Wie ein hรผbsches Weihnachtspรคckchen war die Leuchtsรคule am Naschmarkt mit Schleife umwickelt. Rechts und links fuhrwerkten die Verlader, wurden Buden aufgebaut, war kaum Platz fรผr all die stolzen Leute, die die Stadt zum Pressetermin fรผrs neue leuchtende Werbeprachtstรผck eingeladen hatte. Denn die Firma JCDecaux darf fรผr zweieinhalb Jahre mal was Neues ausprobieren. Der OBM hatโ€™s ermรถglicht.

Eigentlich sollte ja in diesem Jahr alles anders werden mit der Leipziger AuรŸenwerbung. Die zum Teil 26 Jahre alten Vertrรคge mit den Werbepartnern der ersten Stunde sollten auslaufen. Einzelpakete sollten neu ausgeschrieben werden und die Wartehรคuschen an den LVB-Haltestellen sollte die Stadt selbst รผbernehmen. Das war eins der groรŸen Projekte von Baubรผrgermeisterin Dorothee Dubrau.

Am Ende wurde sie ausgebremst. Und das nicht nur, weil scheinbar alles holterdipolter ging. Da haben eine ganze Menge Leute mitgedreht, die gern ein eigenes Stรผck vom Leipziger Werbekuchen haben oder den FuรŸ in der Tรผr behalten wollten. Das Projekt wurde vertagt, der langwierige Werbepartner JCDecaux bekam noch einmal eine Vertragsverlรคngerung bis 2019. Und die kann sich richtig bezahlt machen.

Denn jetzt kann JCDecaux in Leipzigs FuรŸgรคngermeilen zeigen, wie digitale Werbung der Zukunft aussehen kรถnnte. Die Leipziger kennen das Format schon aus dem Hauptbahnhof, wo es auf digitalen Werbeflรคchen kleine Filmchen, animierte Informationen und jede Menge Werbung gibt, die auf dem Bahnsteig so ein bisschen Fernsehgefรผhl vermittelt.

Der Werbemarkt ist heiรŸ umkรคmpft, stellte auch Jean-Franรงois Decaux, Co-CEO des internationalen Konzerns JCDecaux, fest, als er mit OBM Burkhard Jung am Donnerstag, 17. November, das Schleifchen an der Werbesรคule abzog. Es ist eins von sieben City-Light-Postern (dCLP), die jetzt fรผr zweieinhalb Jahre in der Leipziger Innenstadt stehen und die Passanten mit flackernder Werbung bespielen.

Burkhard Jung brachte es noch deutlicher auf den Punkt und merkte so ganz beilรคufig an, was er von Zeitungen eigentlich hรคlt: nichts.

โ€žDie Werbung wird in den nรคchsten Jahren komplett aus den Zeitungen abwandern ins Digitaleโ€œ, sagte er.

Vielleicht wird es wirklich so. Denn Firmen wie JCDecaux brauchen keine Zeitungen. Sie bespielen die ร–ffentlichkeit nur mit Werbung. Sechs โ€žslotsโ€œ pro Minute wechseln einander ab. Einen davon darf die Stadt Leipzig liefern, um eigene Stรคrken zu bewerben โ€“ aktuell das Mendelssohn-Haus. Auf der PetersstraรŸe und in der Grimmaischen StraรŸe wird es keine Bilder-Ruhe mehr geben. Vielleicht empfindet das Mancher als New-York-Feeling. In New York, so Jean-Franรงois Decaux, habe man vor vier Wochen die ersten dieser digitalen Werbesรคulen in Betrieb genommen. โ€žWir haben ein paar Jahre daran gearbeitetโ€œ, sagt er. Denn die Bildschirme sollten auch reflektionsfrei und wetterfest sein, so dass auch bei direkter Sonneneinstrahlung alles zu sehen ist.

Die sieben bespielten Sรคulen und dazu noch zwei digitale City-Light-Boards (dCLB) stehen quasi in einem รœbergangsraum. Sie sind weder Teil des alten Werbevertrags der Stadt mit JCDecaux, noch ist ausgemacht, dass sie nach 2019 stehen bleiben. Denn ob JCDecaux wieder den Zuschlag bekommt, ist vรถllig offen. Die Sache ist ein Test โ€“ und gleichzeitig die grรถรŸte Werbeaktion in eigener Sache, quasi die รถffentlich aufgestellte Bitte darum, dass digitale Leuchtreklame Teil der neuen Ausschreibung wird und sich der Stadtrat fรผr den alten Bekannten JCDecaux entscheidet.

Auch wenn die Stadt erst einmal betont, dass die digitalen Werbeflรคchen in Leipzig erst einmal nur getestet werden.

Erstaunlich ist, dass der Test gleich im Mai schon verabredet wurde, als die Stadt den Vertrag mit JCDecaux bis 2019 verlรคngerte.

In Gesprรคchen zwischen Oberbรผrgermeister und Jean-Franรงois Decaux sei die Mรถglichkeit solch eines Testprojektes besprochen worden, heiรŸt es. Seit 1989 ist JCDecaux Leipzigs Vertragspartner fรผr Werbung und Stadtmรถblierung im รถffentlichen Raum.

Nachdem die Neuausschreibung der Werbeleistungen fรผr die Jahre ab 2017 noch nicht endgรผltig abgeschlossen wurde, steht JC Decaux mit der Wall GmbH fรผr weitere zweieinhalb Jahre bis zum 30. Juni 2019 bis zum Abschluss des Vergabeverfahrens als Werbepartner fรผr die Stadt zur Verfรผgung.

