Eine optimale Ernährung kann im Spitzensport den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage ausmachen, sagt Dr. Juliane Heydenreich, Professorin für Experimentelle Sporternährung an der Sportwissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig. Gerade in Ausdauersportarten spiele die Ernährung eine wichtige Rolle, individuelle Bedürfnisse und Trainingsphasen erforderten angepasste Ernährungsstrategien, um Leistungsfähigkeit und Regeneration zu fördern.
Im Interview warnt Heydenreich vor der Gefahr dopingrelevanter Verunreinigungen in Nahrungsergänzungsmitteln, die bis zu 30 Prozent betreffen könnten. Auch Fleisch kann Rückstände anaboler Steroide enthalten. Sie empfiehlt den sogenannten Food-First-Ansatz.
Kann die Ernährung bei Spitzensportler/innen den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage ausmachen?
Die Ernährung ist ein Baustein von vielen, der einen Einfluss auf die sportliche Leistungsfähigkeit hat. Neben der Ernährung spielen viele Faktoren eine Rolle, allen voran das im Vorfeld absolvierte Training. Aber auch die Psyche, die Ausrüstung, die Technik und Taktik sind entscheidende Bausteine. Eine ausgewogene, bedarfsdeckende Ernährung kann allerdings Sportler/-innen dabei unterstützen, das Risiko für krankheitsbedingte Trainingsausfälle zu reduzieren, was sich langfristig förderlich auf die sportliche Leistungsfähigkeit auswirkt.
Zudem kann eine optimale Ernährung vor und während eines Wettkampfs die Leistung positiv beeinflussen. Wobei hier anzumerken ist, dass der Einfluss der unmittelbaren Wettkampfernährung für bestimmte Sportarten, etwa dem Ausdauersport, größer ist als für andere Sportarten.
Bei Sportarten, wo es entscheidend ist, sich in kurzer Zeit möglichst vollständig zu regenerieren, zum Beispiel bei Vor- und Endläufen in der Leichtathletik, kann die Ernährung ein wesentlicher Einflussfaktor auf die Leistungsfähigkeit sein. Eine optimale Ernährung kann also den Unterschied machen, vor allem im Leistungssport mit einer sehr hohen Leistungsdichte können schon kleine Effekte über Sieg und Niederlage entscheiden.
Aber am Ende ist die Ernährung nur ein Teil des Puzzles, was am Ende zusammen passen muss. Nichtsdestotrotz denke ich, dass viele Sportler/-innen in Bezug auf die Ernährung noch Defizite haben und ein hohes Potenzial zur Verbesserung besteht.
Gibt es Unterschiede, etwa zwischen Läufer/-innen, Schwimmer/-innen und Tänzer/-innen, in Bezug auf die optimale Ernährung?
Ja, der Bedarf an Energie und Nährstoffen ist zwischen den Sportler/-innen sehr unterschiedlich. Dies hängt vor allem vom Gesamtenergieverbrauch ab, der in Abhängigkeit des Trainingsumfangs, der Trainingsintensität und der Art der Belastung variiert. So haben Ausdauersportler/-innen, wie etwa das Radfahren und Laufen, meist einen höheren Energiebedarf, da teilweise mehrfach am Tag mit einer relativ großen Belastungsdauer und -intensität trainiert wird und „zyklische“ Belastungsformen überwiegen.
Bei anderen Sportarten gibt es meist einen höheren Anteil von Kraft- und/oder Schnelligkeitstraining. Dort sind die Belastungszeiten meist kürzer und der Energieverbrauch insgesamt geringer.
Weiterhin ist es entscheidend, in welcher Trainingsphase sich der oder die Sportler/-in befindet, beziehungsweise welches Trainingsziel verfolgt wird. Der Energiebedarf unterscheidet sich meist zwischen den Trainingsphasen. Das heißt: auch innerhalb einer Saison kann der oder die Sportler/-in unterschiedliche Bedarfe haben. Zudem muss man sich immer anschauen, was das langfristige Ziel in Bezug auf das Körpergewicht beziehungsweise die Körperzusammensetzung ist, weil dies auch einen Einfluss auf die Energiebedarfsberechnung hat, etwa in Bezug auf den Anteil der Muskel- oder Fettmasse.
In einigen Sportarten, etwa beim Ausdauersport, ist es vorteilhaft, auf eine kohlenhydratreiche Ernährung zu setzen, in anderen Sportarten hingegen spielen Kohlenhydrate keine so große Rolle. Daher muss der Energie- und Nährstoffbedarf immer individuell und in Abhängigkeit der Trainingsphase beziehungsweise des übergeordneten Trainingsziels geprüft werden.
Was empfehlen Sie Spitzensportler/-innen, bei denen die Nervosität auf den Magen schlägt?
