Vielleicht muss man sich dran gewöhnen, dass die gute alte Zeit der Traditionsvereine zu Ende geht. Im Fußball, im Handball, im Eishockey schon lange. Was im deutschen Eishockey in den 1990er-Jahren passiert ist, verändert auch alle anderen Mannschaftssportarten. Aber das muss der Begeisterung der Anhänger keinen Abbruch tun. Es ist Show. Und: The show must go on.

1994 wurde die Deutsche Eishockey Liga (DEL) gegründet, nachdem die alte, fast gemütliche Eishockey Bundesliga schwer ins Straucheln gekommen war. Man holte sich ein bisschen Information und Beratung in den USA und gründete etwas völlig Neues, quasi einen Unternehmensverband. Denn um überhaupt noch auf hohem Niveau spielen zu können, teure Arenen und Stars finanzieren zu können, braucht es Geld. Sponsoren spielten schon vorher eine entscheidende Rolle im Puck-Sport, manchmal auch eine unheimliche. Aber immer wieder gerieten auch die traditionsreichsten und erfolgreichsten Clubs finanziell ins Straucheln, verschuldeten sich bis über beide Ohren, um mit teuren Star-Einkäufen gegen drohende Abstiege anzukämpfen.

Das kennt man alles irgendwie auch so vom Fußball, auch wenn es dort einigen Clubs gelungen ist, sich selbst in ein renditeträchtiges Unternehmen zu verwandeln. Das gelingt nicht allen. Schon gar nicht den Vereinen aus strukturschwachen Regionen, die immer wieder daran scheitern, dass ihnen die Puste, sich ganz oben zu etablieren, ziemlich schnell ausgeht, jede Investition in teure Spieler aber schon binnen einer Saison den finanziellen Kollaps bedeuten kann. Oft genug erlebt – auch in Leipzig.

Die Mechanismen sind dieselben. Und viele Anhänger ihres Lieblingssports wollen es einfach nicht wahrhaben: Auch im Sport regiert der Markt. Gnadenlos.

Aber das zwingt zu Konsequenzen. Denn wenn die Krise beginnt, eine Spitzenliga dauerhaft zu zerrütten, dann wird sie auch für Besucher unattraktiv. Und so entschlossen sich seinerzeit die 14 finanzkräftigsten Clubs, die alte Bundesliga einfach komplett umzuwandeln in eine praktisch geschlossene Liga. Hier konzentrierten sich die großen Stars. Hier spielte man auf hohem Niveau gegeneinander, führte Playoffs nach amerikanischem Muster ein. Und es funktionierte. Die Eishockey-Anhänger folgten dem Zeitenwandel. Vor allem auch, weil das schnelle Spiel wieder attraktiver wurde und erneut strotzte von dem, was richtige Eishockey-Liebhaber wie Frank Bröker so fasziniert. Er hat nun schon mehrere Bücher über Eishockey geschrieben.

Das hier ist eigentlich sein Erstling von 2012, den er noch einmal angefasst, überarbeitet und mit neuen Streifschüssen aus der DEL angereichert hat, mit Fotos gespickt und mit den Regelveränderungen ergänzt, die das Ganze da und dort noch spannender gemacht haben. Denn im Eishockey neigt man nicht so sehr zu ewigen Debatten wie im Fußball, sondern setzt die Veränderung einfach um, wenn es dazu führt, das Spiel zu beschleunigen oder die Entscheidungen eindeutiger zu machen. Und es sind nicht irgendwelche dubiosen FIFA-Präsidenten, die sich neue Quatsch-Regeln ausdenken. Meist kommt der Vorschlag direkt aus dem Spielbetrieb in den USA und wird, wenn er sich dort bewährt hat, kurzerhand übernommen.

Eishockey-Freunde müssen also lernfähig sein und dürfen sich auch mal mitfreuen, wenn die alten Cracks auf dem Eis sich grün und blau ärgern, weil ihnen die Regeländerung wider den Strich geht.

Am Ende geht es wohl nur um eins: Testosteron. Jede Menge davon. Was freilich auch bedeuten kann, dass es dem Eishockey mal so geht wie dem Football: Die Diskussion um die Härte des Sports wird (vielleicht) noch kommen. Denn bislang zielten die Regeländerungen vor allem darauf, das Tempo im Spiel zu halten und die Spieler zu permanentem Angriff zu reizen. Übrigens – wie Bröker immer wieder gern erzählt – vom Publikum auch so gewollt: Irgendwelche hübschen Pirouetten wollen die wenigsten Anhänger des Eissports sehen. Und die Sprechchöre sind teilweise noch ein paar Grade schärfer als beim Fußball.

Die 1. Liga ist demnächst nicht mehr ganz so undurchlässig wie in den vergangenen 20 Jahren. Es soll auch wieder ein paar Auf- und Absteiger geben, wenn die Professionalisierung der 2. Liga abgeschlossen ist. Auch das darf an die Vorgänge im Fußball erinnern. Und es wirft natürlich ein Licht auf das moderne Entertainment und wie die Verkäuflichkeit einer Sportart auf attraktiven (Sport-)Kanälen zwingend dazu führt, dass sich Vereine in profitträchtige Unternehmen verwandeln und große Investoren die Regie übernehmen über das, was da auf dem Spielfeld passiert. Für sie ist das Engagement ein permanentes Marketing. Auch das verändert die Regeln. Da kann man sich zwar auch manchmal als Pascha benehmen und die ganze Trainertruppe feuern – aber damit kann man sich auch selbst ins Knie schießen. Denn selbst die komplette Professionalisierung der Vereinsstrukturen verhindert nicht, dass Spieler, Trainer und Publikum doch wieder so intensiv miteinander agieren wie in den guten alten Zeiten des Amateursports.

Bröker lässt zwar auch seine Enttäuschung durchscheinen, wenn liebgewordene Spielorte verschwinden. In Leipzig ja erlebt, als auf einmal eine alte Messehalle nicht mehr zur Verfügung stand. Aber auch das gehört dazu: Wenn ein Sport sich derart professionalisiert, sind die Vereine selbst verantwortlich dafür, dass die Strukturen entstehen, die man braucht. Ob es die richtigen sind, ist eine andere Frage. Taucha, wo die Icefighters Leipzig nach mehreren Häutungen gelandet sind, ist ja doch schon ein wenig abgelegen. Aber nicht weit genug für Frank Bröker, der ja neben seiner eisigen Begeisterung auch noch bei „The Russian Doctors“ mitspielt und die diversen skurrilen Veröffentlichungen der Pratajev-Bibliothek betreut.

Wer sich für Eishockey erwärmen kann und einfach mal das ganze Basiswissen braucht, um zu verstehen, was da auf dem Eis abgeht, der hat es hier noch einmal kompakt und auf dem neuesten Stand, in kräftigem, bildhaftem Tonfall, damit gar niemand erst auf die Idee kommt, das könnte so etwas ähnliches sein wie Eiskunstlauf oder Curling.

Frank Bröker : Eishockey, erweiterte und überarbeitete Neuausgabe, Verlag Andreas Reiffer, Meine 2016, 9,90 Euro.

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