Wo stehen die digitalen Leuchtreklamen?

Die sieben 1,87 mal 1,05 Meter groรŸen digitalen City-Light-Poster stehen an der PetersstraรŸe, der Grimmaischen StraรŸe und der Thomasgasse. Es handelt sich im Prinzip um LCD-Screens im Format 84 Zoll.

Die beiden 3,72 mal 2,80 Meter groรŸen City-Light-Boards mit einer sichtbaren Werbeflรคche von 3,52 mal 2,40 Meter befinden sich an der Ecke Brandenburger StraรŸe/Georgiring und an der Ecke Ranstรคdter Steinweg/Trรถndlinring. Sie stehen auf einem montierten FuรŸ in 2,50 Meter Hรถhe. Ihre Gesamthรถhe betrรคgt 5,30 Meter.

Was wird getestet?

Aus Sicht der Stadt ermรถglicht das Testprojekt zur Digitalisierung von Werbemรถbeln der Leipziger ร–ffentlichkeit und der Verwaltung, in einem zeitlich begrenzten Umfang Erfahrung mit dieser neuen Werbeform zu sammeln. Das reicht von Fragen der Lichtintensitรคten und deren Auswirkungen bis hin zu den Motiven, die auf digitalen Werbeflรคchen gezeigt werden kรถnnen und zu den Auswirkungen der Anlagen auf den StraรŸenverkehr.

Vorfreude auf neue Werbeerlebnisse: Jean-Franรงois Decaux und OBM Burkhard Jung. Foto: Ralf Julke
Vorfreude auf neue Werbeerlebnisse: Jean-Franรงois Decaux und OBM Burkhard Jung. Foto: Ralf Julke

Die fรผr das Testprojekt vereinbarten Bedingungen sollen aber auch fรผr das spรคtere Ausschreibungsverfahren gelten. Zulรคssig sind bis zu sechs wechselnde Motive auf einem Werbetrรคger. Bei den digitalen City-Light-Poster-Anlagen sind visuelle dynamische Bilder zulรคssig. Das heiรŸt, ein Motiv bewegt sich. Fรผr die digitalen City-Light-Boards legt die Vereinbarung Motivwechsel mit flieรŸenden, harmonischen รœbergรคngen fest. Die Motive wechseln in einem Rhythmus von mindestens sechs Sekunden. Die Helligkeit wird der Umgebungshelligkeit und dem Standort angepasst. Das Abspielen von Filmen oder audiovisuellen Sequenzen ist hingegen nicht gestattet.

Fรผr die digitalen City-Light-Poster gibt es als Zusatzfunktionen Beacons, QR-Codes, Near Field Communication (NFC), Lifetouch und WiFi โ€“ selbstverstรคndlich nur, wenn dies rechtlich zulรคssige Inhalte betrifft und die datenschutzrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden, betont die Stadt.

Leipzig kommt zwar schon vier Wochen nach New York dran. Aber aufgebaut wurden die Anlagen auch schon in Hamburg, Berlin, Kรถln, Paris und London.

Kommunizieren kรถnne man mit ihnen noch nicht, stellte Burkhard Jung mit Bedauern fest.

Und die Frage steht natรผrlich im Raum: Ist das wirklich die Zukunft der Innenstรคdte? Oder ist es ein Grund mehr, die Innenstadt mit ihrem zunehmend aufdringlicheren Geflacker kรผnftig zu meiden?

Die Akzeptanz bei den Passanten steht nicht im Mittelpunkt des Tests. Aber die Frage steht jetzt wieder auf der Tagesordnung: Wem gehรถrt der รถffentliche Raum? Und wo sind die Grenzen fรผr die allgegenwรคrtige Werbung?

In eigener Sache: Fรผr freien Journalismus aus und in Leipzig suchen wir Freikรคufer

https://www.l-iz.de/bildung/medien/2016/11/in-eigener-sache-wir-knacken-gemeinsam-die-250-kaufen-den-melder-frei-154108

 

So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:

Ralf Julke รผber einen freien Fรถrderbetrag senden.
oder

Es gibt 4 Kommentare

@Sabine
Ich glaube nicht, dass diese Art der Werbung darauf abzielt, dass man sich davor stellt. Das Konzept ist sicher subtiler.
Es ist einfach die Dauerberieselung und dann eben nun auch noch in der Innenstadt mit bewegten Bildernโ€ฆ
Letztlich wird die Stadt froh sein, dass Decaux die Haltestellen weiter bewirtschaftet (weil man selbst nicht dazu in der Lage ist) und dann gibt es eben weitere Zugestรคndnisse.

Wer schaut sich denn ohne Grund Werbung an? Wenn man eh grad Zeitung liest und darin Werbung vorkommt โ€“ ok. Hat man eh grad in der Hand und nimmts mit. Aber bei nem Stadtbummel? Selbst beim Fernsehen nutz ich die Werbeunterbrechungen als Pinkelpause, da stell ich mich doch nicht freiwillig vor so ne Flackersรคule.

Und was ist mit der Lichtverschmutzung? Was ist mit dem Energiesparern? Noch mehr Werbung, und aggressiver! Wo soll das noch hinfรผhren?

P.S. perfekt fรผr individuelle Werbung wenn man es mit Gesichtserkennung ausstattet. (GrรผรŸe aus Minority Report)

Schreiben Sie einen Kommentar