Auf den ersten Blick wird klar - hier herrscht kreatives Chaos: Ein großer Tisch, auf dem bunt durcheinander Plakate, Kleber, verschiedene Stifte, Zettel und zwei Clownshüte liegen. Aus den Nachbarzimmern hört man leise Musik, ab und an steckt jemand den Kopf zur Tür herein. Sascha Stiehler sitzt an seinem Laptop und ist gerade dabei, ein Video auf der eigenen Facebook-Seite zu posten. Darin kündigen er und Mitmusiker Antonio Lucaciu in bunten Zirkus-Kostümen an, dass sie bald auf Tournee durch ganz Deutschland gehen.

Unter dem Motto “Duo dreht durch” wollen sie bis zum 14. Dezember bei über zwanzig Konzerten mit vorwiegend instrumentaler Musik Geschichten erzählen, die berühren und unterhalten. Geschichten auch aus Plagwitz, wo sie seit Anfang diesen Jahres in einem Künstler-Haus gemeinsam mit anderen Kreativen an verschiedenen Projekten arbeiten. So unter anderem mit der Fotografin Sandra Ludewig, die nur eine Tür weiter sitzt und gerade am Computer Bilder für den nächsten Video-Clip zusammenschneidet.

“Für uns ist das Haus die Erfüllung einer Vision. Wir haben schon seit ein paar Jahren einen Ort gesucht, an dem wir in Ruhe proben und komponieren können und ein Büro für unser Label unterbringen. Die Musik, die hier entsteht, ist sehr heimatbezogen und erzählt von dem, was wir in Leipzig tagtäglich erleben.”, sagt Sascha Stiehler. Der 26-Jährige hat mit seinem Duo-Partner Antonio Lucaciu (27) Jazz an der Leipziger Musikhochschule Felix Mendelssohn Bartholdy studiert, parallel dazu den Liveclub Telegraph und das Label Egolaut gegründet.

Nun haben sie sich in Plagwitz eine eigene kleine Insel mit Raum für ihre künstlerische Arbeit geschaffen. “Wir konnten das bei Freunden beobachten, die das ähnlich gemacht haben, wie zum Beispiel Clueso mit dem Zughafen Erfurt. Das war sehr inspirierend für uns. Wir wollten unbedingt nach Plagwitz, weil hier Platz ist und es viele Freiflächen gibt, die neu genutzt werden. Hier darf man seinen eigenen Kopf haben und sich austauschen”, berichtet Antonio Lucaciu. “Der Stadtteil bietet eine große Vielfalt, man trifft auf der Straße den Fotografen neben der Tänzerin, genauso wie den Musiker neben dem Clubbesitzer. Die Leute hier sind nicht genervt, wenn etwas neues passiert.”
Antonio Lucaciu spielt beim Duo nicht nur Saxofon, sondern rappt auch mal auf der Bühne. Denn so bunt wie eine Traube Luftballons sind die Musikstile, die das Duo miteinander kombiniert – von Elementen des Jazz über Rock, HipHop und elektronischer Musik bis hin zu Klassik und Popmusik sowie programmatischen Einflüssen ist alles dabei. “Es gibt viele Musikerkollegen, die eher ruhige Musik machen, die sich meist einem Genre zuordnen lässt. Bei uns muss die Energie, die wir haben, raus. Wir sind sehr spontane Typen, für die es keine Genregrenzen gibt.”, sagt Lucaciu, der schon seit den Kindergartentagen musiziert. Und Sascha Stiehler ergänzt: “Viele Dinge, die unsere Musik ausmachen, entstehen erst auf der Bühne beim live spielen. Langweilig werden können wir später.”

Ein bisschen verrückt wirkt das dann allemal, wenn in den Melodien die eigene Oma als Frau Holle beschworen wird, aus einer Talsperre das versunkene Atlantis auftaucht und ein gewisser Roboterklaus über die Bühne tanzt. Der Fantasie freien Lauf lassen, einfach mal durchdrehen und gleichzeitig zarte Töne anschlagen – diese Balance hält das Duo-Programm am Leben. Dass bei der diesjährigen Tour aus dem Duo klammheimlich ein Trio wird, ist der Experimentierfreude von Stiehler/Lucaciu zuzuschreiben: Schlagzeuger Dominique “Gaga” Ehlert würzt die mundgerechten Melodien mit gut gelaunten Rhythmen und rüttelt die ein oder andere Nummer des Debüt-Albums “Kompott geht immer” kräftig durch.

Auf ihrer Reise durch die Nation besuchen die Musiker vorwiegend Städte, mit denen sie eigene Erlebnisse und Emotionen verbinden. Meist haben die Konzerte Freunde, Kollegen oder Partner vor Ort organisiert, vieles läuft auch in Zeiten von Facebook noch immer über Mundpropaganda.

So wie im kleinen Örtchen Haßfurt, wo sie starten werden – erst gegen Ende machen die Musikvirtuosen dann in Leipzig Station. Warum? “Wir haben gemerkt, wenn man durch ganz Deutschland fährt und dann zurück in die Heimatstadt kommt, fließt alles, was man erlebt hat, in die Musik mit ein. Daher wollten wir uns das schönste zum Schluss aufheben und in Leipzig überraschen.”, lautet die einleuchtende Begründung. “Denn Leipzig ist für uns Liebe.”

Mit Liedern wie “Clara Park” oder der Hommage an den Wirkungsort “Plagwitz” wird das Duo Stiehler/Lucaciu am 30. November im UT Connewitz den Liebesbeweis antreten und der Heldenstadt ein Ständchen bringen. Langweilig wird’s da ganz sicher nicht.

Das Leipziger Pop-Jazz Duo Stiehler/Lucaciu macht mit seinem Programm “Duo dreht durch” am Sonntag, 30. November, um 19:30 Uhr auch im UT Connewitz Station.

www.utconnewitz.de

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