Der Speisesaal in der „Schule am Adler“ ist ungewöhnlich gut gefüllt an diesem Mittwochabend. Vertreter von gleich zwei Stadtbezirksgremien, die von Südwest und Alt-West, haben sich eingefunden, um Klarheit rings um den Felsenkeller zu bekommen. Nachdem es in der Öffentlichkeit so aussah, als ob es urplötzliche Baumfällungsarbeiten und neue Planungen für einen Supermarkt am Veranstaltungsgebäude gibt, waren einige Fragen aufgelaufen. Der größte Teil davon konnte geklärt werden. Teils durch ein Baumgutachten, teils durch eine überraschende Transparenz seitens der anwesenden Sanierer des Felsenkellers. Doch eine Frage musste zwangsläufig offenbleiben.

Der Beamer ist angeschlossen, Jörg Folta (Geschäftsführung im Felsenkeller), Stefan Marschall (Inhaber) und Dr. Ingo Seidemann von der maßgeblich an der Sanierung des Felsenkellers arbeitenden S&G Development GmbH haben sich gut präpariert. Ein Exkurs durch die bisherigen Arbeiten im Felsenkeller eröffnet den Abend, die Betonung liegt immer wieder auf den vielen bereits erbrachten Eigenleistungen im denkmalgeschützten Haus. „Es ist ein Wunder, dass das Gebäude durch Stefan Marschall seit 1996 überhaupt gerettet werden konnte“, so Seidemann über das Engagement des Unternehmers auf seinem privaten Grundstück am historischen Gebäude. Überall sei ein gesundheitsgefährdender Schwamm im alten Gemäuer gewesen, Bilder vom werkelnden Marschall werden via Beamer an die Wand geworfen.

Auch planerisch habe man in einer früheren Überlegung eher vorgehabt, dem Lofft und anderen ein neues Zuhause zu bieten und so ein neues Theater- und Veranstaltungszentrum zu werden. Ein Anbau sei hier geplant und wieder verworfen worden, als die Stadt entschied, das neue Theaterzentrum samt Naturkundemuseum auch aus Fördergeldgründen lieber in der Alten Spinnerei zu errichten. Alte Skizzen, Pläne von gestern, heute ist die Lage eine andere.

Seidemann ringt sichtlich um das Verständnis der anwesenden Bezirksräte, bis ihn Volker Holzendorf, Stadtbezirksbeirat der Grünen in Altwest, unterbricht. „Ich glaube, es ist ganz unstrittig und wird auch geschätzt, was alles im Felsenkeller bereits getan wurde. Aber es geht doch heute darum, was jetzt noch dazukommen soll.“

Baumfrei. Die Fläche für den REWE, rechts vom Felsenkeller an der Zufahrt Zschochersche Straße. Foto: L-IZ.de
Baumfrei. Die Fläche für den REWE, rechts vom Felsenkeller an der Zufahrt Zschochersche Straße. Foto: L-IZ.de

Der Plan am Felsenkeller steht

Das wird schnell klar. Ein REWE mit einer Fläche von rund 800 Quadratmetern. Skizze dazu, so soll es aussehen. Rechts vom Felsenkeller (schaut man auf der Karl-Heine-Straße stadtauswärts) soll ein Neubau entstehen, 48 Stellplätze (gemeinsam mit dem Felsenkeller, 14 für den Markt) und eine maßgebliche Zufahrt von der Zschocherschen Straße aus. Da, wo noch die LVB ihre Haltestelle hat? Dazu später mehr.

Mit Hilfe des Marktes soll die Sanierung des Felsenkellers vorangetrieben werden, REWE soll also bei der Refinanzierung der kommenden Sanierungsarbeiten helfen, so Seidemann. 1,6 Millionen Euro würden noch benötigt, um den Felsenkeller wieder voll nutzbar zu machen, so der Bauplaner. Mit den 400.000 Euro für das Dach seitens der Stadt sei es also nicht getan, im Rahmen eines fünfstufigen Plans benötige man im letzten Schritt schlicht eine zusätzliche Einnahmequelle. Der Veranstaltungsbetrieb im Felsenkeller allein würde die Gelder nicht erwirtschaften können.

