Seit fast fünf Jahren tut Sebastian Kanitz etwas für die Fitness der Leipziger. 70 Prozent Frauen trainieren in den Bootcamps seiner Firma. Einen Fitnesswahn wie er vielerorts attestiert wird, kann er allerdings nicht ausmachen. Ein Gespräch über Training in Thailand, rohe Eier und Frauen-Fitnesstraining am Männertag.

„Herr Kanitz, Sie waren im März sogar bei einem Bootcamp in Thailand. Reicht Ihnen Leipzig nicht mehr?“

Leipzig reicht mir noch, aber es ist toll, Menschen zu motivieren, mit uns an andere wunderschöne Orte der Welt zu kommen, um eine tolle Zeit zu verbringen.

Sie haben vor vier Jahren mit dem Bootcamp in Leipzig begonnen. Sie hätten auch woanders hingehen können. Warum ausgerechnet diese Stadt?

Ich bin in Leipzig geboren und habe hier studiert. Demnach habe ich einen großen Freundeskreis und ein Teil meiner Familie lebt auch in der Nähe. Außerdem ist Leipzig für mich eine der schönsten Städte in Deutschland.

Mittlerweile bietet Ihre Firma auch Bootcamps in Salzburg und Berlin an. Wie fitnessaffin sind die Leipziger im Vergleich?

Es ist schwierig zu sagen, ob die Leipziger nun sportlicher sind als die Menschen in anderen Städten. Ich denke, dass es allgemein gerade einen Wandel in der Freizeit – und Fitnessindustrie gibt. Das Training im Freien haben wir vor knapp fünf Jahren begonnen und bisher recht erfolgreich etabliert.

Ich sprach neulich mit ein paar angehenden Abiturienten über die bleibenden Fingerabdrücke Ihrer Generation. Da fiel ein paar Mal das Wort „Fitnesswahn“. Existiert dieser tatsächlich?

Fitnesswahn – das würde ich nicht unbedingt so behaupten. Natürlich geht es vielen Menschen in der heutigen Zeit darum, gut auszusehen. Jedoch ist unser Ansatz eher darauf ausgerichtet, Leben gesund und aktiv zu gestalten und Spaß dabei zu haben. Es geht nicht immer nur darum, der oder die Schnellste oder Schönste(r) zu sein. Wenn man mit sich und seinem Leben zufrieden ist, ist das schon mal viel wert. Und für mich gehört ein gewisses Maß an Sport genauso dazu, wie schlafen, gesundes Essen und auch einmal mit Freunden bei einem Glas Wein zu feiern.

Haben Sie auch schon ein paar Bootcamp-Teilnehmer stoppen müssen, weil sie zu oft nacheinander erschienen sind?

Ja, durchaus passiert es, dass Menschen übermotiviert sind und dann versuchen wir, Ihnen etwas den Wind aus den Segeln zu nehmen. Rom wurde auch nicht an einem Tag oder einer Woche erbaut (lacht).

In meinen (Alb-)Träumen waren diplomierte Sportlehrer, Fitnesslizenzinhaber und Personal Trainer immer Tiere mit Oberarmen wie Wagenräder. Sie kommen eher drahtig daher. Haben Sie keine Glaubwürdigkeitsprobleme?

Es tut mir leid um ihre Albträume. Ich glaube nicht, dass ich oder unsere Trainer Glaubwürdigkeitsprobleme haben. Das sollten Sie daher vielleicht auch eher unsere Teilnehmer fragen, die teilweise seit Beginn an bei uns trainieren.

Kommen bei Ihnen auch mal rohe Eier auf den Tisch/ins Glas wie bei Rocky?

Nein, ich bevorzuge dann eher das gekochte Ei.

Eine Hommage an Gummiband-Förderer Jürgen Klinsmann oder harte Arbeit? Sebastian Kanitz (zweiter von rechts) ist konzentriert. Foto: Das Bootcamp
Eine Hommage an Gummiband-Förderer Jürgen Klinsmann oder harte Arbeit? Sebastian Kanitz (zweiter von rechts) ist konzentriert. Foto: Das Bootcamp

Wenn Sie mal an Ihre ersten Berührungen mit Sport zurückdenken: Wie verlief ihr Weg zum Fitnesstrainer? Gab es da einschneidende Erlebnisse? Schulhofmobbing oder schlechte Aerobic-Videos, die in Ihnen den inneren Drang entstehen ließen, diese (Sport-)Welt besser machen zu wollen?

