Das Thema der Veranstaltung des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) am Samstag, dem 30. September, in der Alten Handelsbörse Leipzig lautete offiziell „Deine Ideen. Deine Spiele.“. Für die Leipziger Stadtgesellschaft stellt sich die Frage aber wohl wie in der Überschrift beschrieben. Viele Menschen in der Stadt haben ja noch die gescheiterte Olympia-Bewerbung für die Spiele von 2012 im Kopf, es geht aber nicht um eine Neuauflage dieser.
Nach einer kurzen Einstimmung auf das Thema „Olympia-Bewerbung“, in der schon klargestellt wurde, dass sich Deutschland mit mehreren Austragungsorten, also nicht wieder Leipzig allein, bewerben würde, nahmen Vertreter aus Politik und Sport auf dem Podium Platz. Mit Kristin Holze, Vizepräsidentin des DSOB, Burkhard Jung, Oberbürgermeister der Stadt Leipzig, Christian Dahms, Generalsekretär Landessportbund Sachsen, Martin Schulz, Paralympics-Sieger, Welt- und Europameister im Triathlon und Jens Lehmann, Bundestagsabgeordneter und ehemaliger zweifacher Olympiasieger im Bahnradsport, war das Podium prominent besetzt.
Die Podiumsteilnehmer reflektierten die missglückte Leipziger und die anderen nicht erfolgreichen Bewerbungen der letzten 51 Jahre, sprachen über die Bedeutung der Olympischen Spiele für die Ausrichterstaaten, aber auch über die Belastungen für diese bei früheren Olympiaden.
Jens Lehmann sprach es aus, dass es nicht zwingend um eine Bewerbung für die Olympischen Spiele 2036 geht, den nächsten noch offenen Termin für eine Vergabe der Spiele. Dies ist nur die erste der folgenden Olympiaden und Paralympics, für die eine Bewerbung möglich ist.
Die Olympischen Sommerspiele 2024 finden in Paris statt. Für 2028 hat Los Angeles den Zuschlag erhalten, für 2032 Brisbane in Australien. Alle Teilnehmer im Podium sprachen sich prinzipiell für eine deutsche Bewerbung mit Leipziger Beteiligung aus.
Die Fragerunde
Die erste Frage betraf schon die Nachhaltigkeit einer Olympia-Bewerbung beziehungsweise der Ausrichtung von Olympischen Spielen. Die mit diesen verbundene Förderung des Sports, ob nun Sportstätten, Sportlerinnen und Sportler, haupt- und ehrenamtliche Trainerinnen und Trainer darf danach nicht wieder abbrechen.
Das bestätigte auch Kristin Holze, sie wies zugleich auf die Probleme des Breitensports und Schulsports hin. Jens Lehmann hob hier auch den Einfluss des Sports auf die Gesundheit hervor. Auch das ist nachhaltig. Christian Dahms forderte danach die Teilnehmer auf, dass sich auch die kritischen Menschen äußern. Deren Input ist wichtig für einen Dialog.
Die LZ hakte nach. „Eine Frage an Herrn Jung: Herr Lehmann sagte es bereits, er sieht 2036 noch nicht so, das meine ich auch. Herr Jung sagte ja ‚mit der vorhandenen Infrastruktur‘, nun reden wir bei Infrastruktur nicht nur von Stadien und Sportstätten, sondern auch von der städtischen Infrastruktur, von Verkehr, mit allem, was dazu gehört und zum Beispiel von Barrierefreiheit für die Sportler und für die Gäste. Wie ist Ihre Vision dafür, das bis 2036 oder für einen späteren Zeitpunkt zu lösen?“
Burkhard Jung antwortet: „Die Frage habe ich auch. Ich könnte es mir leicht machen, ich bin bis 2027 gewählt – der Nachfolger muss das klären, aber ich will nicht ausweichen. Wir haben ganz dicke Bretter vor uns. Wir müssen eine Wärmeplanung durchführen, die wird dazu führen, dass wir die ganze Stadt aufbuddeln müssen, und das ist nicht nur in Leipzig der Fall. Die Wärmeplanung wird unsere Energieversorgung grundlegend verändern und wir sprechen hier von mehreren Milliarden, die das kostet. Verbunden mit der Mobilitätswende, mit einem wirklichen Ausbau des ÖPNV und einer Neuordnung der öffentlichen Räume und des geteilten öffentlichen Raums, mache ich mir auch Sorgen, ob das bis 2036 zu schaffen ist.“
Burkhard Jung ging danach noch auf das symbolische Datum 2036 ein, schloss aber eine Bewerbung für 2040 oder 2044 nicht aus.
Kristin Holze sagte dazu, dass es gerade darum wichtig sei, das Thema vorher im breiten Rahmen zu besprechen. Es sei nicht zielführend, wenn von sportlicher Seite ein Datum festgesetzt wird und sich dann herausstellt, dass dieses aus den genannten Gründen nicht zu halten ist. Genau das, die vorherige breite Diskussion, sei eben der Unterschied zu den Bewerbungen in der Vergangenheit.
