Unter dem Mindestlohn versteht man in der Wirtschaft ein durch Gesetz oder Tarifvertrag festgelegtes Arbeitsentgelt, das als Mindestpreis gilt und nicht unterschritten werden darf. Vereinbarungen über niedrigere Löhne als die gesetzlich oder tarifvertraglich vorgesehenen Mindestlöhne oder der Verzicht der Arbeitnehmer auf den Mindestlohn sind unwirksam; d. h. der Arbeitnehmer kann trotzdem seinen Anspruch darauf geltend machen. (Quelle: Wikipedia)
Der Mindestlohn dient als soziales Instrument zur Armutsbekämpfung und zur Sicherung eines existenzsichernden Einkommens. Im Laufe der Zeit wurde er sowohl als Mittel zur Stärkung der Arbeitskraft als auch als potenzielle Belastung für Unternehmen kontrovers diskutiert.
Die Zahlen aus dem SOEP zu Stundenlöhnen unter dem Mindestlohn. Grafik: Freistaat Sachsen / SMWA
Mindestlohn gibt es schon seit 130 Jahren
Die Geschichte des Mindestlohns reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück. Mindestlöhne wurden in der Geschichte mehrfach von der Arbeiterbewegung durch Streiks erkämpft. Motiv waren so genannte „Hungerlöhne“, die in Zeiten großer Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt so gering waren, dass sie nicht zur Sicherung der Grundbedürfnisse reichten.
Erste lokale Mindestlohnregelungen gab es gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Ab 1894 vergab die Stadt Amsterdam öffentliche Aufträge nur noch an Unternehmen, die ihre Beschäftigten nicht unter einem Mindestlohn bezahlten. 1896 wurden in Neuseeland durch den Industrial Conciliation and Arbitration Act Lohnschlichtungsstellen eingeführt, gefolgt von Victoria, Australien, im Jahr 1899 und Großbritannien im Jahr 1909, die ähnliche Schlichtungsstellen einführten.
Hier klicken, um den gesamten Text anzuzeigen
In den USA wurde 1938 der erste landesweite Mindestlohn im Rahmen des Fair Labor Standards Act eingeführt. Begründung: die weißen Arbeitnehmer sollten vor den damals als minderwertig angesehenen Schwarzen geschützt werdenen. Das Jahr vor der Einführung des Mindestlohns war dann auch das letzte Jahr, in dem die Arbeitslosigkeit der Schwarzen niedriger war als die der Weißen.
Die Idee des Mindestlohns verbreitete sich weltweit, wobei viele Länder eigene Regelungen einführten.
Deutschland im weltweiten Vergleich
In Deutschland wurde der allgemeine gesetzliche Mindestlohn von ursprünglich 8,50 € durch das am 1. Januar 2015 in Kraft getretene Mindestlohngesetz eingeführt. Seit dem 1. Oktober 2022 liegt er bei 12 € brutto. Damit liegt Deutschland im weltweiten Vergleich ganz weit oben.
Und so gibt es Länder (wie z.B. Deutschland, Irland, Niederlande, Frankreich, Großbritannien, Australien), wo der Mindestlohn zwischen 10,00 EUR und 12,00 EUR liegt, während in Ländern wie Brasilien, Moldawien und Russland Stundenlöhne von unter 1,00 EUR normal sind (Stand 2021). Ganz an der Spitze liegt übrigens Luxemburg mit 14,00 EUR/Stunde.
Anmerkung: Diese Angaben basieren auf einer Tabelle, die man unter https://de.wikipedia.org/wiki/Mindestlohn findet. Diese ist bei Weitem nicht vollständig. Viele, vor allem ärmere Länder Asiens und Afrikas fehlen. Hier liegt der Mindestlohn bei nur wenigen Cent/Stunde.
Vorteile des Mindestlohns
Ein Mindestlohn soll sicherstellen, dass selbst die am unteren Ende der Lohnskala Beschäftigten ein Einkommen erhalten, das ihre Grundbedürfnisse deckt und Armut verhindert.
Durch die Erhöhung des Einkommens der unteren Einkommensgruppen wird häufig eine verstärkte Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen generiert, was wiederum die Wirtschaft ankurbeln kann.
Ein angemessener Mindestlohn kann die Motivation der Arbeitnehmer steigern und die Produktivität fördern, da sie sich besser entlohnt fühlen.
Nachteile des Mindestlohns
Kritiker argumentieren, dass höhere Lohnkosten Arbeitgeber dazu veranlassen könnten, Arbeitsplätze abzubauen, insbesondere in Branchen mit schmalen Gewinnmargen.
Die Einführung oder Erhöhung eines Mindestlohns könnte zu höheren Kosten für Unternehmen führen, die diese dann möglicherweise auf Verbraucher übertragen, was zu einem Anstieg der Lebenshaltungskosten (Inflation) führen kann.
Ein einheitlicher Mindestlohn berücksichtigt nicht die regionalen Unterschiede in den Lebenshaltungskosten, was in teureren Städten zu einem möglichen Ungleichgewicht führen kann.
Fazit
Der Mindestlohn bleibt ein umstrittenes Thema in der politischen und wirtschaftlichen Debatte. Während er als Instrument zur Armutsbekämpfung und sozialen Gerechtigkeit betrachtet wird, gibt es gleichzeitig Bedenken hinsichtlich möglicher negativer Auswirkungen auf die Beschäftigung und die wirtschaftliche Dynamik. Eine ausgewogene Herangehensweise ist entscheidend, um die Vorteile zu maximieren und gleichzeitig mögliche Nachteile zu minimieren.
