LZ/Auszug Ausg. 61Dass die AfD bei der vergangenen Bundestagswahl besonders in Ostdeutschland große Erfolge erzielen konnte, liegt zum Teil in den Ereignissen nach der „Wende“ begründet. Das glauben zumindest die geschichtsinteressierten Aktivisten, die sich zum „Aufbruch Ost“ zusammengeschlossen haben und seit ihrer ersten öffentlichkeitswirksamen Demonstration beim Lichtfest am 9. Oktober 2018 wahrnehmbar sind.

Was sie wollen, haben sie bereits seit dem 6. Oktober auf Facebook festgehalten: den Osten mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen stärker auf die Agenda setzen und Gespräche mit Zeitzeugen führen. Die Bundespolitik solle mehr die Belange des Ostens berücksichtigen; zudem sei eine „ehrliche Aufarbeitung der DDR, der Wende sowie der Nachwendezeit“ nötig – unter Beteiligung ostdeutscher Stimmen.

Ein erstes Zeichen setzte die Gruppe am 9. Oktober beim Leipziger „Lichtfest“; der jährlichen Erinnerung an die „Friedliche Revolution“. Diese Veranstaltung sei zur „Wohlfühlfeier geworden, die immer mehr den Zweck erfüllt, Stadtmarketing zu betreiben und Tourist*innen anzulocken“. Was fehlt, sei ein Blick auf die „Schattenseiten der Wende“.

Treuhand-Aufarbeitung gefordert

Die Aktivisten empfingen an jenem Abend die Besucher des Friedensgebetes an der Nikolaikirche, anschließend positionierten sie sich mit einem großen Transparent neben der Bühne auf dem Augustusplatz. Darauf war zu lesen: „Friede, Freude, Einheit? Treuhand-Aufarbeitung jetzt“.

Diese Forderung ist nicht neu: Die sächsische Integrationsministerin Petra Köpping (SPD) hat zu diesem Thema das Buch „Integriert erst mal uns“ geschrieben. Zudem hat der Bochumer Marcus Böick 2018 eine 700 Seiten umfassende Abhandlung zur Arbeit der Treuhand veröffentlicht.

Erste Versuche, angesichts einer fast beispiellosen friedlich vollzogenen Deindustrialisierung eines ganzes Landes: Von etwa neun Millionen Erwerbstätigkeiten kurz vor dem Ende der DDR verlor etwa ein Drittel durch die Treuhand-Privatisierungen den Arbeitsplatz.

Diskussion in der Uni

Zwei Wochen nach dem Lichtfest folgte die nächste Veranstaltung von „Aufbruch Ost“. In einem Seminarraum der Universität kamen etwa 50 Interessierte zu einer Diskussion mit dem Titel „Politik und Ostdeutschland“. Neben den Ereignissen vor 25 bis 30 Jahren sollten dort auch aktuelle Zustände, wie die ungleichen Löhne und Renten oder die selten von Ostdeutschen besetzten Führungspositionen thematisiert werden.

Als Grundlage beziehungsweise Anregung für die Diskussion dienten fünf Texte, die sich unter anderem mit sozialistischen Forderungen an die damalige DDR-Führung, massiven Protesten gegen Schließungen in den 90er-Jahren und den Dialogversuchen von Köpping befassten. Aus Sicht der Organisatoren sind manche Strömungen in der DDR-Opposition und die teils heftigen Kämpfe von Menschen, die nach der Deutschen Einheit von Arbeitslosigkeit bedroht waren, in der öffentlichen Debatte unterrepräsentiert.

Weitere Aktionen geplant

Die anschließende Diskussion fokussierte stark die Frage, warum die AfD in Ostdeutschland so stark werden konnte. Manche begründeten dies mit der Enttäuschung über etablierte Parteien, andere mit der gerade in Ostdeutschland eher sozial ausgeprägten Programmatik – zumindest in Bezug auf Deutsche.

In diesem Jahr plant „Aufbruch Ost“ noch zwei weitere Aktionen: Gespräche auf der Straße bei Kaffee und Kuchen sowie einen Aufruf, zu Weihnachten mit der Familie über die Nachwendezeit zu reden und die dabei gehörten Geschichten einzureichen.

Streitschrift: In einem anderen Land

Streitschrift: In einem anderen Land

Video – Forscher Marcus Böick (TU Bochum) im Vortrag: Wie die Treuhand die DDR privatisierte (1)

Video: Wie die Treuhand die DDR privatisierte (1)

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