Am 18. November 2016 gab es gemรคร einer Publikation der klagenden Leipziger Rechtsanwaltskanzlei โSpirit Legal LLPโ am Hamburger Landgericht einen leisen aber heftigen Dammbruch im Netzrecht. Verhandelt wurde die einstweilige Verfรผgung gegen einen Betreiber einer Netzseite, welcher ein Foto verlinkt, also nicht auf der eigenen Seite eingestellt hatte. Dieses Bild unterlag dem Urheberrecht und war durch die andere, von ihm verlinkte Seite unberechtigt genutzt worden. Die zu entscheidende Frage vor dem Landgericht Hamburg war also: Haftet auch der Seitenbetreiber, welcher lediglich auf das Bild verlinkt hatte? Am 8. Dezember 2016 lud nun die klagende Kanzlei das Urteil ins Netz. Die Antwort in diesem Fall lautet offenkundig: Ja.
Klรคger und Beklagter sind im hochgeladenen PDF auf der Kanzleiseite geschwรคrzt, auch die Internetseiten, um welche es geht, sind aus Datenschutzgrรผnden nicht zu erkennen. Doch das Aktenzeichen ist angegeben, die L-IZ.de hat beim Landgericht Hamburg entsprechend bereits um Auskunft zum Vorgang gebeten โ er ist dort Stand Heute in einem ersten Telefonat bekannt. Dass sich die Leipziger Kanzlei hierbei einen seltsamen Scherz erlaubt, scheint also ausgeschlossen โ das Urteil wurde von ihr zudem mit einer langen Kommentierung und Verweis auf das im September eingetretene EU-Recht zu Verlinkungsfragen auf der eigenen Kanzleiseite flankiert.
Darin heiรt es in der Falldarstellung durch Rechtsanwalt Dr. Jonas Kahl von โSpirit Legalโ unter Anderem: โEin deutscher Fotograf stieร auf einer Webseite auf einen Artikel, der mit einem von ihm angefertigten Foto illustriert war. Eine Einwilligung zur Nutzung des Fotos hatte der Fotograf nicht erteilt. Es handelte sich insofern um eine Urheberrechtsverletzung โ auch nach bisheriger Rechtslage. Allerdings musste der Fotograf feststellen, dass auch auf der Webseite eines Dritten, des Antragsgegners im hiesigen Verfahren, ein Link auf die Webseite mit dem unberechtigt genutzten Foto gesetzt war. Dabei hatte der Antragsgegner das Foto nicht selbst auf seiner Webseite eingebunden, sondern lediglich einen Textlink auf die Seite gesetzt, auf der das Foto abgebildet war.โ
War es bislang so, dass mit der kostenpflichtigen Entfernung des Fotos auf der Seite, wo es unberechtigt publiziert wurde, dem Schaden des Fotografen Genรผge getan war, wurde nun auch der Verlinkende mit einer einstweiligen Verfรผgung einbezogen. Basis dafรผr sei laut Urteilsbegrรผndung aus Hamburg eine neue Rechtsprechung des Europรคischen Gerichtshofs (EuGH) vom 08.09.2016. In diesem hatte das Gericht entschieden, dass sich Macher professionell betriebener Seiten โ also denen mit Gewinnerzielungsabsicht, wie Online-Zeitungen, Shops, Blogseiten aber wohl auch den Facebookseiten der professionellen Betreiber โ vor Verlinkungen vergewissern mรผssen, ob Bilder auf den verlinkten Seiten dem Urheberrecht entsprechen.
Mรถgliche Gewinner des neuen EU-Rechts
Die Kanzlei โSpirit Legalโ dazu: โDie jรผngste Rechtsprechung des EuGH war so zu verstehen, dass auch ein solcher bloรer Textlink eine eigene Urheberrechtsverletzung darstellen kann. Wann genau dies anzunehmen ist, war allerdings bisher offen.โ
Nun unterstellt das Dokument auf der Seite der Kanzlei in einem ersten deutschen Urteil die Rechtsauffassung, dass zukรผnftig vor jeder Linksetzung eine Prรผfung durch Seitenbetreiber stattfinden mรผsste. Zur Klรคrung, ob sich hinter dem Link Fotos verbergen, welche der verlinkte Seitenbetreiber unberechtigt nutzt. Ein Prozess, welcher sich in unzรคhligen Einzelurteilen ausdefinieren wird, sollte er wirklich so ablaufen wie im Hamburger Urteil beschrieben. Ein wahres Fest fรผr Medienrechtsanwรคlte ist es in jedem Fall โ mit der Entscheidung aus Hamburg werden sich nun wohl die Versuche von Kanzleien hรคufen, Webseitenbetreiber zu verklagen, die auf Drittseiten verlinken. Andererseits erhรถhen sich so auch die Mรถglichkeiten fรผr Fotografen, bei Urheberrechtsverletzungen bei ihren Bildern mehr als nur einmal eine Entschรคdigung zu erhalten.