Doch so ganz fertig ist man mit dem Vorlauf hin zu dieser Überlegung noch nicht. „Wir haben auch als Stadtbezirksbeiräte unter einem anderen Kenntnisstand dafür gestimmt, dass der Felsenkeller von der Stadt die 400.000 Euro für das Dach erhält.“, hält Holzendorf entgegen. Dann hätte man, so der Bezirksrat unter zustimmendem Gemurmel der Runde, auch weniger Geld aus dem Stadthaushalt freigeben und andere Projekte im Viertel bezahlen können.

Zeit für ein paar chronologische Ablaufdarstellungen also. Wann hat wer zugestimmt und wann war der Stadtverwaltung und der Öffentlichkeit bereits klar, dass hier am Felsenkeller ein neuer Supermarkt errichtet werden soll? Und seit wann wusste wer, dass die Bäume auf dem Gelände krank wären? Der Vorwurf, sie mussten einfach dem geplanten Markt weichen, hatte lange vor dem Termin die Runde gemacht. Wer hat hier wen nicht informiert?

Die Flächenplanungen zum Marktneubau mit Dachbegrünung am Felsenkeller. Die Ein- und Ausfahrten werden sicher noch für Debatten sorgen. Foto: Screen Bauplan Loewer + Partner Architekten & S&G Development GmbH
Die Flächenplanungen zum Marktneubau mit Dachbegrünung am Felsenkeller. Die Ein- und Ausfahrten werden sicher noch für Debatten sorgen. Foto: Screen Bauplan Loewer + Partner Architekten & S&G Development GmbH

Ingo Seidemann wusste offensichtlich vorher, dass es um diese Fragen gehen würde und zaubert als erstes ein der L-IZ.de nun vorliegendes Baumgutachten vom 15. April 2013 aus dem Hut. Zur Verblüffung aller Anwesenden ist in diesem tatsächlich festgehalten, dass nahezu der gesamte Baumbestand auf dem Felsenkellergelände entweder durch jahrzehntelang falsche oder fehlende Beschnittarbeiten und durch frühere Erdarbeiten stark beschädigte Wurzeln krank war. Auch manchen der noch stehenden Bäume – alle einzeln aufgelistet – wird hier attestiert, dass die Gefahr bestünde, sie könnten irgendwann umkippen oder großes Geäst durch Risse bis in den Stamm hinein herunterfallen.

Unterzeichner ist Dr. Hans-Heinrich Jesch, öffentlich bestellter und vereidigter Baumgutachter. Es hätte auch im Rahmen der Bauplanungen Baumfällungen gegeben, um zum Beispiel die Einfahrtmöglichkeit von der Zschocherschen Straße zu ermöglichen. Allerdings nicht bei den aktuellen Fällungen – diese lägen schon länger zurück. „Es gibt aber auch Bäume, die neu gepflanzt werden.“, so Seidemann und „bitte nehmen sie zur Kenntnis, dass hier um jeden Baum gerungen wird“. Wie viele Nachpflanzungen insgesamt ganz genau erfolgen werden, bleibt zwar noch etwas unklar – aber für die aktuellen Fällungen seien fünf neue Bäume geplant.

Man habe mit einigen Fällungen noch gewartet seit das Gutachten existiere, doch nun stehen schließlich in absehbarer Zeit Bauarbeiten ins Haus, der Bebauungsplan inklusive Supermarkt ist der Stadt mittlerweile vorgelegt. Die Bedenken hier dennoch: ob die 400.000 Euro für das Felsenkellerdach geflossen wären, wenn die Marktplanung noch bekannter gewesen wäre, blieben auch nach dem Termin.

Die Ostansicht auf den Bauplan von der Zschocherschen Straße. Unterlagen von S&G Development GmbH
Die Ostansicht auf den Bauplan von der Zschocherschen Straße. Unterlagen von S&G Development GmbH

Dennoch – und dies sah Ingo Seidemann anhand eines Artikels vom 13. 11. 2014 in der LVZ nachgewiesen – die gewerbliche Nutzung und geplante Neubauten seien bekannt gewesen. Nicht so konkret wie jetzt und im Beitrag selbst ging es eher um die neue Veranstaltungstätigkeit im Felsenkeller – aber erste Zeichen seien vorhanden gewesen und der Plan mit der Co-Finanzierung auf dem Privatgrundstück sei immer dagewesen. Der konkrete Deal mit REWE sehe nun vor, dass man sich bei den Felsenkellermachern rund eine Million Euro von der Handelskette für die Sanierung erhofft. Damit wäre die Sanierung des Felsenkellers also umsetzbar. Beim Bauplan und den Verhandlungen mit der Kette sei bereits „alles in trocknen Tüchern“, so Seidemann abschließend.

