Mit dem finalen Triumph der Frankfurt Galaxy hat die erste Saison in der neu geschaffenen European League of Football (ELF) ihren Abschluss gefunden. Die Leipzig Kings hatten nach holprigem Beginn eine starke Rückrunde hingelegt und sind letztlich nur knapp an den Playoffs vorbeigeschrammt. Vier Spieler des Teams sind nun zur NFL-Sichtung nach London eingeladen worden.

Unter ihnen ist auch der gebürtige Leipziger Max Bruder (23). Die LZ hat mit dem Offensive-Line-Spieler und 2,13 Meter-Hünen über das für ihn sehr ereignisreiche Football-Jahr gesprochen.Max Bruder, wie hat es eigentlich bei Ihnen mit American Football angefangen?

In der Schule war ich damals prinzipiell immer der Größte und Schwerste. Das war in Sachen Sport natürlich etwas problematisch. Mit einem Freund zusammen habe ich zunächst Wasserball ausprobiert. Dann begann er 2008 aber mit Football und ich bin mitgegangen, obwohl ich wirklich etwas Respekt davor hatte. Bei den Leipzig Lions haben wir mit Flag Football begonnen, 2015 bin ich zum Tackle Football gewechselt.

Gegen Ende der A-Jugend war ich Teamkapitän und bin 2017 auch in der Junioren-Nationalmannschaft unterwegs gewesen. Schließlich bin ich 2018 ins Männerteam der Lions gekommen und habe dort auf der Position des rechten und später des linken Tackles gespielt. Meine Rolle im Team wurde zunehmend wichtiger. Ich habe mir aber nie etwas darauf eingebildet, sondern wollte immer ein guter Teamkamerad sein. Mir war es wichtig, dass es allen im Team gutgeht, sei es auf dem Football-Feld oder abseits davon.

Und dann wurde Ende letzten Jahres die European League of Football (ELF) ins Leben gerufen …

Als ich von der ELF und dem Leipziger Franchise gehört hatte, dachte ich mir: jetzt musst du richtig reinhauen! Das hat mir eine unfassbare Motivation gegeben: Ich habe direkt mit Personal Training begonnen und gelernt, mich bewusster zu ernähren, darauf zu achten, wann ich was trainiere und wie viel Schlaf ich bekomme. Im Frühjahr bin ich dann zum Tryout der Leipzig Kings gegangen. Dort war zu merken, dass sich Coach Armstrong richtig einen Kopf gemacht hat, wer seine Offensive-Liner sein sollen. Darauf lag sein Fokus. Wir wurden den ganzen Tag von ihm betreut, wurden genau unter die Lupe genommen und haben Tipps bekommen.

Ich habe alles gegeben, was ich hatte, habe alles versucht. Aber uns war beiden von vornherein klar, dass es dieses Jahr nur ein Backup-Spot für mich wird und ich wenig Spielzeit bekommen werde. Das stört mich natürlich, aber ich weiß, dass die Coaches nicht daran schuld sind. Es gab vorher Gespräche und ich konnte realistisch einschätzen, wie gut ich bin und dass der vor mir besser ist. Also warum sollte er dann nicht spielen?

Die Leipziger Zeitung, Ausgabe 95. Seit 1. Oktober 2021 im Handel. Foto: LZ
Die Leipziger Zeitung, Ausgabe 95. Seit 1. Oktober 2021 im Handel. Foto: LZ

Wie sind Sie mit dieser Situation umgegangen?

Ich bin jetzt mental in einer Welt, in der ich mich nie mit dem zufriedengebe, was ich kann. Es gibt mit diesem Gewicht immer jemanden, der schneller und stärker ist – das will ich auch sein! Daher versuche ich mich immer zu steigern. Ich möchte generell in allem immer besser werden. Das spornt mich an.

Gestern zum Beispiel kam ich aus dem Gym, mir tat alles weh, und ich konnte nichts mehr machen, was mit meinem Körper physisch zusammenhängt. Also habe ich mir im Internet angesehen, wie sich verschiedene Defenses aufstellen und wer dort wann welche Aufgabe hat. Ich habe auch meinen Bio-Rhythmus geändert und schlafe jetzt regelmäßig immer zur selben Zeit. Solche Dinge mache ich, um besser zu werden.

Nach nur einem Sieg aus den ersten fünf Spielen schienen die Leipzig Kings früh aus dem Rennen um die Playoffs zu sein. Doch dann wurde es durch vier Siege in Folge noch einmal spannend. Wie kam diese Wende zustande?

Zur Halbzeit der Saison hatten wir unseren Quarterback Michael Birdsong wieder auf dem Platz. Dem merkst du einfach an, dass er ein hundertprozentiger Leader ist. Er ist zwar erst 27 Jahre alt, aber egal, ob du 33 oder 19 bist, wenn du deinen Job gut machst, lässt er dich das wissen – und wenn du ihn schlecht machst, lässt er dich das auch wissen. Er hat sehr viel Detailarbeit mit dir gemacht und ist die ganze Zeit darauf bedacht, dass du besser wirst und dass es als Team so funktioniert, wie er sich das vorstellt. Das hat er auch gut realisieren können, denn wir haben dann bis auf das letzte Spiel gegen Breslau alles gewonnen.

Im Schnitt waren immer etwa um die 2.000 Zuschauer bei den Heimspielen im Alfred-Kunze-Sportpark dabei. Wie haben Sie die Publikumsresonanz wahrgenommen?

Das war Wahnsinn. Vor dem ersten Heimspiel saßen wir in unserer Umkleide und es war noch Totenstille. Dann hörst du, dass das Stadion relativ voll sein muss, hörst die Zuschauer das erste Mal brüllen und bekommst schon Gänsehaut. Schließlich läufst du raus aufs Feld und siehst, dass auf den Rängen alles voll ist. Das war ein wirklich heftiges Gefühl.