Ein Dammbruch
Inwieweit solche Prรผfungen in Umfang und Tiefe jedoch zu realisieren sind und ob sie sich auch auf weitere Mediaformen wie Videos oder letztlich gar Texte, welche das Urheberrecht verletzen, ausdehnen lassen, ist derzeit vollkommen unklar.
Mit dem Hamburger Urteil, dies gibt die Kanzlei โSpirit Legalโ unumwunden zu, wird sich das Netz verรคndern. Der Leipziger Medienrechtler Kahl dazu auf der Seite der Kanzlei: โInsbesondere fรผr alle Internetnutzer, die sich gewerblich beziehungsweise mit Gewinnerzielungsabsicht im Internet bewegen, bringt die Entscheidung des Landgerichts Hamburg eine massive Verschรคrfung ihrer Prรผfpflichten und ihrer Haftung mit sich.โ
Weiter heiรt es in seinen Ausfรผhrungen: โUm auszuschlieรen, dass man als Linksetzender selbst wegen einer Urheberrechtsverletzung in Anspruch genommen wird, sollte man kรผnftig vor jeder Verlinkung prรผfen, ob dem Seitenbetreiber die erforderlichen Rechte fรผr dort verรถffentlichte Fotos eingerรคumt wurden. Ist das nicht der Fall, sollte man auf die Linksetzung verzichten, wenn man kein Haftungsrisiko eingehen will.โ
Denn wie weit eben diese Prรผfpflichten im Einzelnen reichen, hat das Landgericht Hamburg offengelassen. Heiรt im Klartext: Das Misstrauen wird regieren โ Verlinkungen zu anderen Seiten sollte man derzeit wohl lieber eher lassen, als sie zu setzen. Denn der Abmahnanwalt ist unter Umstรคnden nicht weit.
Betroffen kรถnnten auch Werbenetzwerke sein
So kรถnnten auch Marketingformen, wie automatisiert ausgespielte Werbung, betroffen sein, da diese immer verlinkt sind. Dies fรผhrt auch die Kanzlei โSpirit Legalโ aus, wenn sie schreibt: โDie Rechtsprechung differenziert nicht zwischen Werbung und redaktionellen Beitrรคgen. Der Webseitenbetreiber haftet demnach fรผr alle Links, die von seiner Seite aus auf fremde Webseiten fรผhren. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb explizit werbliche Links aus Anzeigen von der Haftung ausgenommen sein sollten.โ
Dies gelte wohl auch fรผr grรถรere, automatisierte sogenannte Affiliate-Partnerprogramme, in denen der Anbieter Werbung auf anderen Seiten ausspielt. Wie so viele Blogs, Zeitungsseiten und Linkfarmen (ua. Hetz- und Fakenewsseiten mit Anschluss an Affiliatprogramme).
Rechtsanwalt Dr. Jonas Kahl in seinem Kommentar zum Urteil: โDiese weite Haftung ermรถglicht bei Rechtsverstรถรen auf den verlinkten Seiten die Inanspruchnahme aller Seitenbetreiber, die eine entsprechende Werbung einblenden. Die Konsequenzen fรผr Werbenetzwerke aber auch Werbetreibende selbst sind auch aufgrund der Regressmรถglichkeiten erheblich.โ
Derzeitiges Fazit (Stand 8.12., 21:14 Uhr)
Mit der neuen Rechtsprechung des Europรคischen Gerichtshof (EuGH) und dem Hamburger Urteil vom 18. 11. 2016 hat eine neue Schlacht im Netz begonnen. Es dรผrfte zu weitaus mehr Prozessen kommen als bislang, wenn ein Urheber seine Rechte durchsetzen mรถchte โ auch die mรถglichen Schadenssummen werden steigen, da es gleich mehrere Beklagte treffen kann, die auf eine Seite verlinken, auf der ein Urheberrechtsverstoร vorliegt.
