LEIPZIGER ZEITUNG/Auszug Ausgabe 81, seit 31. Juli im HandelVor genau zwei Jahren war die Leipziger Eissport-Welt noch in Ordnung. Mit viel Hoffnung und großen Plänen im Gepäck waren damals das Eishockeyteam der Icefighters Leipzigs (IFL) und sein Stammverein, der Leipziger Eissport-Club (LEC), nach sechsjährigem „Exil“ aus Taucha zurück in die Messestadt gezogen. Im geschichtsträchtigen Kohlrabizirkus, nahe der Alten Messe, sollte auf Langfristigkeit gesetzt werden. Ein Mietvertrag über zehn Jahre sollte Planungssicherheit geben und zeigen: Wir sind gekommen, um zu bleiben. Doch bereits nach einem Jahr war dieser Mietvertrag fristlos gekündigt.
Ausschlaggebend dafür war ein Konflikt zwischen dem Eigentümer, der Vicus Group AG, und dem Hauptmieter und Betreiber, der Eisarena Leipzig GmbH. Es ging, wer hätte es gedacht, ums Geld. Bemerkenswert allerdings: Fast ein Jahr lang drang von diesem Konflikt nichts an die Öffentlichkeit. Zudem schien der Betrieb der Eisarena auch ganz regulär weiterzugehen. Es konnte öffentlich Eis gelaufen werden, und auch die Icefighters spielten ihre Saison – zumindest bis zum Corona-Lockdown im März 2020.
Nun verriegelte auch die Vicus AG die Kohlrabizirkus-Türen für Mieter und Untermieter komplett. Doch erst im Juli, als der LEC mit seiner Petition „Wir brauchen Eis“ an die Öffentlichkeit ging, wurde deutlich, wie verfahren die Lage in Sachen Eissport in Leipzig aktuell tatsächlich ist. Es sind – nach Lage der Dinge – vor allem zwei Aspekte, die das erhoffte Eismärchen ins Wanken brachten. Zum einen geht es um eine ganze Reihe baulicher Mängel im Kohlrabizirkus – einschließlich der Bewertung, wer dafür aufzukommen hat. Und zum anderen um die Hoffnung bzw. Erwartung an die Stadt Leipzig, die Hälfte der Kaltmiete zu übernehmen. Diese Hoffnung konnte nie erfüllt werden. Aber der Reihe nach.
„Bis Ende März (2019/d. Red.) war alles gut“, sagt Gunter Alex – einer der beiden Geschäftsführer der Eisarena Leipzig GmbH – im Interview mit der LEIPZIGER ZEITUNG (LZ). Bis dahin habe man „gezahlt, wie es im Mietvertrag vereinbart war“. Im März und April 2019 habe es dann mit der Vicus AG – in Person von Michael Klemmer – mehrere Gespräche gegeben, die aufgrund diverser Nutzungseinschränkungen eine Mietminderung zum Thema hatten. „Hier waren wir übereingekommen, dass die Miete um 30 Prozent gekürzt wird, solange in dem Objekt Bauarbeiten sind bzw. die Flächen nicht fertig sind“, erklärt Alex. „Das sollte dann nur noch schriftlich in einer kurzen Ergänzung festgehalten werden. Auf diese Ergänzung warten wir, trotz mehrfacher Rückfrage, bis dato.“
Mängel in der Halle kann Alex so einige aufzählen: „Die Halle wurde uns als Eissporthalle für Trainings- und Wettkampfbetrieb und öffentliche Veranstaltungen vermietet. Leider hat man uns nicht vor Abschluss des Mietvertrages darauf hingewiesen, dass der Fußboden die Belastungen einer Tribüne nicht trägt. Da das Objekt voll unterkellert ist, wurden wir aufgefordert, durch das Bauordnungsamt, die Tribünenlasten im Keller abzufangen.