Einleitungstext veröffentlicht am: 21.11.2023
Alle Artikel und Meldungen, die zum Schlagwort “Mindestlohn” veröffentlicht wurden:
Im Job alles geben – und trotzdem nur ein „schmales Portemonnaie“ haben, das ist für viele Arbeitnehmer auch in Leipzig noch Alltag. In Leipzig arbeiten aktuell rund 22.300 Menschen für den gesetzlichen Mindestlohn. Sie verdienen 12,41 Euro pro Stunde. Das ist das Ergebnis einer Arbeitsmarkt-Untersuchung vom Pestel-Institut. Dabei haben die Wissenschaftler auch berechnet, was ein […]
Es war eine kleine Meldung, die das Landesamt für Statistik am 1. Juli veröffentlicht. Aber die hatte es in sich. „Niedriglohnsektor in Sachsen schrumpft 2022“, lautete sie und brachte die Landesstatistiker zu der geradezu euphorischen Aussage: „Die Erhöhung des Mindestlohns zum Oktober 2022 auf 12 Euro brutto je Stunde hat den Niedriglohnsektor in Sachsen deutlich […]
Die ostdeutsche Wirtschaft ist bisher gut durch Energiekrise gekommen. Im Jahr 2022 hat die ostdeutsche Wirtschaft mit 3,0 % deutlich stärker expandiert als die Wirtschaft in Westdeutschland (1,5 %). Hintergrund ist eine robustere Entwicklung der Arbeitnehmer- und Rentnereinkommen, stellt Oliver Holtemöller vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) fest. Auch für das Jahr 2023 prognostiziert das […]
Noch in diesem Jahr will Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) einen Gesetzesentwurf vorlegen, mit dem der Mindestlohn in Deutschland in einem Schritt auf 12 Euro pro Stunde angehoben wird. Erst zum Jahresbeginn 2022 ist der gesetzliche Mindestlohn nach den Beschlüssen der Mindestlohnkommission planmäßig von 9,60 Euro auf 9,82 Euro pro Stunde gestiegen. Nun haben die sächsischen IHKs einige ihrer Mitgliedsunternehmen befragt und lesen aus dem Befragungsergebnis eine Warnung „vor zu schneller und direkter Anhebung“ heraus.
Mit Blick auf die am Montag, 11. Oktober, von Sachsens Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr vorgelegte Studie zu den Auswirkungen des Mindestlohns auf den Freistaat, sieht sich auch der sächsische DGB-Vorsitzende Markus Schlimbach darin bestätigt, dass der Mindestlohn keine negativen Auswirkungen auf Sachsen hat. Doch gäbe es nach wie vor massive Mängel in dessen Durchsetzung. Und mit der Kritik steht er nicht allein.
Am Montag. 11. Oktober, legte Sachsens Arbeitsminister Martin Dulig (SPD) erstmals eine Studie zur Umsetzung des Mindestlohngesetzes in Sachsen vor. Die Einführung des allgemeinen flächendeckenden Mindestlohns zu Jahresbeginn 2015 war durchaus ein Erfolg für die SPD und hat vielen Menschen im Niedriglohnland Sachsen tatsächlich erstmals ein leidlich anständiges Einkommen verschafft. Auch, wenn das noch nicht reicht.
Am Montag, 14. Dezember, legte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil den Evaluationsbericht zur Wirkung des Mindestlohns in Deutschland vor. Immerhin war die Einführung des Mindestlohns ein wichtiges Projekt der SPD, eingeführt ab dem 1. Januar 2015 gegen massiven Widerstand der Arbeitgeberverbände und der diversen konservativen Wirtschaftsinstitute (auch aus Sachsen). Sie drohten mit massivem Verlust von Arbeitsplätzen. Aber nichts davon ist eingetreten.
So wird das nie ein Bild. Auch wenn die Linksfraktion im Bundestag immer wieder anfragt – wie jetzt wieder nach Niedriglohn in deutschen Landen. Ein Thema auch für die Gewerkschaft IG BAU. Denn natürlich ginge es den Beschäftigen besser, wenn sie alle wenigstens den offiziellen Mindestlohn bekämen. Aber wie hoch ist der Anteil der Leipziger/-innen, die tatsächlich nicht mal den Mindestlohn bekommen? 14 Prozent, meint die IG BAU.
Im Juli 2014 beschloss der Bundestag die Einführung des Mindestlohns, das größte Erfolgsprojekt der SPD in den letzten Jahren. Doch noch immer versuchen Unternehmer in verschiedenen Branchen, den Mindestlohn zu unterlaufen. „Gewerkschaftsbund beklagt: Werden Millionen Beschäftigte um den Mindestlohn betrogen?“, meldete die F.A.Z. am 26. Juni. Und auch wenn der Zoll in Sachsen kontrolliert, werden immer wieder Unternehmer ertappt, die ihre Arbeitskräfte billig arbeiten lassen. Ein Problemfeld: die Gastronomie.
Die Debatte um die von der SPD ins Spiel gebrachte Grundrente hat ja die Fronten klar aufgezeigt: Während die Parteien und Interessenverbände der Reichen und Besserverdienenden tobten und behaupteten, diese Grundrente ließe sich gar nicht bezahlen, bekam die SPD gerade von Betroffenen und Sozialverbänden positive Signale. Denn die Argumente zum Nicht-Bezahlen-Können sind erstunken und erlogen. Harte Worte? Leider passende Worte.
Die Bürgerumfrage 2017 lieferte erstmals auch umfangreiches Material zu der Frage: Wer in Leipzig ist eigentlich arm? Und warum? Vor allem weil eine Frage die Statistiker beschäftigte: Warum fallen die Jahrgänge, die von der „Wende“ besonders heftig betroffen waren, auch 25 Jahre später noch in jeder Statistik zu Einkommen und Armut auf? Kein alleiniges ostdeutsches Thema. „Working poor“ sind ein Ergebnis erzkonservativer Wirtschaftspolitik.
