Am Donnerstag, 18. April 2024, 19 Uhr stellt die Autorin Fruzsina Müller im Haus der Demokratie ihre jüngst erschienene Publikation zum Leipziger Diakonissenhaus vor. Dabei legt sie einen Schwerpunkt auf die Zeit des Krankenhauses im Nationalsozialismus. Die Veranstaltung wird organisiert vom Riebeckstraße 63 e.V.

Das Diakonissenkrankenhaus in Leipzig-Lindenau versorgt seit 1900 die Bewohnerinnen und Bewohner der stark industrialisierten und dicht be­siedelten westlichen Stadtgebiete. Von einer evangelischen Schwestern­schaft gegründet und von kirchlichen, städtischen und privaten Unter­stützern gefördert, mischte es sich in vielen Bereichen des Leipziger und des sächsischen Gesundheits- und Sozialwesens mit.

So eignet sich das Diakonissenhaus sehr gut, die schleichenden oder auch schlagartigen Brüche in der medizinischen und pflegerischen Versorgung im National­sozialismus beispielhaft aufzuzeigen. Die Kontakte des Krankenhauses zur Leipziger Stadtverwaltung, insbesondere zum Gesundheitsamt, er­möglichen einen Einblick in die kommunale Organisation und Abläufe des medizinischen Unrechts und Verbrechens im NS-Staat.

So zeigt die Historikerin und Kulturwissenschaftlerin Dr. Fruzsina Müller in ihrem Vortrag das Wirken von Hans Beusch als Leiter des Gesund­heitsamtes und Vorstandsmitglied des Diakonissenhauses auf. Beusch war zwar kein NSDAP-Mitglied, seine Reform des städtischen Gesund­heitssystems galt allerdings als mustergültig für die nationalsozialisti­sche Umstrukturierung des Gesundheitswesens. Außerdem entwickelte er die sogenannte Erbgesundheitskartei, die später überall im Deutschen Reich eingesetzt wurde.

Neben Beusch, spielten auch andere Akteur:innen eine Rolle im Gesundheitssystem der Stadt. Ärzte des Dia­konissenhauses „betreuten“ Zwangsarbeiter:innen der Metallguss GmbH, eine Diakonisse assistierte bei Zwangssterilisierungen im Rochlitzer Stadtkrankenhaus, und das Diakonissenhaus übernahm die ärztliche und pflegerische Versorgung im enteigneten ehemaligen Israeitischen Krankenhaus (Eitingon-Stiftung).

Diese bisher unbekannten De­tails der Leipziger Stadtgeschichte werden bei der Buchvorstellung schwerpunktmäßig thematisiert. Anschließend soll diskutiert werden, wie diese Puzzlestücke zu einer umfassenderen Geschichte des Leipziger Gesundheitssystems im Nationalsozialismus erweitert werden könnten.

Der Verein Riebeckstraße 63 setzt sich für die Entstehung eines aktiven Gedenk- und Erinnerungs­ortes auf dem Gelände der ehemaligen Städtischen Arbeitsanstalt ein. Fruzsina Müller wirkt im Vereinsvorstand mit.

Donnerstag, 18. April 2024, 19 Uhr
Café im Haus der Demokratie Leipzig, Bernhard-Göring-Straße 152, Leipzig
Freier Eintritt, barrierefreier Zugang

Zum Buch:
Fruzsina Müller: Das Leipziger Diakonissenhaus. Geschichte einer
Schwesternschaft und ihres Krankenhauses. Leipzig, Leipziger
Universitätsverlag, 2023. 263 Seiten, 32.00 €
https://www.univerlag-leipzig.de/catalog/bookstore/article/2257-Das_Leipziger_Diakonissenhaus

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