Wie läuft es denn? "Ganz super", sagt Anja Schneider und grinst. Ein bisschen angestrengt, denn sie meint es ironisch. "Nein, es läuft wirklich nicht gut." Das ist das Fazit der drei Schwestern, die den Laden Maroanella in der Eilenburger Straße betreiben. Seit das Geschäft im März vergangenen Jahres aufmachte, hat sich zwar viel getan, doch der Betrieb ist noch immer nicht so recht angelaufen.
„Wir überlegen ständig, was wir besser machen und mit wem wir kooperieren können, doch die Reaktionen sind überschaubar“, sagt Romy Baumbach.
Maroanella ist ein Laden, in dem vieles angeboten wird: handgefertigte Baby- und Kinderkleidung, Kuscheltiere, eine Änderungsschneiderei, ein Bügelservice sowie Textilreinigung, Ernährungsberatung, Trinkwassermessung, ausgefallene Schuhe und Auftragsmalerei. Der Umriss eines Frauenkörpers ziert die Schaufenster des Geschäfts. „Drei Schwestern mit Herz“ steht dabei. Mittlerweile ist das Geschäftskonzept um den Slogan „mit Herz und Ideen rund um Frau und Kind“ erweitert worden. Und noch immer kommen die Kunden nicht. Woran es wohl liegt?
„Die Lage ist definitiv ein Faktor“, bilanziert Romy Baumbach, die sich um das Marketing kümmert. Das Lädchen befindet sich in der Eilenburger Straße 35, stadtauswärts zwischen Riebeckstraße und Martinstraße, in Sichtweite eines Discounters an der Ecke. Es ist ein Wohnviertel, wo sich die Schwestern niedergelassen haben. „So gut wie keine Laufkundschaft“, räumt Baumbach ein. Und das sei wohl auch einer der Gründe, warum es hakt. „Wir finden, dass es in Leipzig schwer ist, geeignete Ladenflächen zu finden, die auch bezahlbar sind.“
Im Vorfeld hatten sie sich vieles angeschaut. Innenstadtlage sei unbezahlbar. „In der Südvorstadt verhält es sich mit der Karl-Liebknecht-Straße ebenso. Und in Nebenstraßen muss man aufpassen, dass man nicht, wie hier, zu ruhig liegt“, so Maxi Baumbach, die Dritte im Bunde. Sie halten trotzdem die Augen auf und würden wohl jede Gelegenheit zur Verbesserung wahrnehmen.
Dabei stellt sich ihnen ein Hindernis in den Weg: die Krankheit der jüngsten Schwester, Anja. Sie leidet an Muskelschwund, „das darf man nicht mit Multipler Sklerose verwechseln“, sagt sie. Es handelt sich um eine angeborene Krankheit, welche die Muskeln stetig abbauen lässt. Anja hat Probleme mit dem Treppensteigen und sie kann nicht lange stehen. „Deshalb brauchten wir einen Laden, der barrierefrei zugänglich ist“, erklärt sie.
Mit ihr, dem 22-jährigen Nesthäkchen, hat Maroanella angefangen. Sie ist gelernte Schneiderin und hat schlechte Erfahrungen mit ihren bisherigen Arbeitgebern gesammelt. „Die sind nur so lange nett und verständnisvoll, wie das Arbeitsamt sie unterstützt“, führt Romy Baumbach aus. „Also haben wir uns an Weihnachten 2011 zusammengesetzt und überlegt, wie wir einen Arbeitsplatz für die Kleine schaffen können. Und ein viertel Jahr später haben wir das Geschäft eröffnet.“
Anfangs sei alles noch recht karg gewesen. „Wir hatten zwei Kleiderstangen, auf denen meine selbstgemachten Baby- und Kindersachen hingen, und das war es“, erzählt Anja. Mittlerweile ist das Maisonette-Geschäft liebevoll eingerichtet: Auf der höher gelegenen Ebene hängen Anjas Sachen an Kaufhaus-Stangen, fein säuberlich präsentiert. Es sind Hosen, Jäckchen, Schlafanzüge darunter, allesamt in farbenfrohen Mustern. Im Eingangsbereich hängt eine Schnur mit aufgereihten kleinen Zuckertüten, die mit selbstgemachten Überraschungen gefüllt sind. Eine kostet 9,50 Euro.
„Wer zu uns kommt, ist oft regelrecht geschockt von den Preisen“, sagt Anja. „Aber man kann meine Sachen nicht mit denen von Kik vergleichen.“ Ihre Schwester Maxi fügt an: „Wir haben eben keine Chinesenkinder im Hinterzimmer versteckt, die für uns nähen.“
Das Nähen übernimmt Anja an ihrer Nähmaschine, von der aus sie den großen luftigen Raum überblickt. Eine Kundin kommt herein und bringt ein Kleid, das etwa zehn Zentimeter zu lang für sie ist. „Kein Problem, kürze ich“, so Anja. „Um die 15 Euro wird das kosten.“ Bei Änderungen könne man keine feste Preistabelle machen. „Das hängt vom Einzelfall ab: Was wird gemacht? Was ist es für ein Stoff?“
Die drei Schwestern haben vergleichsweise viel Aufmerksamkeit von den Medien bekommen. „Sat 1 war schon da. Aber der Beitrag, welcher dann gesendet wurde, ging in eine Richtung, die wir so nicht wollten und das von vornherein auch gesagt haben.“ Anjas Krankheit sei in den Mittelpunkt gerückt worden und der Laden sei kurz vor dem Zumachen.
„Dabei hatten wir gerade erst eröffnet“, so Romy Baumbach. Aber sie seien in Teilen auch selbst daran schuld gewesen. Schließlich hatten sie sich das Privatfernsehen ins Haus geholt. Auch ein Beitrag in der Papierzeitung sowie im dazugehörigen kostenlosen Wochenblatt brachte nicht die Aufmerksamkeit, welche sie sich gewünscht hatten. Und nun wird es langsam knapp.
„Noch steht unsere Familie hinter uns und von vielen Seiten wird zugebuttert“, so Romy. Sie ist Ernährungsberaterin und hält den Betrieb mit dem Verkauf von Wasserfiltern buchstäblich über Wasser. „Diese filtern Metalle und Medikamentenrückstände aus dem Trinkwasser“, erklärt sie. Wer außerdem abnehmen oder zunehmen will, kann sich von ihr helfen lassen.
Insgesamt ist Maroanella ein bunter Laden, in dem vieles angeboten wird. Ob es nun an der Lage krankt, dass er sein Publikum nicht findet, oder an dem vielleicht zu sehr gemischten Geschäftskonzept, das könnte wohl nur ein Profi beurteilen. „Aber viel Geld für einen Unternehmensberater können wir nicht ausgeben“, so Romy. Die drei geborenen Leipzigerinnen hätten in einer kaufkräftigeren Stadt womöglich mehr Chancen, sich auf dem Markt zu etablieren. So geht es ihnen wohl wie einer Vielzahl von Lädchen, die in der Armutshauptstadt Sachsens um Umsätze kämpfen.
„Aber wir geben noch nicht auf“, sind sich die Drei sicher. Ein Online-Shop bei Dawanda ist eingerichtet, nun haben sie sich für Kreativmärkte in der Umgebung angemeldet und hoffen, so die Umsätze aufzubessern.
Was, wenn das nicht klappt? „Dann geben wir uns noch ein halbes Jahr“, so Romy. Umzug nicht ausgeschlossen.
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