Für sich selbst würden sie wahrscheinlich nicht einmal sagen, dass sie arm sind. Denn in der Regel gehören sie nicht zu den wirklich als „armutsgefährdet“ geltenden Leipzigern, die mit Hartz IV oder prekären Mini-Jobs auskommen müssen. Sie arbeiten Vollzeit, bekommen gerade so genug, um einigermaßen auskömmlich zu leben. Aber tatsächlich verdienen 54.500 Leipziger nicht genug, um später eine auskömmliche Rente zu bekommen. Davor warnt die IG BAU.
Eigentlich hat der Mindestlohn in Sachsen manch Gutes bewirkt. Zumindest hat er die leidige Niedrigstlohn-Politik in Sachsen ein Stück weit korrigiert. Doch obwohl in vielen Branchen mittlerweile die Leute fehlen, fallen immer wieder Arbeitgeber damit auf, dass sie die Regeln des Mindestlohnes unterlaufen. Nachdem im Bau die Zahlen etwa rückläufig sind, fällt jetzt das Gastgewerbe auf.
Bis 2014 war Sachsen – auch ganz regierungsamtlich – das Vorzeige-Niedriglohn-Land in der Bundesrepublik. Nicht nur in Branchen, die sowieso mit niedrigen Umsätzen zurechtkommen müssen, war das Lohnniveau gering. Auch große Konzerne nutzten die Rahmenbedingungen, um eine ganze Palette von prekären Jobmodellen zu entwickeln. Als es 2015 zur Einführung des Mindestlohns kam, waren sie die lautesten, die eine Arbeitsmarktkatastrophe beschworen. Eingetreten ist das Gegenteil.
Was hat die Einführung des Mindestlohns eigentlich bewirkt? Ein Effekt jedenfalls war, dass tausende Minijobs in Vollzeitarbeitsplätze verwandelt wurden. Das zeigt jetzt auch eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), die Daniela Kolbe, Generalsekretärin der sächsischen SPD, zu dem Fazit bringt: Der Mindestlohn ist ein Segen für Ostdeutschland.
Am Donnerstag, 20. Oktober, veröffentlichte das Sächsische Landesamt für Statistik gleich zwei Meldungen – eine zur Beschäftigung im Jahr 2015 und den verblüffenderweise sinkenden Beschäftigtenzahlen. Und gleich dazu die Statistik zum 1. Halbjahr 2016: Der Beschäftigungsaufbau geht (wieder) weiter. Es ist schon erstaunlich, wie der Mindestlohn wirkt.
Auch das verblüffte den OBM, als er die Zahlen der neuen „Bürgerumfrage 2015“ las: Mit 79 Prozent erreichte die „Lebenszufriedenheit“ der Leipziger 2015 einen neuen Rekordwert. Als die Bürgerumfrage 1992 begann, lag der Wert noch bei 47 Prozent. Und irgendwie scheint das nicht zu passen zu einer Stadt, die bei den Einkommen immer am unteren Tabellenende liegt im Vergleich deutscher Großstädte. Das hat sich ja nicht geändert.
Was sagen Arbeitszeiten eigentlich über Arbeitszeiten aus? Sachsens Statistiker (und nicht nur sie) versuchen das jedes Jahr aufs Neue herauszubekommen. Meistens kommt so eine Art Rätselraten heraus und eine rundgelutschte Geschichte von Vielarbeitern und Wenigarbeitern. Als wenn das Land seit Jahren emsig darum kämpfte, endlich die 20-Stunden-Woche zu bekommen. Nur: Die Geschichte stimmt so nicht.
Am Mittwoch, 29. Juni, hat die Mindestlohnkommission die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland auf 8,84 Euro je Stunde ab Anfang 2017 festgelegt. Die Bundesregierung muss nun prüfen, ob sie dieser Empfehlung folgt und den gesetzlichen Mindestlohn per Rechtsverordnung zum 1. Januar 2017 anhebt. Und wieder prallen Zustimmung und Owei-Rufe aufeinander.
Dass sogar der Blick in die Vergangenheit erhellende Einsichten bringen kann, zeigt jetzt eine Meldung des Statistischen Landesamtes. Das hat sich jetzt mal eine Sonderauswertung des Bundesamtes für Statistik vorgenommen. Und das hat sich das Thema Mindestlohn mal mit den Zahlen von 2014 angeschaut. Da gab es zwar noch keinen Mindestlohn, aber die Betroffenheit der Regionen ließ sich ausrechnen.
Da haben sich alle daran gewöhnt, dass es in Deutschland einen Mindestlohn gibt und die meisten Unternehmen ganz gut damit leben können. Da wird schon wieder über eine Anhebung des Mindestlohns debattiert. Im Juni soll der Vorschlag auf den Tisch. Da haben die sächsischen IHK lieber mal ihre Mitgliedsbetriebe gefragt, ob sie da noch mithalten können.
Endlich mal Pause? Endlich mal raus aus dem Hamsterrad? Selbst die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ hat mitgekriegt, dass die Ostdeutschen wesentlich mehr arbeiten als ihre Brüder und Schwestern im Wesen: „Ostdeutsche arbeiten zwei Wochen mehr als Westdeutsche“, erzählte sie am Samstag, 26. März. Zitierte dann aber wieder so eine Art „Arbeitsmarktexperten“.
Die SPD ist zwar manchmal eine etwas konfuse Partei, was die Wirtschaftspolitik betrifft. Aber mit dem Kampf um den Mindestlohn hat sie eine gewisse Beharrlichkeit gezeigt, die seit dem 1. Januar 2015 tatsächlich spürbare Wirkung entfaltet. Deutschlandweit verschiebt sich das Einkommensgefüge. Viele, die vorher mit einem Mini-Job vorlieb nehmen mussten, sind in deutlich höhere Einkommensgruppen gewechselt.
