Die Filme der Internationalen Wettbewerbe stehen fest. Ebenso die Filme der Sektion Camera Lucida mit unkonventionellen Filmen, die außer Konkurrenz laufen. Damit ist das Filmprogramm von DOK Leipzig komplett.
Der Internationale Wettbewerb für lange Dokumentar- und Animationsfilm versammelt zahlreiche neue Stimmen im Dokumentarfilmbereich mit ausgeprägt künstlerischem Profil. Von den 14 Filmen feiern 12 bei DOK Leipzig ihre Welt- oder Internationale Premiere.
In Words of Negroes kombiniert Sylvaine Dampierre Aufnahmen des Arbeitsalltags in einer Zuckerraffinerie in ihrer Heimat Guadeloupe mit der Reinszenierung fast zweihundert Jahre alter Zeugenaussagen von Sklaven gegen ihren gewalttätigen Herrn. Für seinen ersten Langfilm KRAI kehrt Aleksey Lapin in sein Heimatdorf in der Ukraine zurück und entwickelt ein liebevolles, halb-fiktionales und absurd anmutendes Porträt des Ortes. Mit neugierigem Blick widmet sich auch Chivas DeVinck einer Region, der Wüste Nevadas.
The Great Basin fängt einen Mikrokosmos ein, der die wirtschaftliche, soziale und ökologische Marginalisierung des ländlichen US-Amerika abbildet. Eine entlegene Region bildet das Zentrum von Veins of the Amazon. Die peruanischen Regisseure Álvaro und Diego Sarmiento und die finnische Anthropologin Terje Toomistu beobachten das Geschehen auf einem Frachtschiff auf dem Amazonas, das Passagiere und Güter in die isolierten Gemeinden im peruanischen Regenwald bringt.
Zahlreiche Filmschaffende präsentieren in Leipzig ihre ersten Werke, unter ihnen auch die französische Filmemacherin Cléo Cohen, die sich mit ihrem ersten Langfilm May God be With You der eigenen Identität widmet. In dem Versuch, ihr arabisches und ihr jüdisches Ich miteinander zu versöhnen, löchert sie auf charmante Weise ihre Großeltern, die aus dem Maghreb nach Frankreich emigriert sind, mit Fragen.
Fabrizio Polpettini erzählt mit A Custom of the Sea nicht nur von muslimischen Piraten, die bis ins 19. Jahrhundert das Mittelmeer heimsuchten und Europäer/-innen versklavten, sondern auch von Eurozentrismus, Kolonialgeschichte und Konflikten zwischen christlichen und islamischen Ländern. Maradia Tsaava betrachtet in ihrem Erstlingsfilm Water Has No Borders einen Staudamm in Georgien, der die Grenze zur unabhängigen Region Abchasien bildet. Immer wieder wird dem Filmteam die Durchfahrt nach Abchasien verweigert. Es entsteht eine Reflexion über menschengemachte territoriale Grenzen.
Unter den Filmen im Internationalen Wettbewerb sind auch die neuen Werke bekannter Filmschaffender. Die libanesische Filmemacherin Dima El-Horr gibt in Conversations with Siro der freundschaftlichen Beziehung zu einer Künstlerin aus ihrer Heimat Beirut eine filmische Form, die auch Reflexionen über ihr Leben im Exil in Frankreich anstößt. Murilo Salles erkundet in A Bay filmisch und akustisch in acht cineastischen Fabeln die Bucht von Rio de Janeiro. Der renommierte brasilianische Filmemacher kehrt damit nach Leipzig zurück, 1978 gewann er eine Silberne Taube mit seinem ersten Langfilm These Are the Weapons.
Auch Sarah Noa Bozenhardt war bereits mit Projekten bei DOK Leipzig vertreten. Ihren diesjährigen Wettbewerbsbeitrag among us women, der in Ko-Regie mit Daniel Abate Tilahun enstand, stellte sie 2020 bei DOK Preview Germany vor. Der Film begleitet im ländlichen, patriarchal geprägten Äthiopien eine junge schwangere Frau, ihre Hebamme und medizinisches Personal im Spannungsfeld zwischen traditioneller und medizinischer Geburtshilfe. Diana El Jeiroudi, Mitbegründerin der Initiative DOX BOX zur Förderung arabisch-afrikanischer Dokumentarfilmschaffender, nimmt mit ihrem autobiografischen Langfilmdebüt Republic of Silence am Wettbewerb teil.
