Eigentlich war es ganz anders geplant. Christoph Rascher wollte mit seinen L.E. Volleys den Klassenerhalt schaffen und dann im Sommer sein Traineramt in Leipzig niederlegen. Doch als im Januar die ersten drei Spiele des neuen Jahres verloren gingen und der Abstand zum ersten Nichtabstiegsplatz auf sieben Punkte anwuchs, zog der Vorstand die Reißleine und trennte sich vorfristig von Rascher.

Seit Anfang Februar leitet nun der gebürtige Dresdner Jan Pretscheck die sportlichen Geschicke. Er soll dafür sorgen, die Leipziger Volleyballer in der 2. Bundesliga zu halten.

Pretscheck ist Sportlehrer und besitzt seit 2006 die Trainer A-Lizenz des Deutschen Volleyball Verbandes (DVV). Der 40-Jährige feierte als Nachwuchstrainer mit dem VC Dresden fünf Deutsche Meistertitel im Jugendbereich, war lange Jahre Cheftrainer verschiedener Männermannschaften der Dresdner und sammelte dabei Erfahrungen von der 5. bis zur 1. Liga.

Anschließend führte ihn sein Trainerweg über die Stationen Chemnitzer PSV (3. Liga Frauen), VSV Oelsnitz (3. Liga Männer) und SSV Lichtenstein (4. Liga Frauen) nun zu den L.E. Volleys in die 2. Bundesliga. Jan Pretscheck wohnt mit seiner Familie in Chemnitz. Die Leipziger Zeitung (LZ) hat mit ihm über seine ersten Eindrücke und sportlichen Ziele gesprochen.

Herr Pretscheck, wie haben Sie und die L.E. Volleys so schnell zueinandergefunden?

Ich hatte im Dezember erfahren, dass Christoph Rascher zum Saisonende aufhören will. Daher bin ich mit Sportvorstand Axel Roscher ins Gespräch gekommen und habe meine Bereitschaft signalisiert, erst einmal unabhängig von der Liga zu schauen, ob es für beide Seiten passen könnte.

Da ging es aber um die neue Saison. Damit, dass das nun schon während der aktuellen Saison Thema wird, hätte ich nicht gerechnet.

Dann hatte Leipzig aber Anfang des Jahres dreimal verloren. Darauf wollte der Vorstand reagieren und hat mich gefragt. So ging es dann für mich von einem Tag auf den anderen in Leipzig los.

Ich mache das jetzt erst mal bis zum Saisonende, danach setzen wir uns wieder zusammen und schauen, wie es für beide Seiten war und ob wir gemeinsam weitermachen wollen oder nicht.

Welchen Eindruck haben Sie bisher von der Mannschaft gewonnen?

Einige Spieler waren mir früher schon in gegnerischen Mannschaften über den Weg gelaufen. Daher ist mir die Mannschaft nicht völlig unbekannt. Es ist eben so, dass niemand Profi ist und jeder schauen muss, wie er das mit Familie, Arbeit oder Studium kombinieren kann.

Klar gibt es die Trainingsfleißigen, das ist auch mir nicht verborgen geblieben. Mit denen kannst du natürlich ganz anders arbeiten und siehst deren Entwicklung viel besser. Andere Spieler hingegen haben noch zu viele andere Dinge zu managen.

Ich hoffe aber, dass sie ab sofort wieder mehr Zeit haben. Denn ich habe es auch schon öffentlich gesagt, dass wir Spieler, die sich zu wenig reinhängen, nicht gebrauchen können.

Die werden auch beim Spieltag nicht mehr dabei sein. Es ist letztlich meine Aufgabe, diejenigen aufzustellen, denen es zu 100 Prozent wichtig ist, in der Liga zu bleiben – unabhängig davon, was ein Spieler vielleicht in der Vergangenheit schon alles geleistet hat.

Im Spiel gegen Mainz hat daher auch schon eine andere Formation gespielt als sonst. Es ist wichtig, dass die Spieler das mitkriegen und sich vielleicht doch wieder mehr reinhängen, um spielen zu können.

Wir wollen ja niemanden verlieren, wir wollen einfach, dass alle die letzten Wochen der Saison Vollgas geben. Denn abgerechnet wird am Ende.

Ihre erste Liga-Partie als Trainer der L.E. Volleys ging zu Hause gegen Mainz mit 1:3 verloren. Gab es aus Ihrer Sicht dennoch positive Ansätze?

Dass wir das Spiel gegen Mainz verloren haben, war für Außenstehende natürlich nicht der gewünschte Knalleffekt gewesen. Doch das, was dabei schon etwas besser geklappt hatte, haben höchstens 3-4 Experten wahrgenommen. Man hat zum Beispiel gesehen, dass die Mannschaft viel besser über die Mitte gespielt und im Aufschlag ein Konzept verfolgt hat, auch wenn sie das noch nicht durchgehalten haben.

Dieses Problem zieht sich ja schon durch die ganze Saison, dass sie in den Entscheidungsphasen zu viele eigene Fehler machen und zu spielen aufhören. Die Disziplin beim Aufschlag war zwar schon deutlich besser, doch wenn es um die Wurst ging, war es einfach nicht gefährlich genug.

