Wie viele andere Großstädte wächst auch Leipzig rasant. „Der Boden wird einfach knapp“, resümierten die Wohnraumexpert/-innen auf der Podiumsdiskussion Anfang September in der alten Feuerwache Ost. Die Stadt begegnet dem Problem mit dem Konzept der doppelten Innenentwicklung. Dabei werden vorrangig innerstädtische Flächen nachverdichtet, um eine Inanspruchnahme neuer, unberührterer Böden zu vermeiden. In der Politik wird das Konzept bisher als nachhaltigste Lösung angepriesen.

An der Umsetzung hapert es aber laut dem Leipziger Naturschutzverband BUND: „In Leipzig geht die bauliche Verdichtung seit über 10 Jahren einher mit der Vernichtung innerstädtischer Grün- und Freiflächen, der Überbauung ökologischer Nischen, dichterem Verkehrsaufkommen, kritischer Aufheizung im Sommer und dem Sterben unserer Stadtbäume – kurz: Beton statt Grün.“ 2019 rief die Stadt den Klimanotstand aus. Inwiefern hat sich das ausgerufene Klimabewusstsein der Stadtverwaltung auf den Bereich der Bebauung ausgewirkt? Gibt es Vorgaben für klimaneutrales und umweltfreundliches Bauen? Und wurden die geplanten Großprojekte – vom Wilhelm-Leuschner-Platz bis zum Eutritzscher Freiladebahnhof – dahingehend ausreichend überprüft?

Ein Bauvorhaben, das den Sommer über die regionalen Medien beherrschte, war und ist der Ausbau des Flughafens Halle/Leipzig. Doch auch wenn Burkhard Jungs Zuspruch zu diesem Projekt etwas deplatziert wirkt angesichts des Klimanotstandes, hält die Stadt nur 2 % des Flughafens. Hauptverantwortlich hier ist der Freistaat Sachsen, der 78 % besitzt.

Für kommunale Bauvorhaben, die komplett der Stadt unterliegen, gibt es einige Regelwerke für umweltfreundliches, energieeffizientes und klimaneutrales Bauen, so das Referat Nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz. Neben der Umweltverträglichkeitsprüfung, die im Baugesetzbuch verankert ist, wurden 2020 mit dem Sofortprogramm auch der „Leipziger Energie- und Baustandard mit verschärften Anforderungen an die Energieeffizienz und Energieversorgung kommunaler Gebäude“ sowie das „Energieeinsparprogramm für kommunale Gebäude“ auferlegt.

Diese Standards sollen sicherstellen, dass der Landschaftsplan der Stadt eingehalten wird, der als Prüfinstrument für Bauvorhaben gilt. Die Anforderungen: Vermeidung und Anpassung an die Folgen des Klimawandels, gesundheitliche Aspekte wie die Reinhaltung und der Schutz von Luft und Wasser, die Ausgestaltung wichtiger Erholungsräume und der Zugang zu städtischem Grün im Sinne einer umweltgerechten Stadt.

Für die Bauvorhaben am Wilhelm-Leuschner-Platz, am Lindenauer Hafen, am Eutritzscher Freiladebahnhof oder im Stadtraum Bayerischer Bahnhof seien Umweltverträglichkeitsprüfungen durchgeführt worden, so das Dezernat Stadtentwicklung und Bau. Dabei weist man aber darauf hin, dass nur die planerischen Absichten des Gesamtvorhabens geprüft werden.

Die Einzelvorhaben, sprich der Bau von Gebäuden und die Gestaltung von Freiflächen durch private Vorhabenträger oder öffentliche Auftraggeber, würden nicht noch mal einzeln geprüft werden. Inwiefern ein Gesamtkonzept ohne genaue Kenntnis der Einzelprojekte auf seine Umweltverträglichkeit hin geprüft werden kann, scheint schleierhaft. Zwar sind die Bauherren dazu verpflichtet, sich „den geltenden Gesetzen und den Maßgaben des Bebauungsplans“ zu unterwerfen – eine Prüfung erfolgt jedoch nicht.

„Die Verwaltung hatte dieses Jahr mitgeteilt, dass sie die Maßnahmen nicht auf Umsetzung kontrollieren können und diese daher oft ausbleiben“, kritisiert der BUND. Aber auch das Gesamtkonzept von Wilhelm-Leuschner-Platz, Bayerischem Bahnhof und der Parkstadt Dösen seien „ökologisch gesehen eine Planungskatastrophe“.

Allein die Rodungen am Leuschner-Platz seien illegal gewesen, so der Naturschutzbund Deutschland (NABU). Laut dem im Vorfeld gefertigten Artenschutzgutachten stünde die Vogelpopulation auf dem Areal nicht unter Schutz. „Aber alle europäischen Vogelarten sind nach dem Bundesnaturschutzgesetz besonders geschützt“, so Vertreter/-innen des NABU.

Noch schwieriger steht es um private Bauvorhaben: Zwar müssen sich diese ebenfalls der Umweltverträglichkeitsprüfung unterziehen. Weitere Vorgaben gibt es jedoch nicht. Die Stadt Leipzig versucht mit der Gründach-Förderrichtlinie finanzielle Anreize zum Bau von Gründächern zu schaffen, teilt das Dezernat Stadtentwicklung und Bau mit.

„Beton statt Grün: Wie umweltfreundlich ist Bauen in Leipzig?“ erschien erstmals am 1. Oktober 2021 in der aktuellen Printausgabe der LEIPZIGER ZEITUNG. Unsere Nummer 95 der LZ finden Sie neben Großmärkten und Presseshops unter anderem bei diesen Szenehändlern.

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