Urheber erfahren so zwar eine Stรคrkung, doch die Beweglichkeit und Breite des Netzes wird so deutlich eingeschrรคnkt โ der Informationsfluss verlangsamt. Betroffen sind scheinbar nur Betreiber einer Seite, die im derzeit weitestmรถglichen Sinne Gewinne รผber Werbeschaltungen, Verkรคufe oder andere Wege erzielen mรถchten. Was auch bedeuten kann, dass bestimmte Werbe-Einnahmemodelle im Netz zusammenbrechen werden, welche sich รผber Massenwerbung finanzieren. Gegeneffekt in diesem Bereich: lokale Seiten wie die L-IZ.de sind davon im Bereich Werbeschaltungen eher weniger berรผhrt.
Summe & Beispiel: Was wir also mit dem nachfolgenden Link zum Beispiel als Internetseite mit โGewinnerzielungsabsichtโ hier tun, ist nach derzeitiger Information gefรคhrlich. Wir verlinken auf den Beitrag der Kanzlei mit dem Urteil als PDF, den weiterfรผhrenden Erlรคuterungen und Anmerkungen. Also auf die Seite spiritlegal.com. Gefรคhrlich deshalb, weil ein Foto von Rechtsanwalt Dr. Jonas Kahl enthalten ist, bei welchem am Foto selbst nicht angegeben ist, wer es erstellt hat. Zugleich fehlt im Impressum der Kanzlei ein Ansprechpartner, wie zum Beispiel fรผr Medien wie uns vorgegeben, mit dem man eine solche Frage klรคren und sich bestรคtigen lassen kรถnnte.
Wir mรผssen demnach darauf vertrauen, dass Rechtsanwalt Peter Hense, Domaininhaber der Seite der Kanzlei laut Registerauskunft, darauf geachtet hat, dass das Bild seines Mitarbeiters legal eingestellt wurde und keine Urheberrechtsverletzung vorliegt. Diese kann zum Beispiel auch darin bestehen, dass eine Nutzungsdauer fรผr das Foto vereinbart wurde, welche ein Dritter nicht kennt.
Wissen kรถnnten wir es im Sinne einer abschlieรenden Gefahrenabwehr fรผr die L-IZ.de eigentlich nur, wenn uns dies Herr Hense schriftlich bestรคtigt hรคtte. Denn das Haftungsrisiko fรผr seine eventuelle Urheberrechtsverletzung tragen wir nunmehr mit. Schรถne neue Netzwelt. Denn umgekehrt sollte die Kanzlei wohl genau รผberlegen, ob sie wirklich diesen Artikel bei sich als Referenz verlinkt.
Zum Beitrag auf der Kanzleiseite von Spirit Legal
So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:
Es gibt 4 Kommentare
Ich sehe das in Hamburg gefรคllte Urteil nicht allzu lange bestehen, es schreit auf jeden Fall nach einem Grundsatzurteil auf Bundesebene. Mit dieser Feststellung des Landgerichts gewinnt niemand Rechtssicherheit, dafรผr schafft das Urteil fรผr viele natรผrliche und juristische Personen eine hohe Unsicherheit. Auch wegen des von Axel zu Recht aufgefรผhrten Beispiels.
โversteht manโ natรผrlich.
Ich glaube da verstehen man das Internet nicht so wirklich, denn im Gegensatz zu Printmedien kann ich ja eine Seite jederzeit รคndern/aktualisieren, d.h. auch nach Linksetzung und Prรผfung kann die verlinkte Seite ein Foto o.รค. einfรผgen. Soll dann der Verlinkende minรผtlich prรผfen oder Screenshots anfertigen? Grundsรคtzlich ein fatales Urteil, welches hoffentlich in einer nรคchsten Instanz wieder aufgehoben wird. Dauerhaft!
Das kรถnnt glatt ne Meldung vom Postillon sein. Meinen die das wirklich ernst? Ich finds total lรคcherlich.
Aber Klasse Fazit, da dรผrfte sogar der Herr Anwalt schmunzeln.^^