Dieses ‚Abfangen‘ geschieht mit ca. 400 Doka-Stützen, welche jeweils vier Meter hoch sind. Zusätzlich sind unter diesen Stützen entsprechende Stahlbetonhohldiehlen (3 Stück pro Stütze), da niemand die Beschaffenheit des Untergrundes im Keller kennt, zur Lastverteilung nötig. Dieses Problem mit der Tragfähigkeit des Hallenbodens war dem Vermieter aber bekannt.“
Doch das ist längst nicht alles. Laut Aussage von Gunter Alex fehlen zudem „in der Westhalle fast 1.000 Quadratmeter Nutzfläche“. Es regne dort herein „und von einer Dämmung gegen Kälte wollen wir gar nicht reden.“ Fehlende Kältedämmung mache sich sowohl im VIP-Bereich als auch im Bereich der Eismeister bemerkbar. „Nur durch selbst eingebrachte Dämmung kann hier im Winter eine Temperatur kurz oberhalb der Gefriergrenze gehalten werden. Diese selbst eingebrachte Dämmung war nötig, damit uns die Eisbearbeitungsmaschinen und die entsprechenden Wasseranschlüsse nicht einfrieren.“
Außerdem: In der vergangenen Saisonpause „mussten wir auf Anweisung der ausführenden Architekten/Projektplaner die gesamte Verrohrung der Eisfläche um 180 Grad drehen“, so Alex – ein zeit- und kostenaufwendiges Unterfangen. Und dann sei da noch die Sache mit dem Strom: „Wir bezahlen den Strom für den Vermieter mit“, bemängelt Alex. „Auf unseren Zähler laufen alle Stromabnehmer der Allgemeinen Unterverteilung. Wir bezahlen die Außenbeleuchtung komplett, die Entwässerungspumpen, alle Flurbeleuchtungen (auch die außerhalb unseres Mietbereiches), sämtliche Sicherheitseinrichtungen für das gesamte Objekt laufen über unseren Zähler. Der Vermieter muss das eigentlich auf alle Mieter umlegen. Das geschieht aber nicht.“
Von April bis Juli 2019 stellte die Eisarena Leipzig GmbH nun ihre Mietzahlungen komplett ein, beglich lediglich die Nebenkosten samt Umsatzsteuer. Die Folge: Fristlose Kündigung des Mietvertrages am 3. Juli 2019. „Im Juli 2019 teilte uns Herr Klemmer mit, dass er von einer ‚vielleicht insolventen‘ Firma keinerlei Geld mehr haben möchte, da dieses ja durch den Insolvenzverwalter wieder zurückgeholt werden kann und er sich diesen ‚Ärger‘ ersparen möchte“, erklärt Alex. Er reichte Widerspruch gegen die Kündigung ein und wartete ab. „Herr Klemmer hätte als Vermieter jetzt eigentlich eine Räumungsklage einreichen müssen. Dieses ist bis dato nicht geschehen.“ Zahlungen an die Vicus AG leistete die Eisarena GmbH daher ab August 2019 gar keine mehr („Weil er ja nichts mehr haben wollte“), hinterlegte das Geld allerdings bei ihrer Anwältin.
Trotz dieser Kündigung duldete der Eigentümer zunächst die weitere Nutzung der Halle. Erst im März 2020, als coronabedingt in Sachen Eissport sowieso nichts mehr ging, wurden „sämtliche Türen, welche in die Eishalle führen, verschraubt und teilweise die Schlösser ausgetauscht. Seitdem kommen wir nicht mehr in die Halle“, so Alex. Parallel dazu erging ein ab 19. März geltendes schriftliches Liegenschaft-, Haus- und Gebäudeverbot an alle Mieter, Untermieter und Mitarbeitende – also auch an die Icefighters und den LEC (liegt der LZ vor). Beide sind somit aktuell ohne Trainings- und Spielstätte.