Von der Spielanlage her war es aber in dieser Saison das Spiel, in dem am meisten Schnellangriff gespielt wurde.

Jan Pretscheck ist neuer Trainer der L.E. Volleys. Foto: L.E. Volleys
Jan Pretscheck ist neuer Trainer der L.E. Volleys. Foto: L.E. Volleys

Wie sehr ist der bisherige Negativlauf auch eine Kopfsache?

Es ist eine schwierige Situation, in der sich die Mannschaft befindet. Sie hat im Laufe der Saison viele knappe 2:3-Niederlagen kassieren müssen. Das steckt natürlich noch in den Köpfen, und man merkt, dass dort nicht nur positive Gedanken unterwegs sind. Natürlich wird der Rucksack mit jeder Niederlage immer schwerer.

Man kann da nichts auf Knopfdruck abrufen. Die Spieler sind ja keine Profis, sondern gehen zusätzlich zu ihrem Lebensalltag noch zusätzlich bis zu viermal die Woche in die Halle, um zu trainieren. Daher braucht es auch das nötige Quäntchen Glück, dass diese Impulse, die ich in der Kürze der Zeit setzen kann, auch Früchte tragen.

Denn erst wenn man den Erfolg in Form eines Sieges wirklich spürt, glaubt man auch wieder, dass sich das ein oder andere wirklich lohnt.

Man kann beispielsweise neue Übungen und ein paar andere Denkansätze ins Training einbauen, denn Volleyball spielen hat ja eigentlich etwas mit Freude zu tun. Aber wenn man zu oft verliert, empfinden manche Spieler enge Situationen eher als Belastung.

Aber eigentlich sollte ein enger Spielstand niemanden davon abhalten, etwas Geniales zu machen – oder das abzurufen, was man sich im Training durch erhöhte Konzentration oder erhöhten Trainingsfleiß angeeignet hat, um im Wettkampf solche knappen Sätze einfach auch zu gewinnen und wieder mal etwas Zählbares in der Hand zu halten.

Wie optimistisch blicken Sie auf die anstehenden Spiele?

Es sind noch acht Spiele. Wenn wir von den nächsten beiden eins gewinnen, ist alles möglich. Am Sonntag fahren wir in aller Frühe los, um nachmittags beim Tabellenführer in Karlsruhe zu spielen. Das sind natürlich denkbar ungünstige Bedingungen für uns, aber gerade an solchen Tagen können Helden geboren werden.

Wenn die Jungs daran glauben, ist es eigentlich ein ganz einfaches Spiel, weil jeder erwartet, dass wir verlieren. Wir haben dort keinen Druck und könnten eine Überraschung schaffen. Wenn wir beim Tabellenführer nicht gewinnen sollten, wird es dann am 5. März in Dresden ein richtiger Krimi. Denn das Ding sollten wir schon gewinnen, um alles noch selbst in der Hand zu haben.

Mit einem Sieg würde eine neue Zeitrechnung beginnen, denn er beflügelt alle. Es würde dann auch im Training einfacher werden, weil die Spieler merken, dass es sich lohnt, zuzuhören und mitzumachen. Danach haben wir ein Heimspiel gegen Grafing (12.03./19 Uhr), die auch unten drinstehen. Wenn wir das auch gewinnen, können wir schon ganz nah an die vor uns stehenden Mannschaften heranrücken.

Dann wird es auch in den Fernduellen psychologisch interessant, denn natürlich kriegen dann auch die anderen mit, dass wir gewinnen und näher kommen. Leipzig ist genauso stark wie die anderen Mannschaften, da geht es nur um Kleinigkeiten. Die Liga ist sehr ausgeglichen, da kann jeder jeden schlagen.

Wie lautet Ihr persönliches Fazit der ersten Wochen an Ihrer neuen Wirkungsstätte?

Es waren bisher drei wirklich schöne Wochen als Trainer in Leipzig, und ich freue mich auf die vierte Woche. Vom Umfeld in Leipzig bin ich wirklich begeistert. Die Möglichkeiten, die in und um den Verein herum bestehen, sind sehr gut – und der (zumindest) Zweitliga-Volleyball gehört einfach auch zu Leipzig.

Daher sollten alle, die die Möglichkeit haben, in den nächsten Wochen alles für den Klassenerhalt tun. Ich werde das auf jeden Fall machen. Man muss den Tatsachen ins Auge sehen: Nur ein Sieg verändert die Situation, und der sollte möglichst in den nächsten beiden Spielen kommen.

Die restlichen Heimspiele der L.E. Volleys:
Samstag, 12. März gegen TSV Grafing
Samstag, 2. April gegen GSVE Delitzsch
Samstag, 9. April gegen TSV Mimmenhausen.

Die Partien beginnen jeweils um 19 Uhr in der Sporthalle Brüderstraße.

Homepage der L.E. Volleys:
https://le-volleys.de

„Der neue L.E. Volleys-Trainer Jan Pretscheck im Interview: Mit einem Sieg würde eine neue Zeitrechnung beginnen“ erschien erstmals am 25. Februar 2022 in der aktuellen Printausgabe der Leipziger Zeitung (LZ). Unsere Nummer 99 der LZ finden Sie neben Großmärkten und Presseshops unter anderem bei diesen Szenehändlern.

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