Was wurde da 2014 noch gekämpft. Mit harten Bandagen. Mit gepfefferten Studien. Mit düsteren Prognosen, was die Einführung des Mindestlohns ab 1. Januar 2015 für das Land und seine Wirtschaft bedeuten würde. Mancher malte gar den Untergang des Sachsenlandes an die Wand. Aber nichts davon passierte. Im Gegenteil: Für viele Sachsen stieg das Einkommen nach 20 Jahren Billiglohnland erstmals spürbar. Das würdigt sogar die Staatsregierung.
Vor Kurzem haben die sächsischen IHK ihre Gesamtkonjunkturbilanz für Sachsen vorgelegt. Das frische Datenmaterial vom Jahresbeginn gibt es natürlich auch extra für Leipzig. Samt der erstaunlichen Nachricht, dass das Gastgewerbe keineswegs Arbeitsplätze abbaut, sondern im Gegenteil: Nirgendwo ist der Arbeitskräftebedarf derzeit größer.
Was wäre ein Unternehmer, wenn er optimistisch in die Zukunft schauen würde? Ihn würde in Sachsen wohl keiner ernst nehmen. Unternehmer sind Leute, die bedrückt dreinschauen, wenn der Laden gut läuft, und die mit den Zukunftsaussichten niemals zufrieden sind. Das Ergebnis ist etwas, was die Statistiker dann beschreiben mit: „Die Schere geht immer weiter auseinander“.
Wir lassen uns ja nicht alles erzählen. Auch nicht, wenn das Landesamt für Statistik so locker die Meldung hinwirft: "2015 erstmals wieder leichter Rückgang der Erwerbstätigenzahl in Sachsen seit sechs Jahren." Die ganze Zeit wird von Stellenzuwachs erzählt - und dann so eine Nachricht? Was ist da los?
2014 waren ja bekanntlich die wichtigsten Sprecher der sächsischen Gastronomie damit beschäftigt, mit allen Registern gegen den Mindestlohn zu kämpfen. Sie malten die düstersten Bilder zur Zukunft der Branche. Aber ein Jahr Mindestlohn hat nun gezeigt: Auch diese Branche war reif für den Mindestlohn - die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) zieht für Leipzig eine positive Bilanz.
Am Dienstag, 19. Januar, präsentierte die IHK zu Leipzig die neuesten Zahlen zum Lebensgefühl der Wirtschaft in der Region Leipzig. Immerhin werden die Unternehmen immer wieder mit einem leichten Bangen befragt: Lassen sie sich von internationalen Krisen beeindrucken? Lassen sie sich von der Landespolitik beeindrucken? Oder fährt der Zug weiter auf verlässlichen Gleisen?
Nicht nur das sächsische Arbeitsministerium und die sächsische Arbeitsagentur haben sich die Beschäftigtenzahlen des Jahres 2015 sehr kritisch angesehen auf die Frage hin: Was hat eigentlich der Mindestlohn, der zum 1. Januar 2015 eingeführt wurde, bewirkt? Hat er Arbeitsplätze vernichtet? Nicht die Bohne, stellt jetzt auch der DGB fest.
Mit dem Jahr 2015 geht auch das erste Jahr seit Einführung des Mindestlohnes zu Ende. Mit harten Bandagen versuchten noch 2014 einige Akteure, den Mindestlohn in Sachsen zu verhindern. "Der Arbeitsmarkt vor allem im Osten Deutschlands wird durch den geplanten Mindestlohn schwersten Schaden nehmen", polterte der FDP-Vorsitzende Holger Zastrow. Die INSM kämpfte sogar mit Voodoo-Puppe. Doch die beschworene Katastrophe blieb aus, stellt jetzt der sächsische Arbeitsminister fest.
Es klingt zumindest so, als wären Sachsens Statistiker am 10. Dezember besorgt gewesen, als sie meldeten: "Im dritten Quartal 2015 nahezu unveränderte Erwerbstätigenzahl im Vergleich zum Vorjahr in Sachsen". Und das nach fünf Jahren permanenten Anstiegs der Zahlen für Sachsen. Geht der sächsischen Wirtschaft nun die Luft aus? Nicht wirklich.
Ein dreiviertel Jahr ist herum seit der offiziellen Einführung des Mindestlohns in Deutschland und auch die näheren Wirtschaftsinstitute können jetzt feststellen, dass die erwartete Katastrophe ausgeblieben ist. Und die Katastrophe hieß damals - etwa aus Sicht des ifo Instituts: massiver Verlust von Arbeitsplätzen. Das ist sichtlich nicht passiert. Dafür hat's die marginalen Jobs erwischt.
Da hat der Hotel- und Gaststättenverband e.V. (DEHOGA Sachsen) am 7. Oktober aber auf der ganz großen Pauke getrommelt, als er das Ergebnis einer Kurzstudie mit dem Titel in die Welt schickte: "Sachsens Gastgewerbe verzweifelt am Mindestlohn". Dabei bedient selbst die Kurzstudie diese reißerische Überschrift nicht.
Alle halbe Jahre muss das Jobcenter dem Leipziger Stadtrat einen Bericht vorlegen, in dem gezeigt wird, ob die Ziele, die Bund und Stadt gesetzt haben, erreicht wurden, wie sie erreicht wurden, und wenn nicht - warum nicht. Im Grunde kann man die Wünsche von Bund und Land auf einen Nenner bringen: Zahl der Geldempfänger senken und die Kosten für Lebensunterhalt und Wohnung senken.