Plagwitz im Fokus weiterer Interessen

Offen bleibt wohl trotz der weitgehenden Übereinstimmung zwischen den Anwesenden am Ende, dass es wohl nicht anders ginge, wie die jetzigen Planungen im Viertel ankommen werden. Neben der auch in Richtung LVB gerichteten Frage, ob sich die Zufahrt an der Zschocherschen Straße ohne ständige Rückstaus und Kollisionen mit der Straßenbahn realisieren lasse, stellt die bloße Existenz eines weiteren Marktes neben der Elsterpassage eine gewisse Konkurrenz dar. Eine, die sich erst in der Praxis zeigen wird – nach Berechnungen von REWE selbst ist im Gebiet noch genug Potenzial für den eigenen Markt vorhanden.

Während die LVB nach Aussagen Seidemanns durchaus überlegt, die bisherige Haltestelle am Felsenkeller ein Stück stadtauswärts oberhalb der Kreuzung neu zu errichten und mehrfach darauf hingewiesen wurde, dass der Markt eher für Laufkundschaft, also ohne Pkw aus dem nahen Umfeld gedacht sei, ist sicherlich noch das eine oder andere Gespräch auch entlang der noch gewerblich eher kleinteilig aufgestellten Karl-Heine Straße nötig, um für Akzeptanz bei einigen zu werben.

Denn REWE ist nach L-IZ – Informationen nicht der letzte Interessent, im beliebten Leipziger Viertel Plagwitz neben der Elsterpassage und dem Biomare auf der Karl-Heine Straße neu zu starten. Im Westwerk laufen Verhandlungen zu einem neuen Biomarkt bislang unbekannter Größe. Ein Name taucht dabei in den letzten Wochen immer öfter auf. Die „Bio Company“ aus Berlin hatte ebenfalls beim Standort am Felsenkeller Interesse gezeigt, REWE machte am Ende das bessere Angebot. Doch auf der Seite der 1.300 Filialen starken Bio-Kette aus der Hauptstadt steht zu lesen: „Wir suchen laufend Standorte mit Zukunft für Biosupermärkte im Berliner Stadtgebiet, in Leipzig, Dresden oder Hamburg.“

Dabei suche man „leere, ebenerdige Räumlichkeiten“ für Biofachmärkte „mit 500 – 800 qm Verkaufsfläche“.

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Es gibt 3 Kommentare

Es ist zu erahnen, welche Bevölkerungsgruppen im Besonderen, die dort ungeplant entstehenden “stille” Ecken dankend annehmen und nutzen werden.

Es macht nichts, dass Theater und Veranstaltungen nun offiziell in der in der Alten Spinnerei geplant sind – hier am Felsenkeller wird es auch “authentisches Theater” und “lebhafte Veranstaltungen” geben.

Da das Gelände in privatem Besitz ist finde ich, dass es erstmal sein gutes Recht ist, dort auch zur Finanzierung einen REWE Markt zu errichten. Natürlich ist die Finanz-Zusage durch die Stadt jetzt fragwürdig – aber es wird an vielen Stellen für fragwürdigere Projekte Geld ausgegeben. Wenn REWE meint, dass der Stadtteil noch Potential bietet, warum nicht? Ich glaube, dass das Projekt die Gegend letztlich aufwerten wird. Die Kreuzung zu renovieren wäre eine gute Sache, von der alle Beteiligten profitieren (Felsenkeller, LVB und Autofahrer).

Allein schon die geplante Ein- und Ausfahrt an der Zschocherschen Straße hätte das KO-Kriterium gegen einen Supermarkt auf diesem Gelände sein müssen. Dort, wo sich die Autos auch so schon bis sonstwohin stauen die aus Richtung Lützner Straße kommen, sollen dann auch noch ein- und ausfahrende (auch Liefer-)Fahrzeuge das Chaos vergrößern – wenn´s geht, noch als Linksausbieger in die Zschochersche Straße – denn wenn man von da gekommen ist, will man da wahrscheinlich auch wieder hin…
Zudem braucht niemand einen weiteren Supermarkt da und wenn man so ein Objekt/Projekt anderes nicht finanziert bekommt, muss man es eben an jemanden verkaufen, der es besser kann…

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