Eine zentrale Rolle in diesem Finanzstreit nimmt auch eine erwartete finanzielle Förderung durch die Stadt Leipzig ein. In einem Passus des Mietvertrages (liegt der LZ vor) wird der Untermieter LEC e. V. beauftragt, Sportförderung in Höhe von 200.000 Euro pro Jahr – und das über zehn Jahre – zu beantragen. Das Geld sollte als Zuschuss die Hälfte der jährlichen Kaltmiete abdecken. Allerdings: Die 10-jährige Laufzeit des Mietvertrages war gekoppelt an die Erbringung des Nachweises einer Bewilligung dieser Summe. Sollte dies nicht gelingen, würde das Mietverhältnis automatisch mit Ablauf des Jahres 2019 enden.
Der LEC reichte daher am 4. Juli 2019 einen entsprechenden Förderantrag bei der Stadt ein. Diese prüfte das Anliegen und stellte fest, dass – wie oben erwähnt – das Mietverhältnis bereits am 3. Juli 2019 fristlos gekündigt worden war, wodurch einem Anspruch auf Förderung die rechtliche Grundlage fehlen würde. Das teilte das Sportamt dem LEC am 4. Dezember 2019 schriftlich mit (liegt der LZ vor). Das erhoffte Geld von der Stadt floss also nie. Das Problem: Die Eisarena Leipzig GmbH hatte es bei seinen Mietzahlungen an die Vicus bereits mit eingepreist, wodurch seit Januar 2019 monatlich knapp 17.000 Euro offen blieben.
Darüber, wie hoch die tatsächlichen finanziellen Ansprüche des Eigentümers gegen die Eisarena GmbH sind, gibt es unterschiedliche Ansichten. „Eigentlich sind es nur 6.800 Euro, wenn ich die ganzen Gewinnausfälle mit einbeziehe, durch die nicht genutzten Flächen und den nötigen Umbau, während dem wir die Halle im Mai, Juni und Juli letzten Jahres überhaupt nicht nutzen konnten“, schätzt Gunter Alex. Von der Vicus hingegen werden inzwischen um die 600.000 Euro ins Feld geführt. Der Fall liegt nun beim Oberlandesgericht in Dresden. Ausgang unklar.
Unklar ist damit auch, wie es für die Icefighters und den LEC sportlich weitergeht. In seiner Petition fordert der LEC, „dass die Stadt Leipzig sich aktiv für den Erhalt der Eishalle einsetzt, sich in die Betreibung, wie in anderen Städten und Gemeinden üblich, einbringt, seiner öffentlichen Daseinsfürsorge gerecht wird und den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt eine ausreichend dimensionierte Eishalle bietet. Die Petition soll erreichen, dass (sich) der Stadtrat mit unseren Forderungen in einer öffentlichen Sitzung befasst. Ziel muss es hierbei sein, im gemeinsamen Dialog der Stadt, des Eissportvereins, der Icefighters, des Eigentümers und der Verbände eine stabile (Übergangs-)Lösung für die nächsten Jahre im Kohlrabizirkus zu realisieren.“
„Es gibt Gespräche auf Ebene der Verwaltungsspitze“, so Sportamtsleiterin Kerstin Kirmes gegenüber der LZ. „Mit dem bisherigen Modell ist ja der kommunalpolitische Auftrag aus dem ‚Sportprogramm 2024‘ zunächst erfüllt worden: zu einem geeigneten privaten Investor und hinsichtlich eines geeigneten privaten Grundstücks zu vermitteln. Bei den im Raum stehenden Verbindlichkeiten ist es sicherlich der falsche Weg, Druck auf den Eigentümer auszuüben. Es bedarf vielmehr tragfähiger Betreiberkonzepte, die den Eigentümer überzeugen und anschließend dann auch gelebt werden.“
Die neue Leipziger Zeitung Nr. 81: Von verwirrten Männern, richtigem Kaffee und dem Schrei der Prachthirsche nach Liebe
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