Mit neuen Büchern von Maria Gabriela Llansol, Yvette Centeno, Abdulai Sila, José Viale Moutinho, Cristina Carvalho & Hélia Correia in in deutscher Übersetzung von Markus Sahr, Ilse Pollack, Rosa Rodrigues & Michael Kegler

Musikalische Begleitung: Jaqueline Conde

Beginn der Lesungen: 18 Uhr

 Die lusophone Welt ist das Reisen wert: Portugal, Mosambik, Angola, Kap Verde, São Tomé und Príncipe, Äquatorialguinea, Guinea-Bissau, Osttimor, Macau, Brasilien – portugiesischsprachige Literatur in deutscher Übersetzung bildet einen Schwerpunkt im Programm des Leipziger Literaturverlags, gefördert von Instituto Camões und DGLAB/Culture.

Wer nicht reisen kann, mag in Gedanken in die Ferne schweifen und sich das Bewußtsein dafür bewahren, welche Freiheit, wieviel Kultur und Austausch über Grenzen hinweg das menschliche Leben bietet. Bereits 2021 war Portugal als Gastland zur Leipziger Buchmesse präpariert – nun geht das Program zum zweiten Mal an den Start. Die Bücher sind geblieben, stillen den Lesehunger und halten die Hoffnung lebendig.

Weitere Informationen: https://l-lv.de/

Cristina Carvalho: Der Kater aus Uppsala

Aus dem Portugiesischen von Markus Sahr

Nach dem Tod des Schwiegervaters begeben sich Elvis und Agnetta auf den Weg, um ihren großen Traum zu verwirklichen: bei der Jungfernfahrt der Vasa in Stockholm mit auf dem Schiff zu sein. Agnettas geliebter Kater begleitet sie, von Elvis in einem Korb auf der Schulter getragen. Ganz Schweden strömt in Stockholm zusammen. Doch das Wunder bleibt aus.

Abdulai Sila: Die letzte Tragödie

Aus dem Portugiesischen von Rosa Rodrigues

Die letzte Tragödie gewährt Einblicke in die Kolonialvergangenheit Afrikas am Beispiel von Guinea-Bissau. Die Mentalität der Kolonisatoren wird mit den Denk­weisen und Überzeugungen unterschiedlicher Vertreter der kolonialisierten Bevölkerung kontrastiert. Nicht zuletzt verkörpert Ndani das tragische Schicksal vieler afrikanischer Frauen. Abdulai Sila versteht es, die Konflikte zwischen den Kolonialherren und den Ein­heimischen lebendig werden zu lassen.

Hélia Correia: Das dritte Elend

Aus dem Portugiesischen von Michael Kegler

Das dritte Elend ist dieses von heute.
Das derer, die nicht mehr hören, nicht fragen,
Derer, die nicht erinnern.

In unserer Selbstvergessenheit spiegelt sich der gegenwärtige Sumpf, in dem Demokratien versinken. Die Agora, der edle Raum der Polis, hat seine Bedeutung verloren, ist kein Maßstab mehr für demokratische Ethik. Dieses Buch ist eine Hommage an Griechenland. Die Zerstörung Griechenlands ist eine Warnung vor dem Schlimmsten, was das ökonomisch verwaltete Europa bewirken kann: den Verlust der Souveränität und das Versagen der Demokratie.

Hélia Correia: Tänzer im Taumel

Aus dem Portugieischen von Dania Schüürmann

Hélia Correia berichtet von einer Gruppe Flüchtender, die sich durch eine Wüste quälen mit dem Ziel und der Hoffnung, das Meer und danach Europa zu erreichen. Auf dem Leidensweg befreien sich die Frauen der Gruppe aus überkommenen Rollen und werden zu Anführerinnen und Kämpferinnen, die sich ihrer Intuition überlassen und nicht länger den Männern unterordnen wollen. Die Wüstenodyssee ist ein schwerer Weg. Europa aber will sie nicht, Europa werden sie niemals erreichen.

Luiz Pacheco: Gemeinschaft

Aus dem Portugiesischen von Nicole Cyron

Mit Zeichnungen von Marion Quitz

Luiz Pacheco war ein leidenschaftlicher und polemischer Literaturkritiker, Verleger und Schriftsteller. Er wollte die Taue, die das freie Denken, die Literatur und die Kunst an einen Anker gebunden hatten, zerfetzen. Er war das Messer, und das Meer war der Lebensraum für einen freien und ehrlichen  Ausdruck. In „Gemeinschaft“ schildert er seine derzeitige Situation: ein Bett, das er mit Maria Irene, Schwester der Frau, mit der er vorher zusammengelebt hatte, und drei Kindern teilt, wobei zwei aus der vorherigen Bindung stammen. Im Licht einer Nachttischlampe umgeben von vier Körpern beschreibt er weißes Papier mit roter Tinte.