Eigentlich gehört es zum Standard des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), quartalsweise auch so etwas wie eine Prognose für die ostdeutsche Wirtschaft abzugeben. Aber im August 2015 ging es den Wirtschaftsbegutachtern in Halle ganz ähnlich wie den sächsischen Landesstatistikern in Kamenz: Sie stolperten ganz unverhofft über das Thema Mindestlohn.
Es ist fast vergessen. Nur bei Statistikern nicht. Vor einem Jahr waren die Medien voller Leidensgesänge in Sachen Mindestlohn. Der wurde ja bekanntlich per 1. Januar 2015 eingeführt. Ohne dass die Welt unterging. Aber - wie es aussieht - auch ohne dass die sächsischen Unternehmen das wahrgemacht haben, was sie in einem "Konjunkturtest" des ifo Institutes angekündigt haben.
Mitteldeutschland? Zumindest in den Köpfen der Wirtschaftsakteure im Raum Leipzig und Halle ist das Wort verankert. Seit einiger Zeit erstellen sie auch gemeinsame, grenzüberschreitende Konjunkturberichte. So auch diese Tage wieder geschehen. Und wenn man vom Einbruch im Frühjahr 2009 absieht, ist die Stimmung in der Region seit Jahren ungebrochen gut. Und zwar seit dem Herbst 2005. An den Herbst erinnert sich so Mancher.
Jeden Monat aufs Neue versuchen Sachsens Statistiker die Teuerungsrate auszurechnen, das, was dann am Jahresende irgendwie die Inflationsrate ergibt. Und während noch im Januar über möglichen Preisverfall orakelt wurde, steht jetzt fest: Das Leben wird auch in Sachsen weiterhin immer ein wenig teurer. Und meistens trifft's Dinge, die jeder jeden Tag braucht.
Und wie hat jetzt der Mindestlohn ins Gesamtwirtschaftsgefüge in Leipzig eingegriffen? - Die Gewichte haben sich ein wenig verschoben. Die Branchen, die bislang immer vorneweg waren mit "flexibel ist toll", haben ein wenig abgegeben. "Mit der Einführung des Mindestlohns verschlechterte sich zwar die Lage in Einzelhandel und Gastronomie, dies wurde jedoch durch Verbesserungen im Baugewerbe nahezu wettgemacht", teilt die IHK dazu mit. Mal ganz grob gesagt.
Geschäftsleute sind recht zerrissene Wesen. Sie leben immer in mindestens zwei Welten - und müssen sie trotzdem unter einen Hut bekommen. Das macht einmal mehr eine Befragung der IHK zu Leipzig zum Thema Mindestlohn sichtbar. Das ist in Leipzig durchaus ein heißes Thema. Die meisten Leipziger sind von diesen 8,50 Euro nicht allzu weit entfernt. Aber der große Wirtschaftseinbruch zum 1. Januar ist ausgeblieben.
Heute ist Equal Pay Day. Eine hübsche (aber wichtige) PR-Maßnahme, die erst einmal simpler klingt, als die tatsächlichen Verhältnisse, um die es geht. Auch bei den 22 Prozent, die der Berechnung des Equal Pay Days zugrunde liegen. Eigentlich ist es ein westdeutscher "Feiertag". Und das auch nur für westdeutsche Frauen. Auch wenn die Rechnung so simpel klingt.
Ist eine Jahresteuerung noch eine Teuerung, wenn ein Minus davor steht? Oder eigentlich eine Verbilligung? - Auch die Statistiker in der Bundesrepublik haben so ihre Schwierigkeiten mit Preisentwicklungen, die nicht der wie ein Mantra verkündeten Wunschinflation um die 2 Prozent entsprechen. Am Donnerstag vermeldeten Sachsens Statistiker nun: "Erstmals seit Oktober 2009 (-0,1 Prozent) ergibt sich aller Voraussicht nach im Januar keine Verteuerung des repräsentativ zusammengestellten Warenkorbes in Sachsen."
Während das ifo Institut in Dresden in Sachen Mindestlohn eher "Holland in Not!" rief, hat das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) sich lieber mal ein bisschen mit den Zahlen und Ursachen beschäftigt. Denn der Niedriglohn ist ja nicht vom Himmel gefallen. Und er kennzeichnet vor allem nicht die gesamte Wirtschaft, sondern ganz spezifische Branchen, die schon seit Jahren für ihr extrem niedrigen Lohnniveau bekannt sind. "Arbeitsintensive Branchen" sagt das IWH auch noch dazu. Man darf verblüfft sein.
Das neue Jahr hat begonnen, und siehe da: Es steht eine Null vorm Koma. Die Jahresinflation im Jahr 2014 lag bei 0,9 Prozent. Zumindest lag sie das für alle, die eifrig Öl und Benzin verbrauchen. Denn tatsächlich ist es nur der tief in den Keller gerutschte Ölpreis, der die Jahresteuerungsrate gedrosselt hat. Wer hingegen kein Auto fährt und keine Ölheizung hat, der war mit mindestens 1,2 Prozent mehr Ausgaben dabei. Der Lichtblick lag dann eher im Supermarkt, wo Obst, Gemüse und Speiseöl billiger wurden.
Das Jahr 2014 begann für Marcus Mötz mit einer Reportage über die Auseinandersetzungen zwischen Tierrechtlern am Zirkus Aeros und es endet mit diesem Thema. Diesmal nicht am Tor sondern drin, im Zirkus selbst. Direktor Bernhard Schmidt, Spross der Traditionsfamilie, welche seit 1857 mit Tieren tourt, über die Vorfälle in der ersten Januarwoche, den anstehenden Mindestlohn und die Frage: Geht's auch ohne Tiere im Zirkus?
