Presse.
Der Grund dafür ist das komplizierte Verwaltungsgefüge der Stadt- und Kreissparkasse Leipzig. Eigentlich schwebt über allem die Trägerversammlung. Darin sind auch alle Leipziger Stadtratsfraktionen vertreten. Ein auf den ersten Blick demokratisch verfasstes Gremium. Aber die Schließungspläne für die Filialen haben gezeigt: Dieses Gremium wird in die Entscheidungen der Sparkasse nicht einbezogen, es wird nicht einmal informiert. Entsprechend sauer reagierten die Stadträte, die in diesem UFO sitzen und aus der Presse erfuhren, was „ihr“ Sparkasseninstitut gerade beschlossen hat.
Die eigentlichen Entscheidungen fallen im Verwaltungsrat der Sparkasse. Der hat 15 Mitglieder. Der OBM hat quasi den Vorsitz, vier Bürgermeister aus den Landkreisen sitzen drin, zwei Wirtschaftsvertreter, fünf Vertreter der Beschäftigten. Aber nur zwei Leipziger Stadträte.
„Ein Unding“, stellt Norman Volger fest. Ganze zwei Stadträte aus Leipzig sollen Einfluss nehmen auf die Entscheidungen eines Instituts, dessen Umsätze zu 85 Prozent in Leipzig generiert werden und nur zu 15 Prozent in den Landkreisen? Das macht Entscheidungen denkbar bürgerfern. Und es entmachtet den Leipziger Stadtrat. Eine Ohnmacht, die mit den Entscheidungen zu Filialschließungen und Sparvertragskündigungen überdeutlich wurde.
Volger erinnert sich dabei auch gleich noch an die Debatte um das Sparkassen-Terminal in Dölitz. Eigentlich, so stellt er fest, sollte die gewählte Ratsversammlung genau auf diese Dinge Einfluss nehmen können. Eine Sparkasse stehe in der Pflicht, für alle Bürger an ihrem Wohnort die Grundversorgung zu sichern.
Aber wie soll das funktionieren, was die Grünen jetzt vorschlagen?
Im ersten Schritt soll mit dem Antrag der OBM beauftragt werden, wie geplant, den Sparkassenzweckverband im Jahr 2018 aufzulösen. Der Zweckverband wurde gegründet, nachdem die Leipziger Sparkasse 2012 aus der einst von Finanzminister Georg Milbradt (CDU) geschmiedeten Sachsen-Finanzgruppe ausgetreten war. Die hatte Milbradt aus der Taufe gehoben, um über die versammelten Sparkassen das Experiment Sächsische Landesbank abzusichern. Das ja bekanntlich 2007 gründlich scheiterte.
Der neu gegründete Zweckverband sollte verhindern, dass die bei den Sparkassen verbleibenden Restkosten ungefedert auf die Institute durchschlagen. Er war eine Art Schutzkonstrukt. Die Sparkasse Leipzig hat ihre Restschulden trotzdem über die Jahre fleißig abgestottert. 2018 wird die letzte Rate fließen. Dann wird der Zweckverband überflüssig.
Was dann geschehen soll, hat der Leipziger Stadtrat 2013 sogar schon beschlossen: Der Zweckverband wird aufgelöst, die Trägerschaft wird neu gegliedert.
Eigentlich ein komplexer Vorgang, über den der OBM die Fraktionen längst hätte informieren müssen. „Aber wir haben noch nichts dergleichen gehört“, sagt Volger. Die Vermutung liegt nahe, dass auch noch nichts in die Wege geleitet ist.
Aber die Grünen beantragen nicht nur, dass der OBM den Zweckverband wie geplant auflöst, sondern das Oberbürgermeister Burkhard Jung „zum frühest möglichen Termin“ auch daran geht, die Sparkasse Leipzig mit ihren Filialen aus dem Zusammenhang mit den Sparkassenteilen in Nordsachen und Landkreis Leipzig herauszulösen und damit auch die Verquickung zu beenden, die das Finanzinstitut für die Politik praktisch unsteuerbar macht. Denn im Verwaltungsrat hat Leipzig – obwohl es den Löwenanteil zum Umsatz beiträgt – eine unüberwindliche Minderheitenposition.
Und wirklich handlungsfähig sind auch die Landkreise nicht. Der Verwaltungsrat ist ein Gremium, über das weder der Leipziger Stadtrat noch die Kreistage in ihrem Interesse steuern können.
Kann man die einzelnen Teile der Sparkasse überhaupt auseinanderfitzen?
„Kann man“, sagt Volger. Aber es wird ein Vorgang, der sicher ein paar Jahre benötigt. Der aber nicht unmöglich ist, denn von Filialen bis Konten lässt sich alles auch genau zuordnen. Solche Trennung von Unternehmensteilen ist nichts ungewöhnliches, betont Volger. Nur bei Sparkassen ist es eine Premiere, ergänzt Katharina Krefft, die Fraktionsvorsitzende.
Bislang wurde in der Bundesrepublik vor allem die Zusammenlegung von Sparkassen forciert, um sie leistungsstärker zu machen. So passiert zuletzt auch mit der Kreissparkasse Torgau-Oschatz, die 2004 von der Sparkasse Leipzig übernommen wurde, und der Sparkasse Delitzsch-Eilenburg, mit der das 2005 geschah. Es hat auch funktioniert. „Und wenn die Landkreise ihre Sparkassen jetzt wieder selbst übernehmen, bekommen sie ein deutlich gestärktes Unternehmen zurück“, sagt Volger.
Man muss sich nur einvernehmlich einigen. „Jetzt“, so Katharina Kreft, „haben wir einen großen dichten Wald vor uns stehen und keinerlei Einfluss darauf, was wie entschieden wird.“
Die Frage, was von der Sparkasse alles gesponsert werde und nach welchen Leitlinien, sei ebenso ungreifbar wie die Verwendung der Gewinne – warum der größte Teil in die Rücklagen fließe und Leipzig als Haupteigentümer am Ende nur 3 Millionen Euro bekommt. Selbst eine unabhängige städtische Kontrolle über die bbvl gibt es nicht. Für Leipzigs Stadträte ist die Sparkasse eine Black Box. Und sie haben nicht einmal die Möglichkeit – wie bei der LWB – über Eigentümerziele Einfluss auf die Politik des Instituts zu nehmen.
Jetzt, so Krefft, komme es natürlich darauf an, die anderen Fraktionen zu überzeugen von dem Vorschlag. „Wenn der Stadtrat das so beschließt, dann muss es der Oberbürgermeister auch so umsetzten“, sagt sie. „Egal, ob es ihm gefällt oder nicht.“
Für Leipzig sei es eine Riesenchance, jetzt die Steuerung des eigenen Geldinstituts wieder in die eigene Hand zu nehmen und auch gegenzusteuern, wenn Entscheidungen nicht den Wünschen der Leipziger entsprechen.
Sollte die Stadtratsmehrheit den Antrag unterstützen, wäre der nächste Schritt ein Umsetzungskonzept. Und dann kann es ein paar Jahre dauern, bis alle Sparkassenteile säuberlich auseinandersortiert sind und die Sparkasse Leipzig einen Verwaltungsrat bekommt, der seinen Namen verdient. Dann mit mindestens 10 gewählten Stadträtinnen und Stadträten im Gremium, die dann nicht mehr aus der Presse erfahren, was beschlossen worden ist.
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