Yvette K. Centeno:

Im Garten der Nußbäume

Anfang

erdnah

Herbstspiegel

Im Fluß der Erinnerung

Aus dem Portugiesischen von Markus Sahr

Yvette K. Centeno, die Goethe, Brecht und Celan ins Portugiesische übersetzte, schreibt in ihren Prosatexten und Gedichten über die Liebe, die Leidenschaft. Ihre Bücher skizzieren das Innenleben der Figuren, ihren latenten Wahnsinn und ihr geheimes Verlangen. Markus Sahr bringt Centenos faszinierende Texte meisterhaft ins Deutsche.

In ihrem neuesten Werk „Im Fluß der Erinnerung“ versammelt Yvette K. Centeno unbequeme Einsichten über Portugal nach der Revolution: lärmend, einem Luxus verfallen, der Dreck ist, eine Geschichte der Verfolgungen, der Intoleranz…

José Viale Moutinho: Die Flöte des Toten

Aus dem Portugiesischen von Ilse Pollack

Diese Texte, lange vor Corona  geschrieben, versammeln die Erinnerung an Tote, bekannte und weniger be­kannte. Später weicht der fröhliche Umgang mit Gevatter Tod natur­gemäß einer anderen Stimmung, der Ton wird rauer: Alter und Krankheit halten Einzug. Die Toten stammen nicht mehr aus dem Reich der Literatur, sondern aus dem wirk­lichen Leben. Der verspielte Ton von einst weicht einer Lakonie der Reife, die jetzt den „scharfen Pfiff“ moduliert. In der nüch­ternen Betrachtung allen Vergehens und Vergessen-Wer­dens meistert der „profane Prophet“ Viale Moutinho eine außergewöhnliche lyrische Herausforderung. Der Dichter weiß, daß Tote nicht nur leblose Körper sind, die gezählt werden, um in Statistiken einzugehen, wie es gegenwärtig unserem reduktionistischen Nachrichtenbewußtsein zu genügen scheint, sondern Existenz voller gelebtem Leben und Seele darstellen.

„die flügel der engel waren

schon stücke von fledermäusen“

Maria Gabriela Llansol: Ein Falke in der Faust (Tagebuch)

Aus dem Portugiesischen von Ilse Pollack und Markus Sahr

Ein fast zwanzigjähriges Exil in Belgien geht für Maria Gabriela Llansol erst lange nach der Nelkenrevolution in Portugal zu Ende. Was als Flucht vor der Ein­berufung zu den Kolonialkriegen in Afrika, als Wehr­dienstverweigerung ihres Mannes begann, wurde zu einer dauerhaften Suche nach einem alternativen Leben und Schreiben. Das Tagebuch aus dem Exil, das im März 1979  beginnt und im September 1983 mit der Rückkehr nach Lissabon endet, enthält sowohl die Arbeit an einem Lebensprojekt, die Entstehungs­geschichte von Lissabon­leipzig, als auch Traumhaftes und Alltägliches: das Leben ohne Hierarchien mit Pflanzen und Tieren in einer von Menschen dünn besiedelten Gegend. Llansols Faszination für die

Rebellen Mitteleuropas, für Thomas Müntzer und die Wiedertäufer in Münster kommt zur Sprache, ihre Vertrautheit mit mittelalterlicher Mystik wird spürbar, ihr Interesse an Johannes vom Kreuz und Ana de Peñalosa, ihre Entdeckung der Beginen.

Maria Gabriela Llansol: Lissabonleipzig. Ein Projekt

Aus dem Portugiesischen von Markus Sahr

In „Lissabonleipzig“ wird die Poesie von Künstlern, Komponisten, Dichtern und Philosophen zum Strahlen gebracht, deren geistiger Stammbaum in die Vor­geschichte der europäischen Idee der Gewissensfreiheit hinein­reicht. Llansol erkennt, daß die Ge­wis­sens­­freiheit ohne poetische Wurzeln zu einer fatalen Rückwärts­entwicklung des Menschen führt, die in Fundamentalismen des Glaubens oder der Ver­nunft mündet: Die Poesie, die den Dingen innewohnt, ist wichtiger als die Meinung, die wir von ihnen haben.

In Llansols Texten entsteht der Gegenentwurf zu einer von Nationalismen geprägten Weltsicht, indem sie Figuren aus der europäischen Geschichte wie Meister Eckart, Johann Sebastian Bach und Thomas Müntzer über die Zeit hinweg mit Spinoza und Emily Dickinson in Dialog setzt. Es ist einzigartig in der portugiesischen Literatur, daß ein Autor anhand der Figuren von Fernando Pessoa und J. S. Bach die geistige Verwandtschaft zwischen Leipzig und Lissabon herausarbeitet.

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