Über 300.000 Beschäftigte im Freistaat Sachsen werden ab 1. Januar 2015 von dem allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde profitieren. 8,50 Euro Stundenlohn bedeuten bei einer Vollzeitbeschäftigung einen Bruttoverdienst von 1.500 Euro. Nach DGB-Berechnungen müssen zurzeit in Sachsen 190.000 Vollzeitbeschäftigte mit weniger als 1.500 Euro auskommen. Das sind 17,8 Prozent aller vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer in Sachsen.
Ab 1. Januar 2015 gilt der allgemeine gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. Laut Berechnungen des DGB müssen zur Zeit in der Stadt Leipzig etwa 26.000 Vollzeitbeschäftigte mit weniger als 8,50 Euro Stundenlohn auskommen, was einem Bruttoverdienst bis zu 1.500 Euro/Monat entspricht. Das heißt: 16 Prozent der insgesamt 163.000 Vollzeitbeschäftigten in Leipzig werden von der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns profitieren.
Irgendwann fällt einem nur noch das Wort "Elfenbeinturm" ein. Dass die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) in einem solchen Elfenbeinturm lebt, das ist bekannt. Sie vertritt die Interessen einer kleinen, sehr überschaubaren Gruppe der Highsociety in der deutschen Wirtschaft, die gern so tut, als würde sie für alle anderen Unternehmen mitdenken. Aber wie ist das mit Prof. Dr. Andreas Knabe und Prof. Dr. Ronnie Schöb, die jetzt für die INSM die nächste Mindestlohn-Studie erstellt haben?
Nicht nur die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) hat so ihre Probleme, wirtschaftliche Entwicklungen realistisch zu prognostizieren. Das Problem haben auch die diversen Wirtschaftsinstitute der Republik. Natürlich liegt es an der Komplexität all dessen, was man so landläufig Wirtschaft nennt. Also noch ein Stück Rätselraten über die Auswirkungen des Mindestlohnes, der ab 1. Januar 2015 in Kraft tritt. Diesmal aus Halle.
Die Einführung des Mindestlohns ab dem 1. Januar 2015 ist beschlossen. Irgendwie haben die Marketingstrategen der großen Lohnaufweichung im Herbst 2013 unterschätzt, dass eine SPD in der Regierung durchaus noch die Kraft haben könnte, so eine Neujustierung in der Arbeitsmarktpolitik vorzunehmen. Ein ganzes Jahr hat man gebraucht, um die Argumentation neu aufzumunitionieren. Jetzt schießt die "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" (INSM) aus allen Rohren.
Zwischen der "Süddeutschen" und dem "Spiegel", zwischen Hans-Werner Sinn hier und Wolfgang Münchau da, ging es ja in den letzten Tagen heftig hin und her: Beide streiten sich darüber, ob die gegenwärtige Wirtschaftswissenschaft überhaupt noch in der Lage wäre, Krisen vorauszusagen und ihre Ursachen zu benennen. Beide klammerten ein Diskussionsthema völlig aus: wie einseitig Wirtschaftswissenschaften heutzutage vermittelt werden. Exemplarisch machen das immer wieder auch Veröffentlichungen der INSM sichtbar.
Am Mittwoch, 23. Oktober, stellte die IHK zu Leipzig ihre Herbstumfrage zur Konjunkturerwartung der Leipziger Unternehmen vor. - Und es ist nicht nur die exportorientierte Industrie, die so langsam Bauchschmerzen bekommt. In sämtlichen Branchen sind die Lageeinschätzungen weniger optimistisch als noch im Frühjahr. Ausnahme sind der Einzelhandel (der vom Weihnachtsgeschäft träumt) und das Tourismusgewerbe (dito).
Konzessionen einziehen geht nicht, zu viele sind es dennoch und der Mindestlohn kommt. Immer noch sind knapp 700 Lizenzen auf dem Markt und eine Änderung vorerst nicht in Sicht. Das Taxigewerbe Leipzig hat eine Erhöhung der Taxigebühren beantragt und irgendwie waren am 15. Oktober alle skeptisch im Stadtrat, ob das mit der Gebührenerhöhung der Königsweg sein kann.
Auch im globalisierungskritischen Netzwerk Attac sitzen Optimisten. Am Donnerstag, 9. Oktober, sah es sich doch tatsächlich durch das vorgestellte Herbstgutachten der großen deutschen Wirtschaftsinstitute in seiner Einschätzung bestätigt, dass die aktuelle Politik die Finanz- und Wirtschaftskrise verschärft, statt sie zu lösen. So direkt wird es im Gutachten leider nicht gesagt. So viel Mut ist den deutschen Wirtschaftsinstituten auch nicht zuzutrauen.
Das große Problem an der Wachstumsphilosophie ist, dass die ganze Garde der deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute Entwicklung gar nicht anders interpretieren können als über "Wachstum". In diesem Fall in Gänsefüßchen, denn tatsächlich geht es nur um das Wachstum einer Zahl, die man so landläufig Bruttoinlandsprodukt (BIP) nennt. Auch wenn sie gar nichts aussagt über Wohlstand, Einkommen oder gar Verteilungsgerechtigkeit. Oder Nachhaltigkeit.
Nach nur einem Treffen sind die Tarifverhandlungen im Taxigewerbe am Samstag, 13. September, gescheitert. 40-Stunden-Woche, Arbeitszeiterfassung, besserer Lohn ab 2015. So die Position von Ver.di Deutschland. 12-Stunden-Schichten, 6-Tage-Woche und eine Fixierung des Mindestlohns als erste Stufe ab Anfang 2015 auf 6,80 Euro brutto. So ging der Branchenvertreter für den Deutschen Taxi- und Mietwagenverband e.V. (BZP) in die Gespräche, welche Ver.di rasch wieder abbrach.