Im Leistungssport treten sehr häufig gastrointestinale Beschwerden auf. Zum einen bedingt durch die Nervosität, besonders vor dem Wettkampf, zum anderen treten sie auch sehr häufig während einer Belastung auf. Das ist insbesondere bei Sportarten mit sehr vielen Erschütterungen der Fall.
Da es jedoch auch wichtig ist, den Körper mit ausreichend Energie und Kohlenhydraten zu versorgen, sollten Sportler/-innen nicht komplett auf die Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme verzichten. Meist ist es möglich, die Energie- und Nährstoffzufuhr über die Getränkezufuhr zu steuern, wenn keine feste Nahrung verzehrt werden kann. Beispielsweise durch den Konsum von Sportgetränken. Manchmal kann noch feste Nahrung aufgenommen werden – hier empfehlen wir dann viele kleinere Mahlzeiten, die leicht verdaulich sind, also einen geringen Ballaststoffanteil haben.
Meistens wissen die Sportler/-innen, was sie gut vertragen und was nicht. Wichtig wäre, dass sie das im Vorfeld auch immer ausprobieren, das kann bei einem weniger wichtigen Wettkampf sein oder vor oder während einer intensiven Trainingseinheit. Wenn wirklich gar keine Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme möglich ist, dann empfehlen wir, falls es umsetzbar ist, sogenannte Kohlenhydrat-Mundspülungen, auf Englisch „mouth rinsings“, vor und während des Wettkampfes durchzuführen.
Es wird dabei eine kohlenhydrathaltige Lösung, etwa ein Sportgetränk, in den Mund genommen, dann 10 Sekunden im Mund gespült und dann wieder ausgespuckt. Dadurch erfolgt eine Aktivierung des zentralen Nervensystems, was wiederum positive Effekte auf die sportliche Leistungsfähigkeit haben kann.
Darf man wirklich keine Mohnbrötchen essen, da dies als Doping nachgewiesen werden könnte? Oder gibt es andere Lebensmittel, das man besser nicht essen sollte?
Es gibt immer wieder Lebensmittel, die natürlicherweise Substanzen enthalten, die auf der Dopingliste stehen und/oder während des Herstellungs- oder Verarbeitungsprozesses dopingrelevant verunreinigt werden. Ein Beispiel dafür ist tatsächlich Mohn, das durch Kontamination bei der Ernte Spuren von Morphin enthalten kann.
Die enthaltene Menge ist von der Sorte, der Herkunft und des Verarbeitungsprozesses abhängig. Meist sind die Mengen relativ gering, sodass es keine Effekte auf die Gesundheit und/oder Leistungsfähigkeit gibt. Es kann allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass es bei Sportler/-innen zu einer positiven Dopingprobe kommen kann.
Ein weiteres Beispiel ist Fleisch, das Rückstände von anabolen Steroiden enthalten kann. Im Vorfeld der Olympischen Spiele in Peking wurde Deutschen Sportler/-innen durch die Stiftung Nationale Anti Doping Agentur Deutschland, NADA, beispielsweise empfohlen, vor Ort kein Fleisch zu verzehren. Viel größer ist das Risiko einer positiven Dopingprobe allerdings durch den Verzehr von Nahrungsergänzungsmitteln – je nach Studie finden wir Werte zwischen zehn und 30 Prozent der Nahrungsergänzungsmittel, die dopingrelevant kontaminiert sind.
Es wird geschätzt, dass sechs bis neun Prozent aller positiven Dopingtests auf kontaminierte Nahrungsergänzungsmittel zurückzuführen sind. Daher empfehlen wir Leistungssportler:innen immer zunächst einen sogenannten Food-First-Ansatz. Nahrungsergänzungsmittel sollten nur dann, und auch nur zeitlich begrenzt, eingenommen werden, wenn der Bedarf nicht durch die allgemeine Ernährung abgedeckt werden kann und wenn tatsächlich auch Evidenz vorhanden ist, dass es eine positive Wirkung auf die Leistungsfähigkeit gibt.
Weiterhin sollten Leistungssportler/-innen auf getestete Produkte zurückgreifen, zum Beispiel die Kölner Liste, um das Risiko der Einnahme eines verunreinigten Nahrungsergänzungsmittels zu minimieren. Diese Liste enthält Nahrungsergänzungsmittel, die auf Dopingsubstanzen getestet wurden.
Da immer der oder die Sportler/-in in der Pflicht ist, im Falle eines positiven Dopingtests nachzuweisen, dass er oder sie unschuldig ist, wird der Nachweis durch ein verunreinigtes Nahrungsmittel oder Nahrungsergänzungsmittel natürlich sehr schwer, beziehungsweise unmöglich. Daher gehen viele Sportler/-innen lieber auf Nummer sicher und verzichten auf risikobehaftete Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel.
Das Interview führte die Medienredaktion der Uni Leipzig.
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