Unser zweites Heimspiel haben wir dann gegen Hamburg mit 0:55 verloren, was in etwa vergleichbar mit einer 0:8-Klatsche beim Fußball ist. Aber die Fans haben uns bis zum Ende absolut unterstützt und uns auch hinterher beim Abklatschen Mut zugesprochen. Ich möchte denen an dieser Stelle im Namen des gesamten Teams gerne einmal danken, denn so etwas hatten wir bisher noch nie erlebt. Selbst wir haben nicht damit gerechnet, wie gut die Leipzig Kings in dieser kurzen Zeit bei den Leuten angekommen sind.

Nun sind Sie zum NFL European Combine eingeladen worden. Wie haben Sie davon erfahren?

Eines Abends um 22:30 Uhr bekam ich einen Anruf aus London. Ich hatte mir nichts weiter dabei gedacht und bin ganz entspannt rangegangen. Aber dann war das jemand von der NFL – da habe ich kurz geschluckt und war ein bisschen aus dem Häuschen. Es folgten die ersten Gespräche und Interviews zu meinem persönlichen Hintergrund, und es ging immer weiter in die Details. Da war zu spüren: Die wollen tatsächlich etwas von mir.

Eine starke Rückrunde führte die Leipzig Kings fast noch in die Playoffs. Foto: Jan Kaefer
Eine starke Rückrunde führte die Leipzig Kings fast noch in die Playoffs. Foto: Jan Kaefer

Wie läuft dieses Prozedere eigentlich ab, und welche Chancen rechnen Sie sich aus?

Die erste Runde ist das Combine in London, dort sind 50 Spieler dabei. Von denen kommen 15 in das International Player Pathway Program (IPPP), wo man zehn Wochen lang an der IMG Academy in Florida ist. Danach hat man drei Monate lang Training auf NFL-Level und ist dann für den NFL-Draft verfügbar, könnte dort also als Spieler ausgewählt werden.

Mein Coach und ich wissen beide, dass ich aktuell noch nicht die athletischen Werte habe, um jetzt schon in das Programm aufgenommen werden zu können. So realistisch muss man einfach sein.

Er hat mich aber darin bestärkt, trotzdem am Combine teilzunehmen und diese Erfahrungen mitzunehmen. Es geht vor allem darum, überhaupt erst mal auf dem Radar der NFL zu sein. Im Laufe der nächsten Saison werde ich versuchen, den athletischen Werten immer weiter zu entsprechen, um noch einmal am Combine teilnehmen zu können und es dann zu schaffen. Dieses Jahr geht es aber hauptsächlich um den Lernprozess. Dass ich es innerhalb eines Jahres vom Drittliga-Spieler zum ELF-Spieler und NFL-Prospect geschafft habe, ist für mich auch schon ein kleiner Triumph.

Hauptberuflich sind Sie als Erzieher in einem Kindergarten tätig, wie verfolgen die Kinder und Kolleginnen dort Ihre Football-Karriere?

Ich habe den Kindern erklärt, dass ich das Team gewechselt habe, dass jetzt alles ein bisschen schneller und professioneller ist und es auch mal passieren kann, dass ich an einem Wochentag nicht da bin, weil ich ein Auswärtsspiel habe. Da haben die Kinder erst gesagt: Das ist ja blöd, dass du immer wegfahren musst. Aber als ich erklärt habe, dass mich das freut, haben sie sich auch direkt mitgefreut.

Einige haben sogar angefangen, zusammen mit ihren Eltern Football zu schauen, und manchmal bringt ein Kind auch einen ausgeschnittenen Zeitungsartikel mit. Die freuen sich total, das macht mich natürlich auch ein bisschen stolz. Meine Chefinnen haben sogar Dienstpläne für mich umgeschrieben, damit ich zu den Auswärtsspielen fahren kann. Sie haben alles getan, was möglich war, damit der Sport für mich realisierbar war. Daher habe ich in der gesamten Saison auch nur ein einziges Training verpasst.

Im Berufsleben zu stehen und parallel einen anspruchsvollen Leistungssport zu betreiben, klingt nach einer großen Herausforderung. Wie haben Sie das unter einen Hut bekommen?

Ich habe vorher lange mit meiner Freundin darüber gesprochen, denn es ist wichtig, dass dein Umfeld hinter dir steht. Voll arbeiten zu gehen und nebenbei zu trainieren, ist schon sehr stressig, und du siehst deine Freundin und Familie relativ selten. Mein typischer Tagesablauf in der Woche sah so aus, dass ich von morgens bis nachmittags arbeiten war, dann eine Stunde Zeit hatte und dann zum Training gefahren bin, entweder ins Fitnessstudio oder auf den Platz.

Danach bin ich nach Hause gekommen, habe geduscht, etwas gegessen und mir dann die Teamtraining-Videos angesehen, um für den nächsten Tag gut vorbereitet zu sein. Ich habe neunmal die Woche trainiert. Der Körper wird dadurch besser, aber am Anfang muss er sich erst daran gewöhnen. Diese ersten Wochen sind wirklich hart, aber ich denke, ich habe das ganz gut hingekriegt.

„Der Leipziger Footballer Max Bruder kämpft sich auf den Radar der NFL: Ich möchte in allem immer besser werden.“ erschien erstmals am 1. Oktober 2021 in der aktuellen Printausgabe der LEIPZIGER ZEITUNG. Unsere Nummer 95 der LZ finden Sie neben Großmärkten und Presseshops unter anderem bei diesen Szenehändlern.

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