Am 30. August ging die L-IZ der Frage nach, wie die derzeitige Situation im Leipziger Taxigewerbe nun wirklich ist. Sind Mindestlöhne für Angestellte ab dem 1. Januar 2015 überhaupt möglich, wie ist die derzeitige Vergütungsstruktur und wie bereiten sich die großen Zentralen und Taxianbieter auf die Einführung eines Mindestlohnes vor? Besondere Aufmerksamkeit hatte die Gründung einer neuen Gewerkschaft in Leipzig hervorgerufen. Nun meldete sich auch die zweite große Vereinigung Leipzigs zu Wort. Löwentaxi-Vorstand Uwe Franz zur Sicht der dienstältesten Taxivereinigung Deutschlands.
Das Thema Mindestlohn ab 2015 ist in Leipzig und Mitteldeutschland auch ein Thema der Taxibetriebe. 650 Taxen zählt man derzeit in Leipzig, drei maßgebliche Taxizentralen vermitteln die Fahrten in der Messestadt. Die alteingesessenen Löwentaxi Genossenschaft, die Funkzentrale 4884 und die neuere, kleinste Top-Taxi Gesellschaft verfügen gemeinsam über rund 500 der Fahrzeuge in Leipzig.
Die Antwort auf die Frage, wieviele Stellen mit Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns von 8,50 Euro in Sachsen verloren gehen, hat Sven Morlok am 20. August in seinen Antworten an Dr. Dietmar Pellmann gegeben: Tatsächlich weiß es keiner. Auch Sven Morlok nicht. Auch die Frage, wie sich der Mindestlohn auf die Zahl der Hartz-IV-Aufstocker auswirkt, kann er nicht beantworten.
Als Dr. Dietmar Pellmann, Landtagsabgeordneter der Linken aus Leipzig, am 10. Juli seine zwei Kleinen Anfragen zum Mindestlohn in Sachsen stellte, konnte er noch nicht wissen, dass das Sächsische Wirtschaftsministerium beim ifo Institut in Dresden eine kleine Erhebung in Auftrag gegeben hatte. Immerhin hatte ja auch Wirtschaftsminister Sven Morlok (FDP) heftig gegen die Einführung eines Mindestlohns opponiert. Und tat's am 18. August wieder.
Am 14. August legte das Ifo Institut Dresden eine kleine Untersuchung vor unter der Überschrift "Internationale Vergleiche beim Mindestlohn". Die Untersuchung hat es in sich, denn die Rechner aus Dresden kommen zu einer durchaus verblüffenden Aussage. "Um ähnlich behutsam vorzugehen wie die britische Regierung, dürfte der Mindestlohn in Ostdeutschland nur bei 4,60 Euro liegen - und nicht bei 8,50 Euro", erklärt Marcel Thum, Geschäftsführer der Dresdner Niederlassung des ifo Instituts.
Am 31. August, am letzten Feriensonntag, sind Wahlen in Sachsen. Der Wahlkampf fällt mitten in die Urlaubszeit. "Das hat doch die Landesregierung gut hingetrickst, oder?", fragt Holger Mann - und schmunzelt. Auch Dirk Panter schmunzelt am Donnerstag, 17. Juli, beim Pressetermin. Noch ist zwar nicht Wahlkampfauftakt. Für die SPD geht's am 6. August erst so richtig los. "Aber wir machen Wahlkampf mit nach oben gezogenen Mundwinkeln", sagt Panter.
Keine Lohn-Schlupflöcher in Leipzig: Auch für die mehr als 9.440 Langzeitarbeitslosen in Leipzig soll der Mindestlohn gelten. Das fordert die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten. Die NGG Leipzig-Halle-Dessau erteilt damit Ausnahmen beim geplanten Mindestlohn eine klare Absage. "Wenn Langzeitarbeitslose oder Jugendliche, die noch keine 18 Jahre alt sind, weniger als 8,50 Euro pro Stunde verdienen, dann werden sie zur ?Billig-Lohn-Reserve? in Leipzig", sagt NGG-Geschäftsführer Jörg Most.
90 Prozent der Ostdeutschen sprechen sich für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes von 8,50 Euro pro Stunde aus. Das geht aus einer repräsentativen infratest dimap-Umfrage, die im Auftrag des DGB zwischen dem 5. und 6. Mai 2014 durchgeführt wurde, hervor.
Paul M. Schröder vom Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe e.V. (BIAJ) macht eigentlich etwas ganz Einfaches: Er nimmt Politiker beim Wort und rechnet mit ihren Zahlen. Das Ergebnis ist dann in der Regel das, was nie ein Politiker gesagt hat, was die Betroffenen der deutschen Arbeitsmarktpolitik aber in der Realität erleben. Gerade befanden ja die klugen Köpfe in Berlin, dass gar nicht alle einen Mindestlohn bekommen sollen. Langzeitarbeitslose schon gar nicht.
Die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland erhöht den Wettbewerbsdruck auf die regionale Wirtschaft - mit zum Teil erheblichen Auswirkungen, stellt die IHK zu Leipzig fest. So gaben in einer onlinebasierten Umfrage unter Mitgliedsunternehmen der IHK zu Leipzig fast 40 Prozent der ausbildenden Unternehmen an, ihre Ausbildungsanstrengung reduzieren bzw. gänzlich einstellen zu wollen.
Die aktuellen Zahlen von Aufstockern in Sachsen liegen zwar noch nicht vor. Die bekommt der Landtagsabgeordnete der Linken Dr. Dietmar Pellmann auf seine aktuelle Anfrage hin erst im April. Aber dass das Thema "Aufstocker" gerade die Sozialetats der Kommunen belastet, ist ja bekannt. Und gerade der so heftig befeindete Mindestlohn könne daran etwas ändern, stellt die sächsische DGB-Vorsitzende Iris Kloppich fest.