Außerdem im Langfilmwettbewerb vertreten ist der chinesische Regisseur Wei Deng, der mit Father ein Generationenporträt über seinen Großvater und Vater zeigt, das von Tradition und Veränderung in der chinesischen Gesellschaft erzählt. Bucolic von Karol Pałka begleitet eine Mutter und ihre Tochter bei ihrem abgeschiedenen Leben auf dem polnischen Land.
Zwei Filme in den Internationalen Wettbewerben, die bei DOK Leipzig Weltpremiere haben, sind im Rahmen des Projekts „Generation Africa“ von STEPS entstanden, das mit aufstrebenden afrikanischen Regisseur/-innen und Produzent/-innen Filme produziert. Sie bieten neue Narrative über Migration, aus der Perspektive junger Menschen aus Afrika, deren Stimmen in den weltweiten Diskursen oftmals fehlen.
Mit Fati’s Choice erzählt Fatimah Dadzie von einer Frau, die nach einer gefährlichen Reise nach Italien beschließt, nach Ghana zurückzukehren, was ihr Kritik in ihrer Heimat einbringt. In dem Kurzfilm Stay Up von Aïssata Ouarma aus Burkina Faso versucht die Protagonistin mit Hilfe von Tanz ihre durch mehrfachen sexuellen Missbrauch entstandenen Traumata zu bewältigen.
Im Internationalen Wettbewerb Kurzfilm finden sich 24 Werke, die durch facettenreiche ästhetische Zugänge Themen anklingen lassen wie Utopie und Dystopie, so zum Beispiel The Congress von Clément Villiers, oder Versuche der Wahrheitsfindung, etwa in Saint Marietta von Ben Young. Schwer greifbare Emotionen werden künstlerisch verhandelt, etwa in Akane Muratas Open One’s Mouth oder Everyday Is Like Sunday von Alberto Dexeus, oder auch das problematische Wesen politischer Systeme, wie in Kelasi des kongolesischen bildenden Künstlers Fransix Tenda Lomba.
Die Langfilme im Internationalen Wettbewerb sind nominiert für eine Goldene Taube und eine Silberne Taube für den besten Film einer Nachwuchsregie. Über die Gewinnerfilme entscheidet in diesem Jahr unter anderem die Filmemacherin, Publizistin und Kuratorin Grit Lemke, die langjährig für DOK Leipzig tätig war, zuletzt bis 2017 als Leiterin des Filmprogramms. Ebenfalls Teil der Jury sind die Regisseurin und Produzentin Anocha Suwichakornpong, die Produzentin Katarína Tomková, außerdem Alex Szalat, Leiter von “Docs Up Funds” zur Unterstützung von Dokumentarfilmen im Bereich der Menschenrechte, sowie der Künstler und Musiker Raed Yassin.
Die Jury für den Internationalen Wettbewerb der Kurzfilme bilden die Filmkünstlerin Izabela Plucińska, die ihren animierten Kurzfilm 98 kg 2021 im Wettbewerb um den Publikumspreis präsentiert, die Kuratorin und Expertin für Animations- und Experimentalfilm Marina Kožul, sowie Gugi Gumilang, Geschäftsführer der Non-Profit-Organisation „In-Docs“, die sich für aktivistische filmische Positionen zu sozialen und Gerechtigkeitsthemen einsetzt. Die Juror*innen entscheiden über die Goldene Taube für einen kurzen Animationsfilm und die Goldene Taube für einen kurzen Dokumentarfilm.
Die Preisträgerfilme werden am 30.10. bei der Verleihung der Goldenen und Silbernen Tauben im CineStar verkündet.