Die dritte und letzte Frage war: „Warum sind wir bei Fußball-WM und -EM so sicher, dass wir das hinkriegen und bei Olympischen Spielen, die sich im selben Rahmen bewegen, aber gesellschaftlich viel größere Resonanz finden, schon aufgrund der Vielzahl von Sportarten, zögerlich und fast schon ängstlich? Warum fehlt uns der Mut?“
Jens Lehmann meinte, es fehle nicht an Mut. Aber gerade durch die Vielzahl von Sportarten und benötigten Sportstätten lägen Olympische Spiele doch in einer anderen Kategorie. Man müsse aber die in Leipzig durchaus vorhandene Begeisterung in ganz Deutschland wecken.
Burkhard Jung wies darauf hin, dass die Infrastruktur im Fußball weitgehend für die Ausrichtung einer WM oder EM bereits vorhanden sei, bei Olympia ist das aber nicht der Fall. Die Begeisterung für Fußballgroßveranstaltungen muss auch nicht erst geweckt werden.
Das ist natürlich nur eine Kurzfassung, bis dahin lief die Veranstaltung schon eine Stunde.
Zwei Vorträge
In den Vorträgen von Stephan Brause, Leiter der Olympia-Bewerbung des DOSB, und Stefan Klos von ProProjekt, von Beruf Stadtplaner, ging es letztendlich um das Konzept der „neuen“ Spiele.
Eine kurze Zusammenfassung, die ausführliche Behandlung des Themas:
Schon die Spiele in Los Angeles 2028 werden zu 100 Prozent privat finanziert und es werden zu 100 Prozent bestehende beziehungsweise temporäre Austragungsorte genutzt. Also kein Neubau von gigantischen Anlagen, die nach den Spielen brach liegen. Der neue Bewerbungsprozess – nicht mehr das IOC stellt Mindestforderungen, die meist einiges über den Anforderungen für vergangene Spiele liegen, sondern die Bewerber stellen ihre Konzepte zur Diskussion – senkt die Bewerbungskosten um 80 Prozent. Die ersten Spiele, die nach dem neuen Vergabeprozess vergeben wurden, finden 2032 in Brisbane statt.
Weitere Effekte sind: Die Nutzung der bestehenden Infrastruktur steigt um 30 Prozent und der Ausrichtervertrag (manche sprechen von Knebelvertrag) wird von 7.000 auf 350 Seiten reduziert.
Die neue Norm zielt darauf ab, dass die Kosten und die Komplexität sowie das Risiko für die Ausrichter und die Verschwendung an Ressourcen gesenkt werden. Flexibilität, Effizienz, Nachhaltigkeit und nicht zuletzt die Attraktivität der Spiele sollen gesteigert werden.
Dazu findet seit Juli 2023 ein dauerhafter digitaler Dialog statt, von August bis September gab es Fachtalks und von September bis November finden Dialogforen statt – über das erste berichten wir hier – in Leipzig, Berlin, Hamburg, München und NRW statt.
Themenschwerpunkte – Diskussion
Nach einer kurzen Pause konnten die Teilnehmer verschiedene Themenschwerpunkte an Ständen diskutieren und ihre Ideen zu Sport, Nachhaltigkeit, Wirtschaft, Gesellschaft und Zukunft einbringen.
Auch hier eine kurze Zusammenfassung:
Einfach ausgedrückt könnte man zusammenfassen: Das Thema war „Was hat die Stadt und die Stadtgesellschaft, also die hier lebenden Menschen, von einer Olympia-Bewerbung und der eventuellen Ausrichtung Olympischer Spiele?“.
Bei der städtischen Infrastruktur wie ÖPNV, öffentliche Toiletten, Barrierefreiheit und anderem, bei Breiten- und Schulsport, für Gastronomie, Hotellerie und anderes Gewerbe oder auch beim gesellschaftlichen Zusammenhalt stand im Fokus, was danach übrig und nutzbar bleibt.
Auch in den Gesprächen mit verschiedenen Teilnehmern, hier seien Stephan Brause und Ines Kummer (MdL Grüne) exemplarisch genannt, ging es um den Mehrwert für die Gesellschaft durch eine Bewerbung.
Fazit: Der Teilnehmerkreis bestand zwar hauptsächlich aus den „üblichen Verdächtigen“ bei solchen Foren, es kamen aber dennoch im zweiten Teil einige Menschen spontan dazu und äußerten ihre Meinung.
Die Diskussion über eine mögliche deutsche Olympia-Bewerbung mit Leipziger Beteiligung ist eröffnet. Es bleibt zu hoffen, dass sich viele Menschen beteiligen.
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