Ein bisschen Schwindeln, Schwarzmalen und Übertreiben gehören zur Politik. Zumindest zu der, die wir in Deutschland derzeit erleben. Etliche Projekte im Interesse einer bestimmten Klientel sind anders nicht zu verkaufen. Oft sind nur mit kleineren oder größeren Schwindeleien Mehrheiten zu erzwingen. Aber am Donnerstag, 28. November, hat sich Sachsens Wirtschaftsminister Sven Morlok (FDP) in seiner Landtagsansprache gründlich verplappert. Die verbalen Rügen kamen diesmal postwendend.
Dass dieser Punkt nicht durchgehen würde, war bereits während der Diskussion im Stadtrat heute klar geworden: In Leipzig werden künftig keine Aufträge der Stadtverwaltung nur an Unternehmen gehen, die einen Mindestlohn von 8,50 Euro zahlen. Dies hatte die Linke-Fraktion beantragt.
Die Zuschauer und Zuhörer durften schon mal zur Probe abstimmen. Zuvor erlebten sie einen hochwertige Wahlkampf-Diskussion heute Abend im Zeitgeschichtlichen Forum in der Grimmaischen Straße: Die Gäste des MDR-Wahlforums wurden nicht müde, die Vorzüge der eigenen Partei herauszustreichen und den politischen Gegnern ihre Fehltritte vorzuwerfen.
"Studie" um "Studie" legten in der letzten Zeit diverse Parteien und Institute vor, um zu beweisen, dass der von Gewerkschaften und Bundestagsopposition geforderte Mindestlohn Arbeitsplätze gefährde, gar dem Sozialstaatsprinzip zuwiderlaufe und sowieso die Wirtschaft gefährde. Aber all diese "Studien" leiden in der Regel daran, dass sie davon ausgehen, dass das Geld einfach verschwindet, wenn es die Niedriglöhner in die Hände bekommen.
Nach einer Analyse des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) arbeiteten im Jahr 2011 in Ostdeutschland etwa 25 % und in Westdeutschland knapp 12 % der Beschäftigten für einen vereinbarten Bruttostundenlohn von weniger als 8,50 Euro. Die Relation eines Mindestlohnes dieser Höhe zum Medianlohn liegt in Ostdeutschland bei 71 % und in Westdeutschland bei knapp 54 %. In einzelnen Branchen wäre diese Relation jedoch wesentlich höher.
Es ist einiges in der Schieflage in der Leipziger Entlohnungspolitik. Die Zahl der "Aufstocker" in "Hartz IV" steigt Jahr für Jahr, weil immer mehr Jobcenter-Kunden in Jobs arbeiten, die nicht zum Leben reichen. Eine Nachfrage der Grünen brachte an den Tag: Einige kommunale Unternehmen bieten selbst Beschäftigungen für weniger als 8,50 Euro die Stunde an. Die Linksfraktion bindet den Sack jetzt zu und beantragt diese 8,50 Euro als Mindestlohn in der Stadt.
Immer mehr Menschen in Leipzig brauchen einen Zweit-Job: Rund 9.700 Berufstätige waren im vergangenen Jahr auf einen Mini-Job als zusätzliche Einnahmequelle angewiesen. Das geht aus einer Untersuchung hervor, die das Pestel-Institut in Hannover im Auftrag der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) gemacht hat.
Mal ja, mal jein. Auch die Stadt Leipzig tut sich schwer, wenn es um die Sicherung von Mindestlöhnen in städtischen Tochterunternehmen geht. Das findet auch die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) in der SPD Leipzig nicht wirklich gut. Sie fordert - nachdem die niedrigen Vergütungen für Aushilfskräfte im Zoo Leipzig bekannt geworden sind - die Verantwortlichen der Stadt auf, einen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde in allen Unternehmen mit kommunaler Beteiligung in Leipzig durchzusetzen.
Das Beispiel Leipziger Zoo hat deutlich gemacht: Auch Leipziger Eigenbetriebe agieren gern mit Vergütungen deutlich unterm angestrebten Mindestlohnniveau von 8,50 Euro. Im Bundesrat hat man sich ja am 1. März schon mit deutlicher Mehrheit für einen solchen Mindestlohn ausgesprochen. Nur der knauserige Freistaat Sachsen stimmte dagegen. Aber welche Auswirkungen hätte das auf Leipzig? Das wollen die Grünen jetzt wissen. Und fragen nach Zahlen.
Am 8. Januar verschickte die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) einen Neujahrsgruß der besonderen Art: Alle Abgeordneten des Bundestages bekamen ein Paket mit einer Voodoo-Puppe darin, gespickt mit "Verfluchten Wahlversprechen". Wie diese Art Wirtschaftsvoodoo bei Leipzigs Bundestagsabgeordneten ankam, wollte die L-IZ schon gern wissen.
Je mehr der OBM-Wahlkampf heranreift in Leipzig, umso mehr spielen Zahlen eine Rolle. An Zahlen kann und muss sich ein OBM messen lassen. Und Burkhard Jung kann für seine Amtszeit durchaus in Anspruch nehmen, die Arbeitslosenquote halbiert zu haben, die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten wuchs während seiner Amtszeit um 35.000. Was einige seiner Konkurrenten durchaus skeptisch sahen.
In der am Donnerstag, 26. Juli, veröffentlichten Verdienststrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik und des Sächsischen Landeamts für Statistik wird der hohe Anteil von Beschäftigten deutlich, die unterhalb eines existenzsichernden Stundenlohns arbeiten. Sachsen liegt mit einem Anteil von 23 Prozent von Geringverdienenden auf dem bundesweit vorletzten Platz.
Das Projekt „LZ TV“ (LZ Television) der LZ Medien GmbH wird gefördert durch die Sächsische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien. Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.
Aktuelle Kommentare