Suse Stapel macht das, was sie liebt, und jeder, der ihren Laden betritt, merkt es: Sie hat ihren Spätverkauf nicht, weil sie sonst nichts hätte, sondern weil sie schon lange so einen Laden wollte, einen Spätverkauf, der eigentlich ein Tante-Emma-Laden mit eigenem Profil ist: Hier gibt es regionale, Bio- und/oder Fairtrade-Produkte, die im allgemeinen Konsumwahn bei den Dumping-Discountern keinen Einkäufer interessieren. Und die gewisse Portion Freundlichkeit dazu.
“Mensch, der ist aber groß geworden!” Dass Suse Stapel der gewachsene Babybauch einer ihrer Kundinnen sofort auffällt, ist, und das wird Jeder merken, der nur zwei Minuten in diesem Laden steht, nichts Besonderes. Denn Suse kennt offenbar so fast Jeden, der in ihren kleinen Spätverkauf am Südplatz kommt. “Hi Suse, wie geht’s dir heute?” Ein junger Mann betritt den Laden, die beiden kommen ins Gespräch und es ist offensichtlich, dass auch die Kunden Suse bestens kennen.
Kein Wunder, im Südplatzspäti in der Schenkendorfstraße, knapp unterhalb der Kochstraße wird in der von Discountern durchsiebten Südvorstadt das gemacht, was die Discounter nur propagieren: Kundennähe gelebt. Der einzelne Kunde ist hier nicht egal, sondern Teil des Ladens. Das Geschäft ist eine Zeitmaschine zurück in die Zeit vor der Konsumgesellschaft, als der Tante-Emma-Laden um die Ecke die beste Einkaufsmöglichkeit war, bestens veranschaulicht in einer bekannten Fernsehwerbung, in der eine Süßware, ein Kind und eine gewisse Frau Lange die Hauptrollen spielen.Suse Stapel hat auch die gewissen “Riesen”, aber wegen denen kommen die Wenigsten in den Späti, der mehr bietet, als Brot, Butter und Bier für die Vergesslichen. “Wir verkaufen nur gute Produkte, die im Idealfall aus der Region kommen, Bio- und/oder Fairtrade-Produkte sind. Bei uns sollen auch Veganer und Menschen mit Laktose-Intoleranz einkaufen gehen können”, so die 30-Jährige, die hinter ihrer Theke, zwischen handgeschöpfter Zotter-Schokolade und Lakritz-Toffee Kunde um Kunde abkassiert. Es ist Feierabend-Zeit, Suse merkt es sofort.
Steht kein Kunde vor ihr, schaut sie genau in die gemütlichste Ecke des Ladens. Ein dunkles Holzregal mit ungezählten Fächern, die genügend Produkte beherbergen, aber trotzdem nicht nach wildem Kaufrausch aussehen. Wenn hier etwas alle ist, ist es alle. “Ein Lager haben wir nicht”, gibt sie zu. Im untersten Regal liegen verschiedene Flaschen, Saftflaschen von einem Biohof aus Elsteraue, “Apfel”, “Apfel mit Quitte”, “Apfel mit Birne”. Nie gesehen in einem sogenannten Supermarkt.
Wer sich nach unten bückt, um sich eine Flasche zu nehmen, sollte beim Aufstehen keinen Schritt nach hinten gehen, sonst läuft er Gefahr, dass wegen ihm die “Jüdische Allgemeine” aus dem Zeitungsständer auf den Boden klatscht oder “Le Monde diplomatique”. Zeitungen, die man sonst nur am Bahnhof bekommt, sie gehören zum Laden wie die handgeschöpfte Schokolade. “Vor allem die Jüdische Allgemeine läuft ziemlich gut”, erzählt Suse, in deren Laden man vergeblich die “Bild” suchen wird. “‘Bild’ ist keine Zeitung.”Und so ziehen sich die angenehmen Überraschungen des Sortiments quer durch den Laden, im Getränkeabteil steht die eine oder andere “wilde”, weil unbekannte Biersorte, bei den Limos kann der Kunde auch eine Rhabarber-Limo aus Leipzig kaufen, produziert in der Karl-Heine-Straße. “Jeder Ladenbesitzer will seinem Geschäft seine Handschrift geben. Wir verkaufen nicht einfach nur Lebensmittel, wir wollen den Leuten zeigen, dass es auch noch andere Produkte gibt, als die, die man überall sieht.”
Unsere, das ist die Handschrift von Suse und ihrem Mann, die vor drei Jahren den Späti übernommen haben. “Ich war vorher hier angestellt, als das Angebot zur Übernahme kam, haben wir zugeschlagen”, erzählt Suse, die vorher schon einige Jahre im Späti “Speisekammer” in der Holbeinstraße gearbeitet hat.
Seitdem sie selbst in voller Verantwortung steht, vergeht kein Tag ohne dass sie im oder für den Laden tätig wird. “14 bis 16 Stunden pro Tag sind keine Seltenheit”. Und die kommen bei den eigenen Ansprüchen an den Laden schnell zusammen: “Wenn die Leute etwas brauchen, was es hier nicht gibt, aber gut reinpassen würde, dann besorge ich es für sie auch.”
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Alle Produkte im Laden hat sie laut eigener Auskunft selbst probiert, auch den “Partisan-Wodka”. Das Lieblingsprodukt der gelernten Restaurantfachfrau ist die handgeschöpfte Zotter-Schokolade. Mit 3 Euro pro Tafel nicht gerade billig, aber in jedem Fall ein Erlebnis für den Gaumen und auch etwas für das Konsum-Gewissen. “Bei der Schokolade weiß ich, dass bei der Produktion Menschen beteiligt waren und auch der Letzte in der Kette ein paar Cent verdient”, erklärt Suse.
Ab 14 Uhr hat sie von montags bis samstags geöffnet, 23 Uhr schließt der Laden, Sonntag lautet das Motto “von zehn bis zehn.” In die studentisch geprägte Südvorstadt passen die Öffnungszeiten und das Flair in jedem Fall, doch nicht nur Jungvolk reicht Suse das Geld über den Tresen. “Der” Schlipsträger und die Oma aus der gegenüberliegenden Senioren-Residenz sind keine seltenen Kunden und jeder wird auf eine freundliche Bedienung treffen. “Jeder bekommt von mir ein Hallo, ein Danke und ein Bitte. Das gehört sich einfach.” Und es fällt ihr nicht schwer, denn die Arbeit in diesem kleinen Zwei-Raum-Laden ist das Beste, was ihr passieren konnte. “Hier haben wir unser Herz verloren.” Man spürt es.
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