Fünf Filme außer Konkurrenz, welche die Konventionen des Kinos herausfordern, zeigt die Sektion Camera Lucida. In grobkörnigem Schwarzweiß erzählt Payal Kapadia mit A Night of Knowing Nothing auf poetische Weise von politischen Protesten, die an einer indischen Filmhochschule entstanden. Miko Revereza und Carolina Fusilier fusionieren in The Still Side, dem Portrait einer verlassenen mexikanischen Insel, Dokumentarfilm und Science-Fiction. Zwischen Realität und Illusion bewegt sich auch Arata Moris A Million, eine Reise durch eine imaginäre Stadt, gedreht entlang der ehemaligen Seidenstraße.
In Our Quiet Place von Elitza Gueorguieva reflektiert eine Schriftstellerin, die von Belarus nach Frankreich gegangen ist und ihre Sprache gewechselt hat, über Worte, Verständigung, Portrait und lückenhafte Kindheitserinnerungen. Nicht zuletzt erzählt in The Shadow Workers von Annelein Pompe passenderweise eine Taube, seit jeher Symboltier des Leipziger Festivals, von einem belgischen Taugenichts und den Absurditäten des menschlichen Wesens.
Filmgespräche finden mit den Filmschaffenden, die nach Leipzig anreisen können, vor Ort im Kino statt. Das Dialogformat DOK Speaks Up lädt zu moderierten Gesprächsrunden mit Filmschaffenden ein, die aktuelle Fragestellungen aus den Wettbewerben der Festivaledition vertiefen. Der Talk „Achsensprünge“ geht auf Bilder, Texte und Geschichten aus der Kolonialzeit ein und stellt zur Debatte, ob Filmschaffende die Narrative solcher Aufnahmen demontieren können. Unter dem Titel „Mit anderen Augen sehen“ gehen Regisseur/-innen der Problematik des Filmens an Orten und in Communitys nach, denen sie selbst nicht angehören.
Der dritte Talk „Der Elefant an der Wand“ diskutiert, was die Anwesenheit der Kamera im Raum verändert und warum die Illusion der dokumentarischen Unmittelbarkeit noch so oft gepflegt wird. „Achsensprünge“ wird online als Livestream veranstaltet. Die beiden anderen Diskussionen finden im Zeitgeschichtlichen Forum statt, werden aufgezeichnet und sind im Laufe der Festivalwoche auf der Website von DOK Leipzig verfügbar.
Die insgesamt rund 170 Filme und XR-Arbeiten aus 44 Ländern, darunter 37 Welt- und 13 Internationale Premieren, werden für das Publikum in neun verschiedenen Spielstätten Leipzigs gezeigt. Mit dabei ist zum ersten Mal der Regina Palast im Leipziger Osten. Einige der Filme präsentiert DOK Leipzig in diesem Jahr erneut bei freiem Eintritt in der Osthalle des Hauptbahnhofs sowie im Polnischen Institut.
Für alle öffentlichen Veranstaltungen während der Festivalwoche gilt die 3G-Regelung zum Schutz vor Covid-19. Besucher/-innen ab 12 Jahren benötigen einen Nachweis darüber, dass sie geimpft oder von der Erkrankung genesen sind. Alternativ ist der Eintritt mit einem tagesaktuellen negativen Test eines offiziellen Testzentrums möglich (keine Selbsttests). Ausnahmen bilden die Eröffnungsveranstaltung im CineStar sowie die Vorführungen im Polnischen Institut, zu denen der Zugang nur geimpften und genesenen Personen gestattet ist. Eine Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes besteht an allen Veranstaltungsorten bis zum Sitzplatz.
Im Anschluss an die Festivalwoche wird im „DOK Stream“ eine Auswahl der diesjährigen Festivalfilme deutschlandweit für zwei Wochen online zur Verfügung stehen.
Die Goldene Taube im Wettbewerb langer Dokumentar- und Animationsfilm in Verbindung mit 10.000 € wird gestiftet vom MDR. Die Silberne Taube im Wettbewerb langer Dokumentar- und Animationsfilm in Verbindung mit 6.000 € wird von 3sat gestiftet.
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