Ich mache Sport seit meinem achten Lebensjahr. Zuerst war ich drei Jahre im Ruderclub, danach spielte ich zwei Jahre im Verein Fußball bevor ich zu meiner damaligen absoluten Nummer 1 Sportart Basketball kam. Ich spielte insgesamt zwölf Jahre im Verein. Eine Verletzung zwang mich zu einer längeren Pause. Nach Schule und Bundeswehr wusste ich immer noch nicht genau, was ich eigentlich machen möchte. Ich wusste, Sport spielt eine sehr große Rolle in meinem Leben, aber ich wusste nicht so genau, wo ich damit hin will. Als es dann im ersten Anlauf mit dem Sportstudium nicht geklappt hat, hat mein damaliger Berufsberater mir den Hinweis gegeben, dass es da eine neue Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann gibt. So bin ich dann in die Fitnessbranche gekommen.

Wer fühlt sich von ihren Camps besonders angesprochen?

Ich denke, es fühlen sich vorwiegend Menschen zwischen Anfang 20 bis 40 Jahre, welche keine Lust auf stupides Training im herkömmlichen Fitnessclub haben, angesprochen. Wir haben einen Frauenanteil von ca. 70 Prozent in unseren Kursen. Das ist damit zu erklären, dass Frauen eher „Herdentiere“ sind und lieber in der Gruppe trainieren und Männer eher alleine.

Wer Bootcamp hört, denkt an Drill und Strafen. Ihre Trainer sind allerdings zugänglich und zahm. Würde das Bootcamp sonst nicht funktionieren?“

Ja, ich denke, das Bootcamp würde sonst nur einen sehr geringen Teil der Sportwilligen ansprechen, wenn man wirklich mit hartem Drill und richtiger Bestrafung arbeiten würde. Das ist auch gar nicht unsere Intention. Die Leute kommen zu uns, um eine tolle Zeit zu haben und effektiv zu trainieren.

Die Bootcamps finden mitten in Leipzig, im Clara-Park, am Glockenturm, am Richard-Wagner-Hain statt. Teilweise direkt neben den Feierabendbier-Trinkenden dieser Stadt oder zwischen ein paar Spaziergängern. Wie sind die Reaktionen auf die Horde Sporttalente in der Natur?

Wir versuchen Leute, die grillen wollen oder einfach nur entspannen möchten, nicht zu stören. Die Spots sind auch so gewählt. Natürlich kommt es vor, dass Menschen auch einmal anhalten und schauen oder einen Kommentar abgegeben. Das ist aber immer positiv. An Christi Himmelfahrt im letzten Jahr, als ich ein Training mit 13 Mädels und einem Mann gegeben habe, war es natürlich nicht ganz so einfach ein „ordentliches“ Training durchzuführen. Doch die Damen hatten darauf bestanden, zu trainieren…

 

Auch am Glockenturm stehen die Sportler manchmal unter Beobachtung. Foto: Sebastian Kanitz
Auch am Glockenturm stehen die Sportler manchmal unter Beobachtung. Foto: Sebastian Kanitz

Mit Sicherheit gibt es doch in Ihrer Firma auch ein Best-Of der besten Ausreden und ein Best-of der besten Gründe, um mit Sport anzufangen. Können wir ein wenig teilhaben?

Die Ausreden sind, denke ich, dieselben, die auch in anderen Bereichen der Fitnessbranche herrschen. Von „Ich habe keine Zeit“, bis „Bei Regen trainiere ich nicht“ ist vieles dabei. Jeder muss natürlich selbst darüber entscheiden, was er mit seinem Körper und seiner Gesundheit macht. Wir können niemandem das Training abnehmen, aber wir können sehr gut die Impulse setzen, die Menschen dazu bringen ihre Leben in eine gesündere Richtung zu lenken

Herr Kanitz, vier Jahre Bootcamp sind vorbei. Mittlerweile fliegen Sie mit Interessenten sogar bis nach Thailand. Wohin soll das alles noch führen?

Ja, das stimmt, die Zeit vergeht wie im Flug. Wir hatten damals auch nicht geplant, Bootcamp-Reisen anzubieten, vor allem nicht an Orte, welche 10.000 km entfernt sind. Von daher kann ich gar nicht genau sagen, wohin die Reise führt. Für uns selbst ist das alles ein Abenteuer, was wir selbst mitgestalten dürfen und dafür bin ich sehr dankbar.

Von eigenen Boot-Camp Erfahrungen berichtet „Liegestützweltmeister“ Hofmann in der heute, 13. Mai, erschienenen Leipziger Zeitung: Ein Camp, sich zu knechten – „Ich sage Boot, ihr sagt Camp“

In eigener Sache

Jetzt bis 9. Juni (23:59 Uhr) für 49,50 Euro im Jahr die L-IZ.de & die LEIPZIGER ZEITUNG zusammen abonnieren, Prämien, wie zB. T-Shirts von den „Hooligans Gegen Satzbau“, Schwarwels neues Karikaturenbuch & den Film „Leipzig von oben“ oder den Krimi „Trauma“ aus dem fhl Verlag abstauben. Einige Argumente, um Unterstützer von lokalem Journalismus zu werden, gibt es hier.

Überzeugt? Dann hier lang zu einem Abo …

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar