Premiere für Leipzig: Zum ersten Mal ist das Oratorium für Soli, Chor und Orchester op. 18 „Joram” von Paul Ben-Haim, ein Vorläufer moderner israelischer Musik, im Gewandhaus zu erleben. Das Konzert beginnt am Sonntag, den 10. Juli, um 19 Uhr. Besucherinnen und Besucher sind auch zur Konzerteinführung „Joram – ein wiederentdecktes deutsch-jüdisches Oratorienjuwel” mit Prof. Dr. Jascha Nemtsov (Weimar) um 18 Uhr im Schumann-Eck im Gewandhaus eingeladen.
Beide Veranstaltungen gehören zum Besuchsprogramm für ehemalige jüdische Leipziger und deren Nachfahren. Sie sind aus einer Kooperation der Stadt Leipzig, des Kultur- und Begegnungszentrum Ariowitsch-Haus e. V. und des Leipziger Synagogalchores entstanden. Karten sind an allen bekannten Vorverkaufsstellen erhältlich.
200 überwiegend junge Mitwirkende stellen sich den immensen Anforderungen dieses Werkes. Vier Solisten, fünf Chöre sowie das Akademische Orchester der Universität Halle haben sich intensiv mit Musik und Text beschäftigt. Dazu ist es gelungen, ein Ensemble von zwölf Sängerinnen aus Leipzigs Partnerstadt Kiew zur Mitwirkung einzuladen. Die ukrainischen Gäste werden einen Satz des Oratoriums solistisch darbieten. Dazu werden sie eine Woche lang zu Gast in Leipzig sein und am Freitag, dem 8. Juli, um 18 Uhr eine Motette in der Thomaskirche gestalten.
Hochdramatisch erzählt Paul Ben-Haims großangelegtes Oratorium das Schicksal des Juden Joram. Es ist eine Geschichte über Unrecht, Vertreibung und Zweifel, es repräsentiert die deutsch-jüdische Kultur im Jahre 1933 kurz vor ihrer Auslöschung. Als nachgeholtes Sonderkonzert der Jüdischen Woche 2021 erlebt das Werk mit den Stimmen der heutigen Generationen in Leipzig seine erste Aufführung.
Werk und Komponist
Der Komponist Paul Ben-Haim wurde 1897 in München als Paul Frankenburger geboren. Gerade noch rechtzeitig emigrierte er 1933 nach Palästina, wo er seinen Namen hebraisierte. Ben-Haim gilt als erster Schöpfer einer charakteristisch israelischen Musik. Die Komponisten der jüngeren Generation Israels sind fast ausnahmslos seine Schüler.
1933, drei Wochen nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten vollendete er sein Oratorium „Joram“. Obwohl er es zeit seines Lebens als sein Hauptwerk betrachtete, wurde es nie vollständig aufgeführt. Die eigentliche Uraufführung (komplett und in deutscher Originalsprache) fand posthum erst 2008 in München statt. In Leipzig erlebt das Oratorium „Joram“ seine fünfte Aufführung weltweit.
„Das Buch Joram“ von Rudolph Borchardt erschien 1907. Joram, ein gläubiger Jude, erleidet unverschuldet großes Unheil: seine Ehe bleibt kinderlos, er selbst wird auf einer Reise überfallen, gerät in sechs Jahre währende Gefangenschaft und sieht nach seiner Rückkehr sein eigenes Haus zum Bordell verkommen. Heftig ist die Anklage an Gott in seiner Verzweiflung. Damit steht die Figur auch für das gesamte Jüdische Volk – vertrieben, versklavt, seiner Zukunft beraubt.
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